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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Rand, Goethe und der Monismus

sprechenden neuen unabsehbaren ^Konsequenzen zurückgekehrt sind. Daß der neu
bekehrte Imperialist selbst genau weiß, welchen praktischen Zielen seine Kon¬
version förderlich sein soll, daran ist nicht zu zweifeln. Die Stichhaltigkeit
seiner wissenschaftlichen Leistung ist ihm dabei vielleicht sehr gleichgiltig. Und
er hätte damit nicht einmal so sehr Unrecht. Die jungdeutsche Nationalökonomie
^ verdient es nicht besser.




Kant, Goethe und der Monismus
Von Heinrich von Schoeler (Schluß)

chen wir nun zu, welcher Art das Verhältnis Goethes zur
monistischen Weltanschauung ist.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Goethe von jeher moni¬
stischen Anschauungen gehuldigt hat. Anfänglich schöpfte er sie ans
der Antike, aus dem x"), ?r",^ der Eleaten. Später war es
die Philosophie Spinozas -- deren Studirun durch Lessing, Herder und Jacobi
aufgekommen war --, die seinen Geist fesselte. "Dieser Geist, sagt er im
14. Buche von Wahrheit nud Dichtung, der so entschieden auf mich wirkte,
und der auf meine ganze Denkweise so große" Einfluß haben sollte, war
Spinoza. . . . Die alles ausgleichende Ruhe Spinozas kontrastierte mit meinem
alles aufregenden Streben, seine mathematische Methode war das Widerspiel
meiner poetischen Sinnes- und Darstellungsweise, und eben jene geregelte
Behandlungsart, die man sittlichen Gegenständen nicht angemessen finden wollte,
machte mich zu seinem leidenschaftlichstell Schüler, zu seinen? entschiedensten
Verehrer. Geist und Herz, Verstand und Sinn suchten sich mit notwendiger
Wahlverwandtschaft, und durch diese kam die Vereinigung der verschiedensten
Wesen zustande."

Aus dieser Stimmung stammen die spinozistisch gefärbten Stellen des
Faust, die Lieder und Gedichte pnntheistischen Inhalts, die philosophischen
Xenien und der rhapsodisch-aphoristische Dithyrambus auf die Natur (1780),
den Haeckel seiner "Natürlichen Schöpfungsgeschichte" vorausgesetzt hat; er hat
mit Goethes natiMvissenschaftlicher Thätigkeit nichts zu thun. Endlich waren
es seine naturwissenschaftlichen Forschungen, die Goethe zu monistischen und
trailsformiftischeil Überzeugungen im Sinne der Lamarckschen Deszendenztheorie
und im Einverständnis mit den Ideen Geoffroy de Saint-HilaireS führten.

Seit 1781 etwa beschäftigte er sich emsig mit naturhistorischen Studien,
ans die er besonders durch Herder, Merck und Knebel gelenkt worden war,
und schon im Jahre 1784 konnte er, darauf bezüglich, an .Knebel schreiben:


Rand, Goethe und der Monismus

sprechenden neuen unabsehbaren ^Konsequenzen zurückgekehrt sind. Daß der neu
bekehrte Imperialist selbst genau weiß, welchen praktischen Zielen seine Kon¬
version förderlich sein soll, daran ist nicht zu zweifeln. Die Stichhaltigkeit
seiner wissenschaftlichen Leistung ist ihm dabei vielleicht sehr gleichgiltig. Und
er hätte damit nicht einmal so sehr Unrecht. Die jungdeutsche Nationalökonomie
^ verdient es nicht besser.




Kant, Goethe und der Monismus
Von Heinrich von Schoeler (Schluß)

chen wir nun zu, welcher Art das Verhältnis Goethes zur
monistischen Weltanschauung ist.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Goethe von jeher moni¬
stischen Anschauungen gehuldigt hat. Anfänglich schöpfte er sie ans
der Antike, aus dem x«), ?r«,^ der Eleaten. Später war es
die Philosophie Spinozas — deren Studirun durch Lessing, Herder und Jacobi
aufgekommen war —, die seinen Geist fesselte. „Dieser Geist, sagt er im
14. Buche von Wahrheit nud Dichtung, der so entschieden auf mich wirkte,
und der auf meine ganze Denkweise so große» Einfluß haben sollte, war
Spinoza. . . . Die alles ausgleichende Ruhe Spinozas kontrastierte mit meinem
alles aufregenden Streben, seine mathematische Methode war das Widerspiel
meiner poetischen Sinnes- und Darstellungsweise, und eben jene geregelte
Behandlungsart, die man sittlichen Gegenständen nicht angemessen finden wollte,
machte mich zu seinem leidenschaftlichstell Schüler, zu seinen? entschiedensten
Verehrer. Geist und Herz, Verstand und Sinn suchten sich mit notwendiger
Wahlverwandtschaft, und durch diese kam die Vereinigung der verschiedensten
Wesen zustande."

Aus dieser Stimmung stammen die spinozistisch gefärbten Stellen des
Faust, die Lieder und Gedichte pnntheistischen Inhalts, die philosophischen
Xenien und der rhapsodisch-aphoristische Dithyrambus auf die Natur (1780),
den Haeckel seiner „Natürlichen Schöpfungsgeschichte" vorausgesetzt hat; er hat
mit Goethes natiMvissenschaftlicher Thätigkeit nichts zu thun. Endlich waren
es seine naturwissenschaftlichen Forschungen, die Goethe zu monistischen und
trailsformiftischeil Überzeugungen im Sinne der Lamarckschen Deszendenztheorie
und im Einverständnis mit den Ideen Geoffroy de Saint-HilaireS führten.

Seit 1781 etwa beschäftigte er sich emsig mit naturhistorischen Studien,
ans die er besonders durch Herder, Merck und Knebel gelenkt worden war,
und schon im Jahre 1784 konnte er, darauf bezüglich, an .Knebel schreiben:


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[0466] Rand, Goethe und der Monismus sprechenden neuen unabsehbaren ^Konsequenzen zurückgekehrt sind. Daß der neu bekehrte Imperialist selbst genau weiß, welchen praktischen Zielen seine Kon¬ version förderlich sein soll, daran ist nicht zu zweifeln. Die Stichhaltigkeit seiner wissenschaftlichen Leistung ist ihm dabei vielleicht sehr gleichgiltig. Und er hätte damit nicht einmal so sehr Unrecht. Die jungdeutsche Nationalökonomie ^ verdient es nicht besser. Kant, Goethe und der Monismus Von Heinrich von Schoeler (Schluß) chen wir nun zu, welcher Art das Verhältnis Goethes zur monistischen Weltanschauung ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Goethe von jeher moni¬ stischen Anschauungen gehuldigt hat. Anfänglich schöpfte er sie ans der Antike, aus dem x«), ?r«,^ der Eleaten. Später war es die Philosophie Spinozas — deren Studirun durch Lessing, Herder und Jacobi aufgekommen war —, die seinen Geist fesselte. „Dieser Geist, sagt er im 14. Buche von Wahrheit nud Dichtung, der so entschieden auf mich wirkte, und der auf meine ganze Denkweise so große» Einfluß haben sollte, war Spinoza. . . . Die alles ausgleichende Ruhe Spinozas kontrastierte mit meinem alles aufregenden Streben, seine mathematische Methode war das Widerspiel meiner poetischen Sinnes- und Darstellungsweise, und eben jene geregelte Behandlungsart, die man sittlichen Gegenständen nicht angemessen finden wollte, machte mich zu seinem leidenschaftlichstell Schüler, zu seinen? entschiedensten Verehrer. Geist und Herz, Verstand und Sinn suchten sich mit notwendiger Wahlverwandtschaft, und durch diese kam die Vereinigung der verschiedensten Wesen zustande." Aus dieser Stimmung stammen die spinozistisch gefärbten Stellen des Faust, die Lieder und Gedichte pnntheistischen Inhalts, die philosophischen Xenien und der rhapsodisch-aphoristische Dithyrambus auf die Natur (1780), den Haeckel seiner „Natürlichen Schöpfungsgeschichte" vorausgesetzt hat; er hat mit Goethes natiMvissenschaftlicher Thätigkeit nichts zu thun. Endlich waren es seine naturwissenschaftlichen Forschungen, die Goethe zu monistischen und trailsformiftischeil Überzeugungen im Sinne der Lamarckschen Deszendenztheorie und im Einverständnis mit den Ideen Geoffroy de Saint-HilaireS führten. Seit 1781 etwa beschäftigte er sich emsig mit naturhistorischen Studien, ans die er besonders durch Herder, Merck und Knebel gelenkt worden war, und schon im Jahre 1784 konnte er, darauf bezüglich, an .Knebel schreiben:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/466>, abgerufen am 21.06.2024.