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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Vie englische Rirche

hätt sich innerhalb des durch die Kirchenverfassung Erlaubten, Die Ritualisten
dagegen greifen weit in das Gebiet der katholischen Kirche hinüber und decken
sich zum Teil mit ihr so weit, das; sie geradezu die Unterwerfung der angli¬
kanischen Kirche unter deu päpstlichen Stuhl anstreben. Nicht nur kann über
dieses Endziel kein Zweifel sein, viele Ritualisten bekennen sogar offen, daß
ihre ganze Arbeit nur darauf gerichtet ist, die anglikanische Kirche wieder mit
der römischen zu vereinigen, Rom hat mehrfach erklärt, daß es in nichts den
Anglikanern entgegenkommen, nicht einmal ihre Priesterweihe anerkennen will,
und darum bleibt den englischen Nomfreunden nichts übrig, als, dem Geiste
wie dem Buchstaben der anglikanischen Verfassung zuwider, ihre Kirche in
Lehre und Ritus so römisch zu machen, daß sie sich in nichts mehr von dem
Vorbilde unterscheidet und würdig ist, als reuiges verirrtes Lamm in die
päpstlichen Arme geschlossen zu werden. Nur durch die nuglikanische Kirche
selbst, so sagen sie, kaun England wieder zum Papsttum gebracht werdeu.

Daß sich diese rvmanisierendeu Geistlichen bei der Priesterweihe ans die
39 Artikel verpflichtet haben, verschlägt ihnen nichts, Sie haben nur zu sehr
vou den Jesuiten gelernt, und ihr erster Grundsatz ist auch, der Zweck heiligt
die Mittel, Als ehrliche Männer müßten sie die anglikanische Kirche mit ihren
Pfründen verlassen und zu Rom übergehn; aber dann würden sie von allem
Einfluß auf ihre Gemeinden abgeschnitten und außer stunde sein, für ihr Ziel
zu wirken. Da treten sie lieber ihren heiligen Priestereid mit Füßen und
arbeiten in Heimlichkeit an der Unterwühlung der Kirche, die zu erhalten sie
feierlich gelobt haben, und in ihrer Verblendung glauben sie damit ein gutes
Werk zu thun.

Einen Mann, der sich in: bürgerlichen Leben doppelzüngig erweist und
unter falscher Flagge segelt, belegen wir mit unsrer vollen Verachtung. Wie
viel mehr ist Abscheu gerechtfertigt, wenn sich solche Falschheit bei Dingen zeigt,
die dein Meuschen das Höchste und Heiligste siud! Der Protestant hält die
Lehren der katholischen Kirche für Irrlehren; aber er achtet den Katholiken,
der an sie glaubt und seinen Glauben offen und ehrlich bekennt, dein geheimen
Katholiken muß er diese Achtung versagen, und die sittliche Verkommenheit der
anglikanischen Jesuiten uach Gebühr zu geißeln, dafür sind die stärksten Aus¬
drücke zu schwach. Die edelsten Absichten können den sittlichen Aussatz nicht
verdecken; aus schlechter Saat ist noch nie gute Frucht entsprossen.




wenig bedeutet die Hochkirche die anglikanische Kirche. Sie ist nur eine Richtung, und neben
ihr spricht man von einer niedern und breiten Kirche (too oMiroli und broacl c-liru'vir), von
denen die erste im Gegensatz zur Hochkirche einfache Formen bevorzugt, während die andre eine
vermittelnde Stellung einnimmt. (Schluß folgt)
Vie englische Rirche

hätt sich innerhalb des durch die Kirchenverfassung Erlaubten, Die Ritualisten
dagegen greifen weit in das Gebiet der katholischen Kirche hinüber und decken
sich zum Teil mit ihr so weit, das; sie geradezu die Unterwerfung der angli¬
kanischen Kirche unter deu päpstlichen Stuhl anstreben. Nicht nur kann über
dieses Endziel kein Zweifel sein, viele Ritualisten bekennen sogar offen, daß
ihre ganze Arbeit nur darauf gerichtet ist, die anglikanische Kirche wieder mit
der römischen zu vereinigen, Rom hat mehrfach erklärt, daß es in nichts den
Anglikanern entgegenkommen, nicht einmal ihre Priesterweihe anerkennen will,
und darum bleibt den englischen Nomfreunden nichts übrig, als, dem Geiste
wie dem Buchstaben der anglikanischen Verfassung zuwider, ihre Kirche in
Lehre und Ritus so römisch zu machen, daß sie sich in nichts mehr von dem
Vorbilde unterscheidet und würdig ist, als reuiges verirrtes Lamm in die
päpstlichen Arme geschlossen zu werden. Nur durch die nuglikanische Kirche
selbst, so sagen sie, kaun England wieder zum Papsttum gebracht werdeu.

Daß sich diese rvmanisierendeu Geistlichen bei der Priesterweihe ans die
39 Artikel verpflichtet haben, verschlägt ihnen nichts, Sie haben nur zu sehr
vou den Jesuiten gelernt, und ihr erster Grundsatz ist auch, der Zweck heiligt
die Mittel, Als ehrliche Männer müßten sie die anglikanische Kirche mit ihren
Pfründen verlassen und zu Rom übergehn; aber dann würden sie von allem
Einfluß auf ihre Gemeinden abgeschnitten und außer stunde sein, für ihr Ziel
zu wirken. Da treten sie lieber ihren heiligen Priestereid mit Füßen und
arbeiten in Heimlichkeit an der Unterwühlung der Kirche, die zu erhalten sie
feierlich gelobt haben, und in ihrer Verblendung glauben sie damit ein gutes
Werk zu thun.

Einen Mann, der sich in: bürgerlichen Leben doppelzüngig erweist und
unter falscher Flagge segelt, belegen wir mit unsrer vollen Verachtung. Wie
viel mehr ist Abscheu gerechtfertigt, wenn sich solche Falschheit bei Dingen zeigt,
die dein Meuschen das Höchste und Heiligste siud! Der Protestant hält die
Lehren der katholischen Kirche für Irrlehren; aber er achtet den Katholiken,
der an sie glaubt und seinen Glauben offen und ehrlich bekennt, dein geheimen
Katholiken muß er diese Achtung versagen, und die sittliche Verkommenheit der
anglikanischen Jesuiten uach Gebühr zu geißeln, dafür sind die stärksten Aus¬
drücke zu schwach. Die edelsten Absichten können den sittlichen Aussatz nicht
verdecken; aus schlechter Saat ist noch nie gute Frucht entsprossen.




wenig bedeutet die Hochkirche die anglikanische Kirche. Sie ist nur eine Richtung, und neben
ihr spricht man von einer niedern und breiten Kirche (too oMiroli und broacl c-liru'vir), von
denen die erste im Gegensatz zur Hochkirche einfache Formen bevorzugt, während die andre eine
vermittelnde Stellung einnimmt. (Schluß folgt)
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/458>, abgerufen am 21.06.2024.