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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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ketzerisch nicht anerkennen, die Presbytenauer verwarfen das Priestertum als
solches, und den Puritanern war der Zeremonienprunk ebenso widerwärtig wie
der staatliche Gewissenszwang, Trotzdem sollten auch diese in den Rahmen
der Stnatskirche gezwängt werden nach dein Satze: <üuM8 rsAio, "zjus rvligio,
der damals überall herrschte. Aber die Uniformitätakte verfehlte ihren Zweck,
und mit der Schärfe der staatlichen Maßnahmen wuchs der Widerstand der
Betroffnen wie auch die Abneigung der Staatskirche, irgendwelche Bewilligungen
zu machen. Zugeständnisse an die päpstlichen Katholiken, die hinfort schlecht¬
weg als Katholiken bezeichnet werden mögen, waren sowieso nach der Hin¬
richtung der Maria Stuart und dem Nrmndakampfe unmöglich, und ein Ent¬
gegenkommen gegen die vorgeschrittueu Protestanten hätte nach den Verfolgungen,
denen sich nur eine kleine Schar durch Auswandrung nach Holland und von
da nach Amerika entziehn konnte, nur dann Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn
die ganze anglikanische Kirche presbhteriauisch geworden wäre. So blieb der
anglikanischen Kirche nichts übrig, als auf dem einmal eingenvmmnen Stand¬
punkte zwischen Katholiken und Protestanten zu verharren, auch auf die Ge¬
fahr hin, in ihrer Zwitterstellung zu verknöchern.

Vereinzelt, wie sie war, mußte sie einen schweren Stand habe". Von den
protestantischen Kirchen hatte sie nichts zu fürchten, wohl aber alles von der
wieder erstarkenden Macht des Katholizismus. Mit richtiger politischer Ein-
sicht suchte darum Elisabeth vou vornherein eine Stütze bei den protestantischen
Staaten des Festlands. Die Protestanten als solche waren ihr gleichgiltig;
aber als Bundesgenossen, die im ersten Treffen gegen den gemeinsamen Feind
fochten und ihn verhinderten, seine ganze Stärke zu einem Schlage gegen
England zu verewigen, waren sie ihr willkommen. Dieselbe Politik der An¬
lehnung an die protestantischen Staaten ist auch später eingeschlagen worden,
wenn England Gefahr von katholischer Seite nahte. Als der siebenjährige
Krieg England mit einem Angriffe des katholischen Frankreichs und einer
Wiederherstellung der Stuarts bedrohte, fand es schnell eine Brücke zu dein
Preußenkönig, aber es ließ ihn im Stich, sobald die eigne Gefahr geschwunden
und die Kriegsbeute gesichert war. Nicht innere Neigung, die Politik allein
hat England in das protestantische Lager geführt.

Wenn man sich vergegenwärtigt, daß Elisabeths Reformation eine Ver¬
mittlung zwischen Katholiken und Protestanten sein sollte, so kann man leicht
verstehn, daß unter der Einheit der Form doch weitgehende Unterschiede des
Wesens vorhanden sein mußten, weit größere als innerhalb der lutherischen
oder kalviuischeu oder heute in der evangelischen Kirche. In der evangelischen
Kirche giebt es anch verschiedne Richtungen; aber ihre Unterschiede liegen in
engen Grenzen, während sich in der anglikanischen Kirche die Meinungsver¬
schiedenheiten über das ganze weite Gebiet vom Protestantismus bis zu den
Pforten des Katholizismus erstrecken.

Wie es heute ist, so war es zu allen Zeiten der anglikanischen Kirche.
Rechts ein Hinneigen zu Rom, links ein Drang nach größerer Freiheit. Auf


ketzerisch nicht anerkennen, die Presbytenauer verwarfen das Priestertum als
solches, und den Puritanern war der Zeremonienprunk ebenso widerwärtig wie
der staatliche Gewissenszwang, Trotzdem sollten auch diese in den Rahmen
der Stnatskirche gezwängt werden nach dein Satze: <üuM8 rsAio, «zjus rvligio,
der damals überall herrschte. Aber die Uniformitätakte verfehlte ihren Zweck,
und mit der Schärfe der staatlichen Maßnahmen wuchs der Widerstand der
Betroffnen wie auch die Abneigung der Staatskirche, irgendwelche Bewilligungen
zu machen. Zugeständnisse an die päpstlichen Katholiken, die hinfort schlecht¬
weg als Katholiken bezeichnet werden mögen, waren sowieso nach der Hin¬
richtung der Maria Stuart und dem Nrmndakampfe unmöglich, und ein Ent¬
gegenkommen gegen die vorgeschrittueu Protestanten hätte nach den Verfolgungen,
denen sich nur eine kleine Schar durch Auswandrung nach Holland und von
da nach Amerika entziehn konnte, nur dann Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn
die ganze anglikanische Kirche presbhteriauisch geworden wäre. So blieb der
anglikanischen Kirche nichts übrig, als auf dem einmal eingenvmmnen Stand¬
punkte zwischen Katholiken und Protestanten zu verharren, auch auf die Ge¬
fahr hin, in ihrer Zwitterstellung zu verknöchern.

Vereinzelt, wie sie war, mußte sie einen schweren Stand habe». Von den
protestantischen Kirchen hatte sie nichts zu fürchten, wohl aber alles von der
wieder erstarkenden Macht des Katholizismus. Mit richtiger politischer Ein-
sicht suchte darum Elisabeth vou vornherein eine Stütze bei den protestantischen
Staaten des Festlands. Die Protestanten als solche waren ihr gleichgiltig;
aber als Bundesgenossen, die im ersten Treffen gegen den gemeinsamen Feind
fochten und ihn verhinderten, seine ganze Stärke zu einem Schlage gegen
England zu verewigen, waren sie ihr willkommen. Dieselbe Politik der An¬
lehnung an die protestantischen Staaten ist auch später eingeschlagen worden,
wenn England Gefahr von katholischer Seite nahte. Als der siebenjährige
Krieg England mit einem Angriffe des katholischen Frankreichs und einer
Wiederherstellung der Stuarts bedrohte, fand es schnell eine Brücke zu dein
Preußenkönig, aber es ließ ihn im Stich, sobald die eigne Gefahr geschwunden
und die Kriegsbeute gesichert war. Nicht innere Neigung, die Politik allein
hat England in das protestantische Lager geführt.

Wenn man sich vergegenwärtigt, daß Elisabeths Reformation eine Ver¬
mittlung zwischen Katholiken und Protestanten sein sollte, so kann man leicht
verstehn, daß unter der Einheit der Form doch weitgehende Unterschiede des
Wesens vorhanden sein mußten, weit größere als innerhalb der lutherischen
oder kalviuischeu oder heute in der evangelischen Kirche. In der evangelischen
Kirche giebt es anch verschiedne Richtungen; aber ihre Unterschiede liegen in
engen Grenzen, während sich in der anglikanischen Kirche die Meinungsver¬
schiedenheiten über das ganze weite Gebiet vom Protestantismus bis zu den
Pforten des Katholizismus erstrecken.

Wie es heute ist, so war es zu allen Zeiten der anglikanischen Kirche.
Rechts ein Hinneigen zu Rom, links ein Drang nach größerer Freiheit. Auf


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[0454] ketzerisch nicht anerkennen, die Presbytenauer verwarfen das Priestertum als solches, und den Puritanern war der Zeremonienprunk ebenso widerwärtig wie der staatliche Gewissenszwang, Trotzdem sollten auch diese in den Rahmen der Stnatskirche gezwängt werden nach dein Satze: <üuM8 rsAio, «zjus rvligio, der damals überall herrschte. Aber die Uniformitätakte verfehlte ihren Zweck, und mit der Schärfe der staatlichen Maßnahmen wuchs der Widerstand der Betroffnen wie auch die Abneigung der Staatskirche, irgendwelche Bewilligungen zu machen. Zugeständnisse an die päpstlichen Katholiken, die hinfort schlecht¬ weg als Katholiken bezeichnet werden mögen, waren sowieso nach der Hin¬ richtung der Maria Stuart und dem Nrmndakampfe unmöglich, und ein Ent¬ gegenkommen gegen die vorgeschrittueu Protestanten hätte nach den Verfolgungen, denen sich nur eine kleine Schar durch Auswandrung nach Holland und von da nach Amerika entziehn konnte, nur dann Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn die ganze anglikanische Kirche presbhteriauisch geworden wäre. So blieb der anglikanischen Kirche nichts übrig, als auf dem einmal eingenvmmnen Stand¬ punkte zwischen Katholiken und Protestanten zu verharren, auch auf die Ge¬ fahr hin, in ihrer Zwitterstellung zu verknöchern. Vereinzelt, wie sie war, mußte sie einen schweren Stand habe». Von den protestantischen Kirchen hatte sie nichts zu fürchten, wohl aber alles von der wieder erstarkenden Macht des Katholizismus. Mit richtiger politischer Ein- sicht suchte darum Elisabeth vou vornherein eine Stütze bei den protestantischen Staaten des Festlands. Die Protestanten als solche waren ihr gleichgiltig; aber als Bundesgenossen, die im ersten Treffen gegen den gemeinsamen Feind fochten und ihn verhinderten, seine ganze Stärke zu einem Schlage gegen England zu verewigen, waren sie ihr willkommen. Dieselbe Politik der An¬ lehnung an die protestantischen Staaten ist auch später eingeschlagen worden, wenn England Gefahr von katholischer Seite nahte. Als der siebenjährige Krieg England mit einem Angriffe des katholischen Frankreichs und einer Wiederherstellung der Stuarts bedrohte, fand es schnell eine Brücke zu dein Preußenkönig, aber es ließ ihn im Stich, sobald die eigne Gefahr geschwunden und die Kriegsbeute gesichert war. Nicht innere Neigung, die Politik allein hat England in das protestantische Lager geführt. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß Elisabeths Reformation eine Ver¬ mittlung zwischen Katholiken und Protestanten sein sollte, so kann man leicht verstehn, daß unter der Einheit der Form doch weitgehende Unterschiede des Wesens vorhanden sein mußten, weit größere als innerhalb der lutherischen oder kalviuischeu oder heute in der evangelischen Kirche. In der evangelischen Kirche giebt es anch verschiedne Richtungen; aber ihre Unterschiede liegen in engen Grenzen, während sich in der anglikanischen Kirche die Meinungsver¬ schiedenheiten über das ganze weite Gebiet vom Protestantismus bis zu den Pforten des Katholizismus erstrecken. Wie es heute ist, so war es zu allen Zeiten der anglikanischen Kirche. Rechts ein Hinneigen zu Rom, links ein Drang nach größerer Freiheit. Auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/454>, abgerufen am 21.06.2024.