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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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der Polen sind, und was nicht über tels Maß staatlicher Pflichten hinaus¬
geht, die wir ihnen gegenüber haben.

Der Staat hat die oberste Leitung des Schulwesens, er hat die Pflicht,
allen Angehörigen die Schule zugänglich zu machen. Als nationaler Staat
hat er die Pflicht, diese Schule in nationalem Geiste zu leiten, vor allein in
deutscher Sprache, Nun, im Posenschen hat der Staat diese Pflicht reichlich
erfüllt, es fehlt nirgends an Schulen, besonders an Mittelschulen, und zwar
deutschen. Man sucht nun in diese Schulen die Polen hineinzuzwingen. Die
bisherige Erfahrung hat gelehrt, daß man damit zwar keine Deutschen heran¬
bilde, wohl aber erbitterte Polen, die mit der Waffe guter deutscher Bildung
durch den Staat ausgerüstet sichs angelegen sein lassen, diese Waffe gegen
den Staat, wenigstens gegen dessen Bestrebungen zu Gunsten der Stärkung
des Deutschtums zu wenden. Nur Thoren können sich darüber wundern oder
den Polen deswegen zürnen. Was erbittert, was den nationalen Wider¬
spruch reizt, was das polnische Kind in deutscher Schule zum polnischen
Eiferer erzieht, ist nicht das Deutsche oder der Deutsche in der Schule,
sondern -- neben der klerikalen und nntionnlpolnischen Hetzerei -- der äußere
Zwang zum Deutschtum, Der äußere Zwang ist überall das Feuer, das in
Preußen wie anderwärts den nationalen Kessel heizt; ohne ihn mäßigt sich
überall der auf bloß sozialem und wirtschaftlichem Boden geführte Kampf
der Nationalitäten, Mit der Errichtung ausreichender deutscher Schulen auf
polnischem Boden hat der deutsche Staat seine Pflicht auch gegenüber den
Polen erfüllt: wollen die Polen die deutscheu Schulen benutzen, gut, so mögen
sie es thun; wollen sie es nicht, so mögen sie sehen, wie sie anders mit ihren
Kindern fertig werden, so mögen sie auf ihre Kosten, wenn auch unter staat¬
licher Aufsicht, polnische Schulen gründen und erhalten. Mögen sie die Kon¬
kurrenz aufnehmen, mögen sie in polnischen Schulen nationale Hetzerei treiben --
sie werden die Gegensätze nicht schärfer zuspitzen können, als es in der deutschen
Schule geschieht, und sie werden bald finden, daß das praktische Leben von
ihren Kindern nicht bloß Erlernung der deutscheu Sprache, sondern Erlangung
deutscher Bildung fordert, die sie allein in den Stand setzen kann, auf deutschem
Boden vorwärts zu kommen. Welcher Pole wüßte denn nicht, daß er als
Arzt, als Beamter, als Jurist, ja als Industrieller und Kaufmann nicht über
den Bezirk von Jnvwrazlaw oder Posen hinaus käme, wenn er nicht in der
Schule deutsche Bildung aufgenommen hätte? Wer in der Schule bloß mit
Polnisch erzogen wäre, müßte auswandern, um eine freie Bahn des bürger¬
lichen Fortkommens zu finden, nach Galizien oder Kronpvlen etwa, und wir
würden ihm ja keine Hindernisse dabei in den Weg legen. Wird der Pole
Soldat, ohne Deutsch zu versteh", so behalte man ihn länger im Dienst (was
gesetzlich zu regeln wäre), bis er sich das Nötige um Sprachkenntnis er¬
worben hat.

Leider ist die Schule allmählich immer vollständiger zur Staatsanstalt
geworden. Die Kindererziehung gehört eigentlich der Familie, nicht dem Staat.


Die poleukmnpfc

der Polen sind, und was nicht über tels Maß staatlicher Pflichten hinaus¬
geht, die wir ihnen gegenüber haben.

Der Staat hat die oberste Leitung des Schulwesens, er hat die Pflicht,
allen Angehörigen die Schule zugänglich zu machen. Als nationaler Staat
hat er die Pflicht, diese Schule in nationalem Geiste zu leiten, vor allein in
deutscher Sprache, Nun, im Posenschen hat der Staat diese Pflicht reichlich
erfüllt, es fehlt nirgends an Schulen, besonders an Mittelschulen, und zwar
deutschen. Man sucht nun in diese Schulen die Polen hineinzuzwingen. Die
bisherige Erfahrung hat gelehrt, daß man damit zwar keine Deutschen heran¬
bilde, wohl aber erbitterte Polen, die mit der Waffe guter deutscher Bildung
durch den Staat ausgerüstet sichs angelegen sein lassen, diese Waffe gegen
den Staat, wenigstens gegen dessen Bestrebungen zu Gunsten der Stärkung
des Deutschtums zu wenden. Nur Thoren können sich darüber wundern oder
den Polen deswegen zürnen. Was erbittert, was den nationalen Wider¬
spruch reizt, was das polnische Kind in deutscher Schule zum polnischen
Eiferer erzieht, ist nicht das Deutsche oder der Deutsche in der Schule,
sondern — neben der klerikalen und nntionnlpolnischen Hetzerei — der äußere
Zwang zum Deutschtum, Der äußere Zwang ist überall das Feuer, das in
Preußen wie anderwärts den nationalen Kessel heizt; ohne ihn mäßigt sich
überall der auf bloß sozialem und wirtschaftlichem Boden geführte Kampf
der Nationalitäten, Mit der Errichtung ausreichender deutscher Schulen auf
polnischem Boden hat der deutsche Staat seine Pflicht auch gegenüber den
Polen erfüllt: wollen die Polen die deutscheu Schulen benutzen, gut, so mögen
sie es thun; wollen sie es nicht, so mögen sie sehen, wie sie anders mit ihren
Kindern fertig werden, so mögen sie auf ihre Kosten, wenn auch unter staat¬
licher Aufsicht, polnische Schulen gründen und erhalten. Mögen sie die Kon¬
kurrenz aufnehmen, mögen sie in polnischen Schulen nationale Hetzerei treiben —
sie werden die Gegensätze nicht schärfer zuspitzen können, als es in der deutschen
Schule geschieht, und sie werden bald finden, daß das praktische Leben von
ihren Kindern nicht bloß Erlernung der deutscheu Sprache, sondern Erlangung
deutscher Bildung fordert, die sie allein in den Stand setzen kann, auf deutschem
Boden vorwärts zu kommen. Welcher Pole wüßte denn nicht, daß er als
Arzt, als Beamter, als Jurist, ja als Industrieller und Kaufmann nicht über
den Bezirk von Jnvwrazlaw oder Posen hinaus käme, wenn er nicht in der
Schule deutsche Bildung aufgenommen hätte? Wer in der Schule bloß mit
Polnisch erzogen wäre, müßte auswandern, um eine freie Bahn des bürger¬
lichen Fortkommens zu finden, nach Galizien oder Kronpvlen etwa, und wir
würden ihm ja keine Hindernisse dabei in den Weg legen. Wird der Pole
Soldat, ohne Deutsch zu versteh», so behalte man ihn länger im Dienst (was
gesetzlich zu regeln wäre), bis er sich das Nötige um Sprachkenntnis er¬
worben hat.

Leider ist die Schule allmählich immer vollständiger zur Staatsanstalt
geworden. Die Kindererziehung gehört eigentlich der Familie, nicht dem Staat.


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[0356] Die poleukmnpfc der Polen sind, und was nicht über tels Maß staatlicher Pflichten hinaus¬ geht, die wir ihnen gegenüber haben. Der Staat hat die oberste Leitung des Schulwesens, er hat die Pflicht, allen Angehörigen die Schule zugänglich zu machen. Als nationaler Staat hat er die Pflicht, diese Schule in nationalem Geiste zu leiten, vor allein in deutscher Sprache, Nun, im Posenschen hat der Staat diese Pflicht reichlich erfüllt, es fehlt nirgends an Schulen, besonders an Mittelschulen, und zwar deutschen. Man sucht nun in diese Schulen die Polen hineinzuzwingen. Die bisherige Erfahrung hat gelehrt, daß man damit zwar keine Deutschen heran¬ bilde, wohl aber erbitterte Polen, die mit der Waffe guter deutscher Bildung durch den Staat ausgerüstet sichs angelegen sein lassen, diese Waffe gegen den Staat, wenigstens gegen dessen Bestrebungen zu Gunsten der Stärkung des Deutschtums zu wenden. Nur Thoren können sich darüber wundern oder den Polen deswegen zürnen. Was erbittert, was den nationalen Wider¬ spruch reizt, was das polnische Kind in deutscher Schule zum polnischen Eiferer erzieht, ist nicht das Deutsche oder der Deutsche in der Schule, sondern — neben der klerikalen und nntionnlpolnischen Hetzerei — der äußere Zwang zum Deutschtum, Der äußere Zwang ist überall das Feuer, das in Preußen wie anderwärts den nationalen Kessel heizt; ohne ihn mäßigt sich überall der auf bloß sozialem und wirtschaftlichem Boden geführte Kampf der Nationalitäten, Mit der Errichtung ausreichender deutscher Schulen auf polnischem Boden hat der deutsche Staat seine Pflicht auch gegenüber den Polen erfüllt: wollen die Polen die deutscheu Schulen benutzen, gut, so mögen sie es thun; wollen sie es nicht, so mögen sie sehen, wie sie anders mit ihren Kindern fertig werden, so mögen sie auf ihre Kosten, wenn auch unter staat¬ licher Aufsicht, polnische Schulen gründen und erhalten. Mögen sie die Kon¬ kurrenz aufnehmen, mögen sie in polnischen Schulen nationale Hetzerei treiben — sie werden die Gegensätze nicht schärfer zuspitzen können, als es in der deutschen Schule geschieht, und sie werden bald finden, daß das praktische Leben von ihren Kindern nicht bloß Erlernung der deutscheu Sprache, sondern Erlangung deutscher Bildung fordert, die sie allein in den Stand setzen kann, auf deutschem Boden vorwärts zu kommen. Welcher Pole wüßte denn nicht, daß er als Arzt, als Beamter, als Jurist, ja als Industrieller und Kaufmann nicht über den Bezirk von Jnvwrazlaw oder Posen hinaus käme, wenn er nicht in der Schule deutsche Bildung aufgenommen hätte? Wer in der Schule bloß mit Polnisch erzogen wäre, müßte auswandern, um eine freie Bahn des bürger¬ lichen Fortkommens zu finden, nach Galizien oder Kronpvlen etwa, und wir würden ihm ja keine Hindernisse dabei in den Weg legen. Wird der Pole Soldat, ohne Deutsch zu versteh», so behalte man ihn länger im Dienst (was gesetzlich zu regeln wäre), bis er sich das Nötige um Sprachkenntnis er¬ worben hat. Leider ist die Schule allmählich immer vollständiger zur Staatsanstalt geworden. Die Kindererziehung gehört eigentlich der Familie, nicht dem Staat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/356>, abgerufen am 01.07.2024.