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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Aus der Zeit des werdenden Bismarcks

Aus den "Gedanken und Erinnerungen" wissen wir, daß Bismarck lange
Zeit den Pantheisten, vielleicht den Atheisten nahe gestanden hat. Er selbst
setzt den Anfang seiner Bekehrung um das Jahr 1842 und führt sie auf den
erneuten Verkehr mit seinem alten Schulfreund Moritz von Blanckenburg zurück.
Die Stelle, wo diese Wandlung erzählt wird, ist der die Sammlung eröffnende,
aus dem Dezember 184") stammende Brief, worin er bei Herrn von Puttkamer
auf Neinfeld von einem Stettiner Hotel ans um die Hand der Tochter an
hält. Es ist ein sonderbarer Werbebrief. Die Hergange, wie er von Gott
und dem Gebet abkam und endlich wieder dazu, beschäftigen den Schreiber so
sehr, daß er sich über seine Gefühle und Vorsätze in Bezug auf die Erwählte
ganz kurz faßt: Der Schritt, deu ich thue - sagt er --, spricht darüber lauter
und beredter, als Worte vermögen. "Auch mit Versprechungen für die Zukunft
kann Ihnen nicht gedient sein, da Sie die Unzuverlässigkeit des menschlichen
Herzens besser kennen als ich, und meine einzige Bürgschaft für das Wohl
Ihrer Frünlein Tochter liegt nur in meinem Gebet und dem Segen des
Herrn."

Daß aber an der Vollendung dieser Bekehrung Bismarcks Braut und
Frau einen großen Anteil gehabt hat, ist längst bekannt und wird durch die
neuen Briefe vou frischem und stärker bestätigt. Kein Geburtstag der Gattin,
kein wichtiger Vorfall in seinein Leben, soweit es von deu Briefen berührt
wird, worin er nicht immer wieder schaudernd seiner heidnischen Zeit gedächte.
Von allem Glück, das die Ehe gebracht hat, ist ihm das höchste, daß er durch
die Frau wieder zu Gott gelangte. Wenn unter den Koseformeln, in deren
Erfindung er unerschöpflich scheint, die Anrede "mein Engel," inen iMZglk
und detwr kalt ol' inyseU' oder d. it. "1 ours verhältnismäßig oft wieder¬
kehrt, so scheint uus das mehr als ein Scherz. Der Einfluß der Frau ging
aber selbstverständlich weiter. Es galt um Bismarck zu erziehen. Das vul¬
kanische Temperament, das ein Teil seiner Stärke war, hat ihm und seiner
nähern Umgebung auch viel das Lebe" erschwert. Er geriet sogar gegen
Freunde wie Gerlach in Wut und Zorn und war sich dieser Schwäche wohl
bewußt. Besonders offen und reuig spricht er in einem Geburtstagsbrief an
die Schwiegermutter (15. Oktober 1850) von seinem trotzigen Herzen, von den
Ecken, die abzuschleifen find, freut sich, daß er im Lnnse der Zeit der Mutter
mit immer weniger Krieg und immer mehr Frieden so nahe gerückt ist wie
außer Johanna niemand, und bittet Gott, den jähen Zorn und die Unfreund¬
lichkeit, die zufälliger Verdruß leicht in seinem außer" Wesen zu Tage treten
läßt, bemeistern zu helfen und sein erlöstes Teil an ihm so zu kräftigen, daß
es des Teufels Anteil totschlägt. "Gott wird ja beistehn, daß er Herr im
Hause bleibt, und der andre sich höchstens auf dem Hausflur zeigen darf, wenn
er da auch mitunter thut, als ob er der Wirt wäre."

Nun gehört zum Erziehen Klugheit. Die hatte die Fürstin, das sieht
man hinreichend aus ihren Bildern. Das andre mußte die Liebe geben und
die Gottesfurcht. Denn die Naturen der beiden Gatten ergänzten sich nicht.


Aus der Zeit des werdenden Bismarcks

Aus den „Gedanken und Erinnerungen" wissen wir, daß Bismarck lange
Zeit den Pantheisten, vielleicht den Atheisten nahe gestanden hat. Er selbst
setzt den Anfang seiner Bekehrung um das Jahr 1842 und führt sie auf den
erneuten Verkehr mit seinem alten Schulfreund Moritz von Blanckenburg zurück.
Die Stelle, wo diese Wandlung erzählt wird, ist der die Sammlung eröffnende,
aus dem Dezember 184«) stammende Brief, worin er bei Herrn von Puttkamer
auf Neinfeld von einem Stettiner Hotel ans um die Hand der Tochter an
hält. Es ist ein sonderbarer Werbebrief. Die Hergange, wie er von Gott
und dem Gebet abkam und endlich wieder dazu, beschäftigen den Schreiber so
sehr, daß er sich über seine Gefühle und Vorsätze in Bezug auf die Erwählte
ganz kurz faßt: Der Schritt, deu ich thue - sagt er —, spricht darüber lauter
und beredter, als Worte vermögen. „Auch mit Versprechungen für die Zukunft
kann Ihnen nicht gedient sein, da Sie die Unzuverlässigkeit des menschlichen
Herzens besser kennen als ich, und meine einzige Bürgschaft für das Wohl
Ihrer Frünlein Tochter liegt nur in meinem Gebet und dem Segen des
Herrn."

Daß aber an der Vollendung dieser Bekehrung Bismarcks Braut und
Frau einen großen Anteil gehabt hat, ist längst bekannt und wird durch die
neuen Briefe vou frischem und stärker bestätigt. Kein Geburtstag der Gattin,
kein wichtiger Vorfall in seinein Leben, soweit es von deu Briefen berührt
wird, worin er nicht immer wieder schaudernd seiner heidnischen Zeit gedächte.
Von allem Glück, das die Ehe gebracht hat, ist ihm das höchste, daß er durch
die Frau wieder zu Gott gelangte. Wenn unter den Koseformeln, in deren
Erfindung er unerschöpflich scheint, die Anrede „mein Engel," inen iMZglk
und detwr kalt ol' inyseU' oder d. it. »1 ours verhältnismäßig oft wieder¬
kehrt, so scheint uus das mehr als ein Scherz. Der Einfluß der Frau ging
aber selbstverständlich weiter. Es galt um Bismarck zu erziehen. Das vul¬
kanische Temperament, das ein Teil seiner Stärke war, hat ihm und seiner
nähern Umgebung auch viel das Lebe» erschwert. Er geriet sogar gegen
Freunde wie Gerlach in Wut und Zorn und war sich dieser Schwäche wohl
bewußt. Besonders offen und reuig spricht er in einem Geburtstagsbrief an
die Schwiegermutter (15. Oktober 1850) von seinem trotzigen Herzen, von den
Ecken, die abzuschleifen find, freut sich, daß er im Lnnse der Zeit der Mutter
mit immer weniger Krieg und immer mehr Frieden so nahe gerückt ist wie
außer Johanna niemand, und bittet Gott, den jähen Zorn und die Unfreund¬
lichkeit, die zufälliger Verdruß leicht in seinem außer» Wesen zu Tage treten
läßt, bemeistern zu helfen und sein erlöstes Teil an ihm so zu kräftigen, daß
es des Teufels Anteil totschlägt. „Gott wird ja beistehn, daß er Herr im
Hause bleibt, und der andre sich höchstens auf dem Hausflur zeigen darf, wenn
er da auch mitunter thut, als ob er der Wirt wäre."

Nun gehört zum Erziehen Klugheit. Die hatte die Fürstin, das sieht
man hinreichend aus ihren Bildern. Das andre mußte die Liebe geben und
die Gottesfurcht. Denn die Naturen der beiden Gatten ergänzten sich nicht.


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[0318] Aus der Zeit des werdenden Bismarcks Aus den „Gedanken und Erinnerungen" wissen wir, daß Bismarck lange Zeit den Pantheisten, vielleicht den Atheisten nahe gestanden hat. Er selbst setzt den Anfang seiner Bekehrung um das Jahr 1842 und führt sie auf den erneuten Verkehr mit seinem alten Schulfreund Moritz von Blanckenburg zurück. Die Stelle, wo diese Wandlung erzählt wird, ist der die Sammlung eröffnende, aus dem Dezember 184«) stammende Brief, worin er bei Herrn von Puttkamer auf Neinfeld von einem Stettiner Hotel ans um die Hand der Tochter an hält. Es ist ein sonderbarer Werbebrief. Die Hergange, wie er von Gott und dem Gebet abkam und endlich wieder dazu, beschäftigen den Schreiber so sehr, daß er sich über seine Gefühle und Vorsätze in Bezug auf die Erwählte ganz kurz faßt: Der Schritt, deu ich thue - sagt er —, spricht darüber lauter und beredter, als Worte vermögen. „Auch mit Versprechungen für die Zukunft kann Ihnen nicht gedient sein, da Sie die Unzuverlässigkeit des menschlichen Herzens besser kennen als ich, und meine einzige Bürgschaft für das Wohl Ihrer Frünlein Tochter liegt nur in meinem Gebet und dem Segen des Herrn." Daß aber an der Vollendung dieser Bekehrung Bismarcks Braut und Frau einen großen Anteil gehabt hat, ist längst bekannt und wird durch die neuen Briefe vou frischem und stärker bestätigt. Kein Geburtstag der Gattin, kein wichtiger Vorfall in seinein Leben, soweit es von deu Briefen berührt wird, worin er nicht immer wieder schaudernd seiner heidnischen Zeit gedächte. Von allem Glück, das die Ehe gebracht hat, ist ihm das höchste, daß er durch die Frau wieder zu Gott gelangte. Wenn unter den Koseformeln, in deren Erfindung er unerschöpflich scheint, die Anrede „mein Engel," inen iMZglk und detwr kalt ol' inyseU' oder d. it. »1 ours verhältnismäßig oft wieder¬ kehrt, so scheint uus das mehr als ein Scherz. Der Einfluß der Frau ging aber selbstverständlich weiter. Es galt um Bismarck zu erziehen. Das vul¬ kanische Temperament, das ein Teil seiner Stärke war, hat ihm und seiner nähern Umgebung auch viel das Lebe» erschwert. Er geriet sogar gegen Freunde wie Gerlach in Wut und Zorn und war sich dieser Schwäche wohl bewußt. Besonders offen und reuig spricht er in einem Geburtstagsbrief an die Schwiegermutter (15. Oktober 1850) von seinem trotzigen Herzen, von den Ecken, die abzuschleifen find, freut sich, daß er im Lnnse der Zeit der Mutter mit immer weniger Krieg und immer mehr Frieden so nahe gerückt ist wie außer Johanna niemand, und bittet Gott, den jähen Zorn und die Unfreund¬ lichkeit, die zufälliger Verdruß leicht in seinem außer» Wesen zu Tage treten läßt, bemeistern zu helfen und sein erlöstes Teil an ihm so zu kräftigen, daß es des Teufels Anteil totschlägt. „Gott wird ja beistehn, daß er Herr im Hause bleibt, und der andre sich höchstens auf dem Hausflur zeigen darf, wenn er da auch mitunter thut, als ob er der Wirt wäre." Nun gehört zum Erziehen Klugheit. Die hatte die Fürstin, das sieht man hinreichend aus ihren Bildern. Das andre mußte die Liebe geben und die Gottesfurcht. Denn die Naturen der beiden Gatten ergänzten sich nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/318>, abgerufen am 01.07.2024.