Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Bismarck war stark cholerisch, die Braut war zum mindesten nicht von der So wurde denn durch das Verdienst beider Teile diese Ehe ein idealer Bismarck war stark cholerisch, die Braut war zum mindesten nicht von der So wurde denn durch das Verdienst beider Teile diese Ehe ein idealer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234199"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1052" prev="#ID_1051"> Bismarck war stark cholerisch, die Braut war zum mindesten nicht von der<lb/> blonden Frauenart, Aus dein reichlichen Material zur Charakteristik der<lb/> Fürstin, das in diesen Briefen vorliegt, hebt sich, vielleicht eine Folge der<lb/> polnischen Abstammung der Pnttkamers, als Hauptzug leichte Erregbarkeit<lb/> heraus, Schon daraus, daß Bismnrck seiue Braut sehr gern neckt, sieht<lb/> man, daß sie zur Schelmerei neigte. Aber bedeutend starker muß ein Hang<lb/> zur Melancholie gewesen sein, Bismarck kämpft oft in Scherz und Ernst<lb/> gegell ihren Mangel an Selbstvertrauen, Es überfallen sie allem Anscheine<lb/> nach Zweifel, ob sie für diesen Mann gescheit geung sei, ob er nicht in<lb/> jeder Beziehung eine bessere Wahl hätte thun können. Da sagt er einmal<lb/> (7. März 1847), es sei beleidigend zu glauben, daß er, der zehn Jahre<lb/> unter den Rosengärten des nördliche» Deutschlands umhergewandelt, zuletzt<lb/> mit beiden Händen nach einer „Butterblume" gegriffen habe, und schließt,<lb/> wäre er jetzt bei ihr, würde er ihr zu Füßen fallen und ausrufen: Jeannetke,<lb/> ich liebe Dir! Jo ti voMo den a88in, I loof ^on, js t'aäorv, noir log'ö!<lb/> So hat auch Bismarck seine Braut und Frau erzogen. Man muß es aber<lb/> in den Briefen selbst nachlesen, mit welcher Zartheit der eiserne Mann seine<lb/> Wünsche und Forderungen zum Ausdruck bringt. Auch wo er, wie in Krank¬<lb/> heitsfällen, bei der Kinderbehaudluug ganz andre Ansichten hat und sich ärgert,<lb/> daß uicht danach gehandelt wird, nirgends die Spur eines unfreundlichen<lb/> Worts, Nur in einem Fall wird er oft ungeduldig, wenn er lange auf<lb/> Briefe warten muß; er verzehrt sich da vor Unruhe - aber Borwürfe auch<lb/> hier uicht!</p><lb/> <p xml:id="ID_1053" next="#ID_1054"> So wurde denn durch das Verdienst beider Teile diese Ehe ein idealer<lb/> Lebensbund, Die kleinsten Sorgen und Freuden des Paars stehn in diesen<lb/> Briefe» so gut mie die größten. Er klagt seiner Johanna, deren Namen er<lb/> in sieben Sprachen, oft gleich hintereinander zu münzen liebt, wenn ihm die<lb/> Haushälterin in Schönhausen die Wurstscheiben zu dünn schneidet, ihr schildert<lb/> er jede Blume, die ihn am Wege freut, mit demselben Eifer, mit dem er sie<lb/> über die Verwicklungen hoher und niedrer Politik aufklärt. Überall, vielleicht<lb/> mit Ausnahme von Bankgeschäften und Finanzverhnndlungen, folgt sie ihm<lb/> mit Verständnis, prüfend und wagend, oft in Frauenart Mnunerarbeit zur<lb/> Herzenssache machend. So ist sie bis ans Ende sein höchstes Glück gewesen,<lb/> Wie er ihr höchster Stolz, die Unbill, die seinen Lebensabend trübte, ihr tiefster<lb/> Schmerz und el» unsühnbares Leid war. So haben sie noch viele gesehen in Jena<lb/> an jenem Jnlisonntag, als der Gewaltige auf der Tribüne am Markt vor<lb/> "ner vieltausendköpfigen Corona von Studenten nud bemoosten Häuptern die<lb/> Quittung abgab für die „Uriasbriefe," Dicht hinter dem redenden Gatten<lb/> s"K sie, seine Hand mit der ihrigen öfters berührend, Taschentücher zum Ab¬<lb/> trocknen des Gesichts reichend, heiter lachend, als das Zitat aus „Götz" kam,<lb/> »der el» andrer Ausfall die Kommissarien und Zentrumsleute vernichtete, vor¬<lb/> wiegend aber besorgt »ut mit den Auge» zum Schlüsse mahnend, Und er,<lb/> der damals noch straff »ut blühend wie ein Gardehauptmann durch die Reihe»</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
Bismarck war stark cholerisch, die Braut war zum mindesten nicht von der
blonden Frauenart, Aus dein reichlichen Material zur Charakteristik der
Fürstin, das in diesen Briefen vorliegt, hebt sich, vielleicht eine Folge der
polnischen Abstammung der Pnttkamers, als Hauptzug leichte Erregbarkeit
heraus, Schon daraus, daß Bismnrck seiue Braut sehr gern neckt, sieht
man, daß sie zur Schelmerei neigte. Aber bedeutend starker muß ein Hang
zur Melancholie gewesen sein, Bismarck kämpft oft in Scherz und Ernst
gegell ihren Mangel an Selbstvertrauen, Es überfallen sie allem Anscheine
nach Zweifel, ob sie für diesen Mann gescheit geung sei, ob er nicht in
jeder Beziehung eine bessere Wahl hätte thun können. Da sagt er einmal
(7. März 1847), es sei beleidigend zu glauben, daß er, der zehn Jahre
unter den Rosengärten des nördliche» Deutschlands umhergewandelt, zuletzt
mit beiden Händen nach einer „Butterblume" gegriffen habe, und schließt,
wäre er jetzt bei ihr, würde er ihr zu Füßen fallen und ausrufen: Jeannetke,
ich liebe Dir! Jo ti voMo den a88in, I loof ^on, js t'aäorv, noir log'ö!
So hat auch Bismarck seine Braut und Frau erzogen. Man muß es aber
in den Briefen selbst nachlesen, mit welcher Zartheit der eiserne Mann seine
Wünsche und Forderungen zum Ausdruck bringt. Auch wo er, wie in Krank¬
heitsfällen, bei der Kinderbehaudluug ganz andre Ansichten hat und sich ärgert,
daß uicht danach gehandelt wird, nirgends die Spur eines unfreundlichen
Worts, Nur in einem Fall wird er oft ungeduldig, wenn er lange auf
Briefe warten muß; er verzehrt sich da vor Unruhe - aber Borwürfe auch
hier uicht!
So wurde denn durch das Verdienst beider Teile diese Ehe ein idealer
Lebensbund, Die kleinsten Sorgen und Freuden des Paars stehn in diesen
Briefe» so gut mie die größten. Er klagt seiner Johanna, deren Namen er
in sieben Sprachen, oft gleich hintereinander zu münzen liebt, wenn ihm die
Haushälterin in Schönhausen die Wurstscheiben zu dünn schneidet, ihr schildert
er jede Blume, die ihn am Wege freut, mit demselben Eifer, mit dem er sie
über die Verwicklungen hoher und niedrer Politik aufklärt. Überall, vielleicht
mit Ausnahme von Bankgeschäften und Finanzverhnndlungen, folgt sie ihm
mit Verständnis, prüfend und wagend, oft in Frauenart Mnunerarbeit zur
Herzenssache machend. So ist sie bis ans Ende sein höchstes Glück gewesen,
Wie er ihr höchster Stolz, die Unbill, die seinen Lebensabend trübte, ihr tiefster
Schmerz und el» unsühnbares Leid war. So haben sie noch viele gesehen in Jena
an jenem Jnlisonntag, als der Gewaltige auf der Tribüne am Markt vor
"ner vieltausendköpfigen Corona von Studenten nud bemoosten Häuptern die
Quittung abgab für die „Uriasbriefe," Dicht hinter dem redenden Gatten
s"K sie, seine Hand mit der ihrigen öfters berührend, Taschentücher zum Ab¬
trocknen des Gesichts reichend, heiter lachend, als das Zitat aus „Götz" kam,
»der el» andrer Ausfall die Kommissarien und Zentrumsleute vernichtete, vor¬
wiegend aber besorgt »ut mit den Auge» zum Schlüsse mahnend, Und er,
der damals noch straff »ut blühend wie ein Gardehauptmann durch die Reihe»
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