Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.A>>s der Zrit des werdrnden vismarcks Briefen an Roon "ut die nähern Freunde dae! rührende: "Wie Gott will," Auch in seiner Religiosität ist Bismarck originell, sie ist echt aber zugleich A>>s der Zrit des werdrnden vismarcks Briefen an Roon »ut die nähern Freunde dae! rührende: „Wie Gott will," Auch in seiner Religiosität ist Bismarck originell, sie ist echt aber zugleich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234197"/> <fw type="header" place="top"> A>>s der Zrit des werdrnden vismarcks</fw><lb/> <p xml:id="ID_1047" prev="#ID_1046"> Briefen an Roon »ut die nähern Freunde dae! rührende: „Wie Gott will,"<lb/> wenn er vor Niedergeschlagenheit über verhängnisvollen Unverstand zusammen<lb/> bricht, Aber wie stark der Glanbensgrnnd, auf dem Bisimirck stand, wirklich<lb/> war, und wie sehr er sein Schicksal und seine Bedeutung bestimmt hat, das<lb/> erfahren wir zum erstenmal aus diesen neuen Briefen an die Braut und<lb/> Gattin, Unbedenklich darf man darin den Hauptwerk, jedenfalls den biogra<lb/> Phischen, dieser Veröffentlichung sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1048"> Auch in seiner Religiosität ist Bismarck originell, sie ist echt aber zugleich<lb/> frei, El» eigentlicher Kirchenchrist war er nicht, und er wahrte sich jederzeit<lb/> und überall auf diesem Gebiete die eigne Meinung, Er kritisiert seine Leib-<lb/> Prediger: „Büchsel höre ich übrigens doch lieber wie Kraal — heißt es am<lb/> 29, März 1851 letzterer ist mir zu aufgeregt: wenn ich ihn gehört oder<lb/> gesprochen habe, so macht er mich so mutlos, das; mein ganzes Christentum<lb/> in Gefahr kommt zu wanken; ich kann ihn nicht vertragen, was ohne Zweifel<lb/> ein schlechtes Zeugnis für die Kraft meines Glaubens ist, und ich bitte Gott<lb/> um Kräftigung durch seinen Geist, denn ich bin wie eine lahme Ente am<lb/> Rande seiner Wasser," Ans Zureden der Arm, macht er immer wieder<lb/> Versuche, Aber, schreibt er, „er überspannt mir die Saiten," er liebt ihn per<lb/> sorties, wünscht, es gäbe mehr solche Zeloten, doch seine Anschauungen über<lb/> Weltlichkeit und Sünde kann er nicht teilen, Büchsel ist dabei ebenso weil<lb/> entfernt, ihn vollständig zu befriedigen, die mangelhafte Vorbereitung seiner<lb/> Kanzelreden stößt ihn ab. Die feinern konfessionellen Unterschiede lassen Bis¬<lb/> marck gleichgültig, er besucht unionistischen, lutherischen, kalvinistischen Gottes<lb/> dienst je nach Gelegenheit mit gleicher Andacht, Im Bekenntnis war Schleier¬<lb/> macher sein Ausgangspunkt; daß später Baur und die Tübinger Schule ans<lb/> ihn Eindruck gemacht haben, ergiebt der Brief vom 4, Mürz 1847 .....- der<lb/> längste der Sammlung, sieben Druckseitel?, Ju ihm erklärt er, daß er nicht<lb/> alles annehmen könne, was in der Bibel steht, und geht dann auf eine Kritik<lb/> der Apostel im allgemeine» und der Pauliuerbriefe im besondern ein. So<lb/> begegnet sich Bismarck in seiner Stellung zu Kirche und Christentum aus¬<lb/> nahmsweise in vielen Punkten mit den Liberalen, Aber er war keineswegs<lb/> ein Freigeist im Sinne Lessings »ut der Aufklärung, Ob er alle vor-<lb/> geschriebnen Wunder geglaubt hat oder nicht, ergiebt sich ja nicht ans den<lb/> Briefen; in der Hauptsache war er das Muster eines im Glauben wandelnden,<lb/> durch und durch religiösen, demütigen Menschen, der sämtliche Güter der Erde<lb/> nicht einen Dent höher schätzte, als sie wert sind, seine eignen Thaten und<lb/> Gaben mit seinen Mängeln und Fehlern abmaß, das eine als Geschenk des<lb/> Herrn, das andre als Buße und Prüfung hinnahm. Fest stand ihm Gottes<lb/> Regiment über die Welt und jeden einzelnen Bewohner, fest Erbsünde und<lb/> ewiges Leben, In der Bibel war er bewandert trotz einem Theologen, las<lb/> täglich in ihr, am fleißigsten die Psalmen, Und wenn einmal Gedanken frommer<lb/> Christen beim Genuß des heiligen Abendmahls gesammelt werden sollten, müßte<lb/> entschieden Bismarcks Beitrag ans dem Brief vom 25, Februar 1851 mit hinein,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0317]
A>>s der Zrit des werdrnden vismarcks
Briefen an Roon »ut die nähern Freunde dae! rührende: „Wie Gott will,"
wenn er vor Niedergeschlagenheit über verhängnisvollen Unverstand zusammen
bricht, Aber wie stark der Glanbensgrnnd, auf dem Bisimirck stand, wirklich
war, und wie sehr er sein Schicksal und seine Bedeutung bestimmt hat, das
erfahren wir zum erstenmal aus diesen neuen Briefen an die Braut und
Gattin, Unbedenklich darf man darin den Hauptwerk, jedenfalls den biogra
Phischen, dieser Veröffentlichung sehen.
Auch in seiner Religiosität ist Bismarck originell, sie ist echt aber zugleich
frei, El» eigentlicher Kirchenchrist war er nicht, und er wahrte sich jederzeit
und überall auf diesem Gebiete die eigne Meinung, Er kritisiert seine Leib-
Prediger: „Büchsel höre ich übrigens doch lieber wie Kraal — heißt es am
29, März 1851 letzterer ist mir zu aufgeregt: wenn ich ihn gehört oder
gesprochen habe, so macht er mich so mutlos, das; mein ganzes Christentum
in Gefahr kommt zu wanken; ich kann ihn nicht vertragen, was ohne Zweifel
ein schlechtes Zeugnis für die Kraft meines Glaubens ist, und ich bitte Gott
um Kräftigung durch seinen Geist, denn ich bin wie eine lahme Ente am
Rande seiner Wasser," Ans Zureden der Arm, macht er immer wieder
Versuche, Aber, schreibt er, „er überspannt mir die Saiten," er liebt ihn per
sorties, wünscht, es gäbe mehr solche Zeloten, doch seine Anschauungen über
Weltlichkeit und Sünde kann er nicht teilen, Büchsel ist dabei ebenso weil
entfernt, ihn vollständig zu befriedigen, die mangelhafte Vorbereitung seiner
Kanzelreden stößt ihn ab. Die feinern konfessionellen Unterschiede lassen Bis¬
marck gleichgültig, er besucht unionistischen, lutherischen, kalvinistischen Gottes
dienst je nach Gelegenheit mit gleicher Andacht, Im Bekenntnis war Schleier¬
macher sein Ausgangspunkt; daß später Baur und die Tübinger Schule ans
ihn Eindruck gemacht haben, ergiebt der Brief vom 4, Mürz 1847 .....- der
längste der Sammlung, sieben Druckseitel?, Ju ihm erklärt er, daß er nicht
alles annehmen könne, was in der Bibel steht, und geht dann auf eine Kritik
der Apostel im allgemeine» und der Pauliuerbriefe im besondern ein. So
begegnet sich Bismarck in seiner Stellung zu Kirche und Christentum aus¬
nahmsweise in vielen Punkten mit den Liberalen, Aber er war keineswegs
ein Freigeist im Sinne Lessings »ut der Aufklärung, Ob er alle vor-
geschriebnen Wunder geglaubt hat oder nicht, ergiebt sich ja nicht ans den
Briefen; in der Hauptsache war er das Muster eines im Glauben wandelnden,
durch und durch religiösen, demütigen Menschen, der sämtliche Güter der Erde
nicht einen Dent höher schätzte, als sie wert sind, seine eignen Thaten und
Gaben mit seinen Mängeln und Fehlern abmaß, das eine als Geschenk des
Herrn, das andre als Buße und Prüfung hinnahm. Fest stand ihm Gottes
Regiment über die Welt und jeden einzelnen Bewohner, fest Erbsünde und
ewiges Leben, In der Bibel war er bewandert trotz einem Theologen, las
täglich in ihr, am fleißigsten die Psalmen, Und wenn einmal Gedanken frommer
Christen beim Genuß des heiligen Abendmahls gesammelt werden sollten, müßte
entschieden Bismarcks Beitrag ans dem Brief vom 25, Februar 1851 mit hinein,
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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