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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Die Verwirrung im deutschen Rudcrkcnnmandc>

die gesamte Weltschiffahrt das alte unzulängliche und sinnwidrige Kommando
bei? Zweifellos aus dem Grunde, weil es noch so unendlich viel kleine Fahr¬
zeuge giebt, die nur mit der Pinne steuern. Man denke nur an die Unzahl
kleiner Fahrzeuge an deu Küsten und auf See; mau vergegenwärtige sich die
Tausende von Fischereifahrzeugen. Außerdem werden alle Schiffsboote, fast alle
Rennjachten und eine große Anzahl englischer Nadschleppdampfer mit der
Pinne gesteuert. Ja sogar manche größern Fährdampfer in England, die
einen Dnmpfstenerapparat haben, führen statt des Steuerrades eine Pinne.
Da bei der Pinne bei dem Kommando "Backbord" der Schiffskopf nach
Steuerbord ausweicht, so muß, wenn Übereinstimmung bleiben soll, dies auch
bei dem Steuerrade zutreffen, d. h. das alte sinnwidrige Kommando muß be¬
steh" bleiben. Um bei dem endlosen Hin- und Herfluten vom Handelsschiff
zum Kriegsschiff und umgekehrt in der englischen Seefahrt diese Überein¬
stimmung zu wahren, deswegen behält die britische Gesamtmarine das alte
Kommando bei trotz der Unzuträglichkeiten bei den radsteuernden Schiffen.

Sicherlich würde die deutsche Handelsmarine übrigens mit Freuden das
rationelle .Kommando unsrer Kriegsschiffe annehmen, wenn es gelänge, dieses
Kommando international einzuführen. Obwohl nun die weitaus größte Summe
des im Seeschiffahrtsbetriebe angelegten Kapitals auf radsteuernden Schiffen
schwimmt, und demnach vor allem die Sicherheit eben dieser Schiffe in Frage
kommt, die am besten durch unser Marinekvnnuando gewährleistet werden
dürfte, so wird es doch zweifellos noch auf lange hinaus ein frommer Wunsch
bleiben, bevor an ein solches internationales Ruderkommando ernsthaft zu
denken ist. Mag immerhin von unsrer Reichsregierung eine dahingehende An¬
regung gegeben werden, wir können nicht glauben, daß dadurch in absehbarer
Zeit eine Änderung bewirkt wird.

Es giebt keinen bessern Ausweg, als daß die Marine ihr rationelles,
sinngemäßes und an sich gutes Kommando wieder nufgiebt, daß sie zurückkehrt
zu einem .Kommando, wie es in der Weltschiffahrt in Gebrauch ist. Sollte
die Marine zum alten Kommando zurückkehren, so würden die ungewöhnlichen
.Kommandos "Links" und "Rechts" und "hart Links" und "hart Rechts" der
beiden mächtigsten deutschen Dmnpfergescllschaften von selbst wieder von der
Bildfläche verschwinden, und kein Mensch würde ihnen eine Thräne nach¬
weinen.

Sollten aber die Marinebehörden, die für die Wehrhaftigkeit unsers Vater¬
lands zur See die Verantwortung tragen, schließlich nach reiflicher Prüfung des
Gegenstands es als unausführbar ansehen, wiederum einen Wechsel im Nnder-
kvmmando vorzunehmen, dann muß sich die Gesetzgebung ins Mittel legen,
um Einheit zu schaffen, sofern der deutsche Schiffahrtsbetrieb aus eigner Ini¬
tiative keinen Ausweg aus der Konfusio" findet. Denn im zwanzigsten Jahr¬
hundert darf kein Zustand fortdauern, der je länger je mehr beängstigend wird.
Man mag sich kaum ausmalen, was werden soll, wenn eine unerwartete Mobil¬
machung der gesamten Wehrmacht zur See notwendig wird. In einem großen


Die Verwirrung im deutschen Rudcrkcnnmandc>

die gesamte Weltschiffahrt das alte unzulängliche und sinnwidrige Kommando
bei? Zweifellos aus dem Grunde, weil es noch so unendlich viel kleine Fahr¬
zeuge giebt, die nur mit der Pinne steuern. Man denke nur an die Unzahl
kleiner Fahrzeuge an deu Küsten und auf See; mau vergegenwärtige sich die
Tausende von Fischereifahrzeugen. Außerdem werden alle Schiffsboote, fast alle
Rennjachten und eine große Anzahl englischer Nadschleppdampfer mit der
Pinne gesteuert. Ja sogar manche größern Fährdampfer in England, die
einen Dnmpfstenerapparat haben, führen statt des Steuerrades eine Pinne.
Da bei der Pinne bei dem Kommando „Backbord" der Schiffskopf nach
Steuerbord ausweicht, so muß, wenn Übereinstimmung bleiben soll, dies auch
bei dem Steuerrade zutreffen, d. h. das alte sinnwidrige Kommando muß be¬
steh» bleiben. Um bei dem endlosen Hin- und Herfluten vom Handelsschiff
zum Kriegsschiff und umgekehrt in der englischen Seefahrt diese Überein¬
stimmung zu wahren, deswegen behält die britische Gesamtmarine das alte
Kommando bei trotz der Unzuträglichkeiten bei den radsteuernden Schiffen.

Sicherlich würde die deutsche Handelsmarine übrigens mit Freuden das
rationelle .Kommando unsrer Kriegsschiffe annehmen, wenn es gelänge, dieses
Kommando international einzuführen. Obwohl nun die weitaus größte Summe
des im Seeschiffahrtsbetriebe angelegten Kapitals auf radsteuernden Schiffen
schwimmt, und demnach vor allem die Sicherheit eben dieser Schiffe in Frage
kommt, die am besten durch unser Marinekvnnuando gewährleistet werden
dürfte, so wird es doch zweifellos noch auf lange hinaus ein frommer Wunsch
bleiben, bevor an ein solches internationales Ruderkommando ernsthaft zu
denken ist. Mag immerhin von unsrer Reichsregierung eine dahingehende An¬
regung gegeben werden, wir können nicht glauben, daß dadurch in absehbarer
Zeit eine Änderung bewirkt wird.

Es giebt keinen bessern Ausweg, als daß die Marine ihr rationelles,
sinngemäßes und an sich gutes Kommando wieder nufgiebt, daß sie zurückkehrt
zu einem .Kommando, wie es in der Weltschiffahrt in Gebrauch ist. Sollte
die Marine zum alten Kommando zurückkehren, so würden die ungewöhnlichen
.Kommandos „Links" und „Rechts" und „hart Links" und „hart Rechts" der
beiden mächtigsten deutschen Dmnpfergescllschaften von selbst wieder von der
Bildfläche verschwinden, und kein Mensch würde ihnen eine Thräne nach¬
weinen.

Sollten aber die Marinebehörden, die für die Wehrhaftigkeit unsers Vater¬
lands zur See die Verantwortung tragen, schließlich nach reiflicher Prüfung des
Gegenstands es als unausführbar ansehen, wiederum einen Wechsel im Nnder-
kvmmando vorzunehmen, dann muß sich die Gesetzgebung ins Mittel legen,
um Einheit zu schaffen, sofern der deutsche Schiffahrtsbetrieb aus eigner Ini¬
tiative keinen Ausweg aus der Konfusio« findet. Denn im zwanzigsten Jahr¬
hundert darf kein Zustand fortdauern, der je länger je mehr beängstigend wird.
Man mag sich kaum ausmalen, was werden soll, wenn eine unerwartete Mobil¬
machung der gesamten Wehrmacht zur See notwendig wird. In einem großen


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[0284] Die Verwirrung im deutschen Rudcrkcnnmandc> die gesamte Weltschiffahrt das alte unzulängliche und sinnwidrige Kommando bei? Zweifellos aus dem Grunde, weil es noch so unendlich viel kleine Fahr¬ zeuge giebt, die nur mit der Pinne steuern. Man denke nur an die Unzahl kleiner Fahrzeuge an deu Küsten und auf See; mau vergegenwärtige sich die Tausende von Fischereifahrzeugen. Außerdem werden alle Schiffsboote, fast alle Rennjachten und eine große Anzahl englischer Nadschleppdampfer mit der Pinne gesteuert. Ja sogar manche größern Fährdampfer in England, die einen Dnmpfstenerapparat haben, führen statt des Steuerrades eine Pinne. Da bei der Pinne bei dem Kommando „Backbord" der Schiffskopf nach Steuerbord ausweicht, so muß, wenn Übereinstimmung bleiben soll, dies auch bei dem Steuerrade zutreffen, d. h. das alte sinnwidrige Kommando muß be¬ steh» bleiben. Um bei dem endlosen Hin- und Herfluten vom Handelsschiff zum Kriegsschiff und umgekehrt in der englischen Seefahrt diese Überein¬ stimmung zu wahren, deswegen behält die britische Gesamtmarine das alte Kommando bei trotz der Unzuträglichkeiten bei den radsteuernden Schiffen. Sicherlich würde die deutsche Handelsmarine übrigens mit Freuden das rationelle .Kommando unsrer Kriegsschiffe annehmen, wenn es gelänge, dieses Kommando international einzuführen. Obwohl nun die weitaus größte Summe des im Seeschiffahrtsbetriebe angelegten Kapitals auf radsteuernden Schiffen schwimmt, und demnach vor allem die Sicherheit eben dieser Schiffe in Frage kommt, die am besten durch unser Marinekvnnuando gewährleistet werden dürfte, so wird es doch zweifellos noch auf lange hinaus ein frommer Wunsch bleiben, bevor an ein solches internationales Ruderkommando ernsthaft zu denken ist. Mag immerhin von unsrer Reichsregierung eine dahingehende An¬ regung gegeben werden, wir können nicht glauben, daß dadurch in absehbarer Zeit eine Änderung bewirkt wird. Es giebt keinen bessern Ausweg, als daß die Marine ihr rationelles, sinngemäßes und an sich gutes Kommando wieder nufgiebt, daß sie zurückkehrt zu einem .Kommando, wie es in der Weltschiffahrt in Gebrauch ist. Sollte die Marine zum alten Kommando zurückkehren, so würden die ungewöhnlichen .Kommandos „Links" und „Rechts" und „hart Links" und „hart Rechts" der beiden mächtigsten deutschen Dmnpfergescllschaften von selbst wieder von der Bildfläche verschwinden, und kein Mensch würde ihnen eine Thräne nach¬ weinen. Sollten aber die Marinebehörden, die für die Wehrhaftigkeit unsers Vater¬ lands zur See die Verantwortung tragen, schließlich nach reiflicher Prüfung des Gegenstands es als unausführbar ansehen, wiederum einen Wechsel im Nnder- kvmmando vorzunehmen, dann muß sich die Gesetzgebung ins Mittel legen, um Einheit zu schaffen, sofern der deutsche Schiffahrtsbetrieb aus eigner Ini¬ tiative keinen Ausweg aus der Konfusio« findet. Denn im zwanzigsten Jahr¬ hundert darf kein Zustand fortdauern, der je länger je mehr beängstigend wird. Man mag sich kaum ausmalen, was werden soll, wenn eine unerwartete Mobil¬ machung der gesamten Wehrmacht zur See notwendig wird. In einem großen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/284>, abgerufen am 27.06.2024.