Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Die Verwirrung im deutschen Ruderkommando bisher die Schiffe gesteuert worden waren, seine Zuflucht zum Steuerrade zu Mit diesem Stenerrade nun, das sich mehr und mehr einbürgerte und Ich habe in lauen Passatnächten schon manchmal Versuche angestellt, ob *) Zur Frage des Ruderkommandos. Bremen, 1891.
Die Verwirrung im deutschen Ruderkommando bisher die Schiffe gesteuert worden waren, seine Zuflucht zum Steuerrade zu Mit diesem Stenerrade nun, das sich mehr und mehr einbürgerte und Ich habe in lauen Passatnächten schon manchmal Versuche angestellt, ob *) Zur Frage des Ruderkommandos. Bremen, 1891.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234160"/> <fw type="header" place="top"> Die Verwirrung im deutschen Ruderkommando</fw><lb/> <p xml:id="ID_932" prev="#ID_931"> bisher die Schiffe gesteuert worden waren, seine Zuflucht zum Steuerrade zu<lb/> nehmen, um die großen Schiffsruder und damit das Schiff selbst in der Ge¬<lb/> walt zu behalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_933"> Mit diesem Stenerrade nun, das sich mehr und mehr einbürgerte und<lb/> jetzt auf Seeschiffen fast ausschließlich in Gebrauch ist, kam eine große<lb/> Schwierigkeit in das Kommando für die Ruderbewegung. Ganz folgerichtig<lb/> hatten die alten Seemannsgeschlechter das Kommando „Backbord Ruder" und<lb/> „Steuerbord Ander" oder abgekürzt „Backbord" und „Steuerbord" eingeführt,<lb/> wenn der Nudersmann die Bewegung nach Backbord oder Steuerbord aus¬<lb/> führen sollte. Daß die Bewegung mit der Ruderpinne geschieht und nicht mit<lb/> dem Ruderblatt, nicht mit dem eigentlichen Nuder, ist ja richtig. Das eigent¬<lb/> liche Ruder bucken um Schiff geht jedesmal nach der entgegengesetzten Seite;<lb/> aber deswegen kann man nicht, wie I)r. Brensing dies einmal in einer Bro¬<lb/> schüre") über das Nuderkommando aussprach, von einer Verkehrtheit, einer<lb/> Ungereimtheit sprechen, die in unsrer Handelsmarine Eingang gefunden habe.<lb/> Wer das Seeleben ans eigner langjähriger Erfahrung kennt, wird über einen<lb/> solchen Ausspruch nur lächeln können. Das Wesentliche ist, daß der Steuerer<lb/> ein Kommando erhält, das er sinngemäß, rein instinktiv ausführen muß.<lb/> Wenn der Matrose in dunkler Nacht halbvertmumt am Unter steht und<lb/> plötzlich der Ruf gellt: „Backbord!" oder „Hart Backbord!" so muß er es ohne<lb/> Überlegung im Gefühl haben, daß er sich mit der Ruderpinne nach Backbord<lb/> zu bewegen, sie dahin zu drehn und zu drängen hat. Geht die Ruderpinne<lb/> nach Backbord, so geht der Kopf des Schiffs nach Steuerbord, und umgekehrt.<lb/> Für die Schiffe mit einem Steuerrade kam nun der Nachteil hinzu, daß das<lb/> Rad immer nach der entgegengesetzten Seite gedreht werden mußte. Lautet<lb/> der Befehl „Backbord!", so muß der Rudergänger (Nudersmann, Steuerer) sein<lb/> Rad nach Steuerbord drehn, und umgekehrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_934" next="#ID_935"> Ich habe in lauen Passatnächten schon manchmal Versuche angestellt, ob<lb/> dieser sinnwidrige Zustand, dieses dein Kommandoworte entgegengesetzte Handeln<lb/> den Matrosen an Bord wohl in Fleisch und Blut übergegangen sei. In diesen<lb/> Regionen, wo von einem Ausweichen andern Schiffen gegenüber häufig wochen¬<lb/> lang gar nicht die Rede sein kann, wo die laue Luft, das leise Rauschen der<lb/> Wellen, das rhhthmische Schwanken und Wogen eine einschläfernde Wirkung<lb/> auf junge Seeleute ausüben, stehn die Matrosen hüusig halbverträumt am<lb/> Rade. Auch der junge wachthabende Offizier hat trotz der größern Verant¬<lb/> wortung, die auf ihm lastet, Mühe, frisch und geistig rege zu bleiben und die<lb/> Ermüdung und Schläfrigkeit von sich fern zu halten. Ich habe in solchen<lb/> Nächten zuweilen unerwartet und laut „Backbord" oder „Steuerbord" kom¬<lb/> mandiert. Die erste Bewegung des nichtsahuenden Steuerers war jedesmal<lb/> ein leichtes Zusammenzucken und sofort anschließend eine Radbewegung genau<lb/> uach dem Wortlaut des Kommandos. Dann ein Halt, ein Zögern, ein blitz-</p><lb/> <note xml:id="FID_30" place="foot"> *) Zur Frage des Ruderkommandos. Bremen, 1891.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0280]
Die Verwirrung im deutschen Ruderkommando
bisher die Schiffe gesteuert worden waren, seine Zuflucht zum Steuerrade zu
nehmen, um die großen Schiffsruder und damit das Schiff selbst in der Ge¬
walt zu behalten.
Mit diesem Stenerrade nun, das sich mehr und mehr einbürgerte und
jetzt auf Seeschiffen fast ausschließlich in Gebrauch ist, kam eine große
Schwierigkeit in das Kommando für die Ruderbewegung. Ganz folgerichtig
hatten die alten Seemannsgeschlechter das Kommando „Backbord Ruder" und
„Steuerbord Ander" oder abgekürzt „Backbord" und „Steuerbord" eingeführt,
wenn der Nudersmann die Bewegung nach Backbord oder Steuerbord aus¬
führen sollte. Daß die Bewegung mit der Ruderpinne geschieht und nicht mit
dem Ruderblatt, nicht mit dem eigentlichen Nuder, ist ja richtig. Das eigent¬
liche Ruder bucken um Schiff geht jedesmal nach der entgegengesetzten Seite;
aber deswegen kann man nicht, wie I)r. Brensing dies einmal in einer Bro¬
schüre") über das Nuderkommando aussprach, von einer Verkehrtheit, einer
Ungereimtheit sprechen, die in unsrer Handelsmarine Eingang gefunden habe.
Wer das Seeleben ans eigner langjähriger Erfahrung kennt, wird über einen
solchen Ausspruch nur lächeln können. Das Wesentliche ist, daß der Steuerer
ein Kommando erhält, das er sinngemäß, rein instinktiv ausführen muß.
Wenn der Matrose in dunkler Nacht halbvertmumt am Unter steht und
plötzlich der Ruf gellt: „Backbord!" oder „Hart Backbord!" so muß er es ohne
Überlegung im Gefühl haben, daß er sich mit der Ruderpinne nach Backbord
zu bewegen, sie dahin zu drehn und zu drängen hat. Geht die Ruderpinne
nach Backbord, so geht der Kopf des Schiffs nach Steuerbord, und umgekehrt.
Für die Schiffe mit einem Steuerrade kam nun der Nachteil hinzu, daß das
Rad immer nach der entgegengesetzten Seite gedreht werden mußte. Lautet
der Befehl „Backbord!", so muß der Rudergänger (Nudersmann, Steuerer) sein
Rad nach Steuerbord drehn, und umgekehrt.
Ich habe in lauen Passatnächten schon manchmal Versuche angestellt, ob
dieser sinnwidrige Zustand, dieses dein Kommandoworte entgegengesetzte Handeln
den Matrosen an Bord wohl in Fleisch und Blut übergegangen sei. In diesen
Regionen, wo von einem Ausweichen andern Schiffen gegenüber häufig wochen¬
lang gar nicht die Rede sein kann, wo die laue Luft, das leise Rauschen der
Wellen, das rhhthmische Schwanken und Wogen eine einschläfernde Wirkung
auf junge Seeleute ausüben, stehn die Matrosen hüusig halbverträumt am
Rade. Auch der junge wachthabende Offizier hat trotz der größern Verant¬
wortung, die auf ihm lastet, Mühe, frisch und geistig rege zu bleiben und die
Ermüdung und Schläfrigkeit von sich fern zu halten. Ich habe in solchen
Nächten zuweilen unerwartet und laut „Backbord" oder „Steuerbord" kom¬
mandiert. Die erste Bewegung des nichtsahuenden Steuerers war jedesmal
ein leichtes Zusammenzucken und sofort anschließend eine Radbewegung genau
uach dem Wortlaut des Kommandos. Dann ein Halt, ein Zögern, ein blitz-
*) Zur Frage des Ruderkommandos. Bremen, 1891.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |