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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Vie Handelspolitik im Jcchre ^Hg^

politischen Chikanen hat sich unsre Ausfuhr uach den Vereinigten Staaten er¬
halten. Sie betrug (in Millionen Mark):

18"" 18"8 18"7 18"" 18SS
377,6 334,6 397,.? 383,7 368,7

Freilich die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten hat sich weniger schön
entwickelt:

18"" 18"8 18"7 18"6 18"5
907,2 877,2 6S8,0 584,4 571,7

An dieser Zunahme haben die Fabrikate ihren Anteil gehabt, aber von
einer Schädigung der deutscheu Industrie auf dein deutschen Markt durch sie
kann niemand, der bei gesundem Verstand ist, reden. Freilich mögen einzelne
Fabrikanten, vielleicht auch einige Fabrikationszweige dem Reichsamt des
Innern schon in den Ohren liegen mit beweglicher Bitte um Schutz der natio¬
nalen Arbeit. Aber man sollte es sich tausendmal überlegen, ehe man ihm
nachgiebt. Es steht fest, daß die Erfolge amerikanischer Fabrikate auf dem
deutschen Markt zum großen Teil in einer bessern technischen Leistung der
amerikanischen Fabrikanten begründet siud, zu der sich auch unsre Industrie
aufschwingen kann und deshalb aufschwingen muß. Mag eine spätere Zukunft
vielleicht einmal Notstandzölle auch gegen amerikanische Jndustrieprodukte recht¬
fertigen, jetzt ist dazu weder ein Grund noch Aussicht da. Die Gefahr der
Stagnation und Rückständigkeit in wichtigen Zweigen unsrer Industrie ist
viel größer und ist viel näher als die amerikanische Gefahr für den deutschen
Gewerbfleiß. Auch von einer ernsthaften Beeinträchtigung unsrer Ausfuhr nach
andern Ländern durch die Industrie der Vereinigten Staaten kann vorläufig
nicht geredet werden, weder in Europa, noch in Ostasien, noch im übrigen
Amerika selbst. Freilich werden wir auch hier der amerikanischen Energie und
Rührigkeit gegenüber scharf kämpfen, sehr viel vom Gegner lernen müssen.
Und. vor allem gilt es, den Wert des freien Kapitals für die Expansion, die
wir brauche,,, mehr zum Verständnis zu bringen. Das mag uns noch so sehr
gegen den Strich gehn. Ohne Geld, viel Geld, das was riskieren kann, keine
Weltpolitik.

So können wir in der "amerikanischen Gefahr," soweit sie in der be¬
sondern Leistungsfähigkeit der Industrie der Vereinigten Staaten besteht, noch
keine Veranlassung für das Reich finden, durch zollpolitische Maßnahmen den
Güteraustausch zwischen Deutschland und der Union zu stören und zu unter¬
binden, auch nicht der mitteleuropäischen Zollallianz zuliebe. Unsre gewinn¬
bringende Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten ist "och so groß, daß die
Leiter der Handelspolitik guten Grund haben, ihren Verlust nicht deshalb auf
die leichte Schulter zu nehmen, weil sie vielleicht in einer spätern Zukunft nicht
mehr der Mühe wert sein könnte.

Näher liegt die ,,amerikanische Gefahr/' soweit sie zweitens ins Gebiet
der Handelspolitik fällt. Darin beruht auch wohl hauptsächlich das Berechtigte


Vie Handelspolitik im Jcchre ^Hg^

politischen Chikanen hat sich unsre Ausfuhr uach den Vereinigten Staaten er¬
halten. Sie betrug (in Millionen Mark):

18»» 18»8 18»7 18»« 18SS
377,6 334,6 397,.? 383,7 368,7

Freilich die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten hat sich weniger schön
entwickelt:

18»» 18»8 18»7 18»6 18»5
907,2 877,2 6S8,0 584,4 571,7

An dieser Zunahme haben die Fabrikate ihren Anteil gehabt, aber von
einer Schädigung der deutscheu Industrie auf dein deutschen Markt durch sie
kann niemand, der bei gesundem Verstand ist, reden. Freilich mögen einzelne
Fabrikanten, vielleicht auch einige Fabrikationszweige dem Reichsamt des
Innern schon in den Ohren liegen mit beweglicher Bitte um Schutz der natio¬
nalen Arbeit. Aber man sollte es sich tausendmal überlegen, ehe man ihm
nachgiebt. Es steht fest, daß die Erfolge amerikanischer Fabrikate auf dem
deutschen Markt zum großen Teil in einer bessern technischen Leistung der
amerikanischen Fabrikanten begründet siud, zu der sich auch unsre Industrie
aufschwingen kann und deshalb aufschwingen muß. Mag eine spätere Zukunft
vielleicht einmal Notstandzölle auch gegen amerikanische Jndustrieprodukte recht¬
fertigen, jetzt ist dazu weder ein Grund noch Aussicht da. Die Gefahr der
Stagnation und Rückständigkeit in wichtigen Zweigen unsrer Industrie ist
viel größer und ist viel näher als die amerikanische Gefahr für den deutschen
Gewerbfleiß. Auch von einer ernsthaften Beeinträchtigung unsrer Ausfuhr nach
andern Ländern durch die Industrie der Vereinigten Staaten kann vorläufig
nicht geredet werden, weder in Europa, noch in Ostasien, noch im übrigen
Amerika selbst. Freilich werden wir auch hier der amerikanischen Energie und
Rührigkeit gegenüber scharf kämpfen, sehr viel vom Gegner lernen müssen.
Und. vor allem gilt es, den Wert des freien Kapitals für die Expansion, die
wir brauche,,, mehr zum Verständnis zu bringen. Das mag uns noch so sehr
gegen den Strich gehn. Ohne Geld, viel Geld, das was riskieren kann, keine
Weltpolitik.

So können wir in der „amerikanischen Gefahr," soweit sie in der be¬
sondern Leistungsfähigkeit der Industrie der Vereinigten Staaten besteht, noch
keine Veranlassung für das Reich finden, durch zollpolitische Maßnahmen den
Güteraustausch zwischen Deutschland und der Union zu stören und zu unter¬
binden, auch nicht der mitteleuropäischen Zollallianz zuliebe. Unsre gewinn¬
bringende Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten ist »och so groß, daß die
Leiter der Handelspolitik guten Grund haben, ihren Verlust nicht deshalb auf
die leichte Schulter zu nehmen, weil sie vielleicht in einer spätern Zukunft nicht
mehr der Mühe wert sein könnte.

Näher liegt die ,,amerikanische Gefahr/' soweit sie zweitens ins Gebiet
der Handelspolitik fällt. Darin beruht auch wohl hauptsächlich das Berechtigte


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[0274] Vie Handelspolitik im Jcchre ^Hg^ politischen Chikanen hat sich unsre Ausfuhr uach den Vereinigten Staaten er¬ halten. Sie betrug (in Millionen Mark): 18»» 18»8 18»7 18»« 18SS 377,6 334,6 397,.? 383,7 368,7 Freilich die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten hat sich weniger schön entwickelt: 18»» 18»8 18»7 18»6 18»5 907,2 877,2 6S8,0 584,4 571,7 An dieser Zunahme haben die Fabrikate ihren Anteil gehabt, aber von einer Schädigung der deutscheu Industrie auf dein deutschen Markt durch sie kann niemand, der bei gesundem Verstand ist, reden. Freilich mögen einzelne Fabrikanten, vielleicht auch einige Fabrikationszweige dem Reichsamt des Innern schon in den Ohren liegen mit beweglicher Bitte um Schutz der natio¬ nalen Arbeit. Aber man sollte es sich tausendmal überlegen, ehe man ihm nachgiebt. Es steht fest, daß die Erfolge amerikanischer Fabrikate auf dem deutschen Markt zum großen Teil in einer bessern technischen Leistung der amerikanischen Fabrikanten begründet siud, zu der sich auch unsre Industrie aufschwingen kann und deshalb aufschwingen muß. Mag eine spätere Zukunft vielleicht einmal Notstandzölle auch gegen amerikanische Jndustrieprodukte recht¬ fertigen, jetzt ist dazu weder ein Grund noch Aussicht da. Die Gefahr der Stagnation und Rückständigkeit in wichtigen Zweigen unsrer Industrie ist viel größer und ist viel näher als die amerikanische Gefahr für den deutschen Gewerbfleiß. Auch von einer ernsthaften Beeinträchtigung unsrer Ausfuhr nach andern Ländern durch die Industrie der Vereinigten Staaten kann vorläufig nicht geredet werden, weder in Europa, noch in Ostasien, noch im übrigen Amerika selbst. Freilich werden wir auch hier der amerikanischen Energie und Rührigkeit gegenüber scharf kämpfen, sehr viel vom Gegner lernen müssen. Und. vor allem gilt es, den Wert des freien Kapitals für die Expansion, die wir brauche,,, mehr zum Verständnis zu bringen. Das mag uns noch so sehr gegen den Strich gehn. Ohne Geld, viel Geld, das was riskieren kann, keine Weltpolitik. So können wir in der „amerikanischen Gefahr," soweit sie in der be¬ sondern Leistungsfähigkeit der Industrie der Vereinigten Staaten besteht, noch keine Veranlassung für das Reich finden, durch zollpolitische Maßnahmen den Güteraustausch zwischen Deutschland und der Union zu stören und zu unter¬ binden, auch nicht der mitteleuropäischen Zollallianz zuliebe. Unsre gewinn¬ bringende Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten ist »och so groß, daß die Leiter der Handelspolitik guten Grund haben, ihren Verlust nicht deshalb auf die leichte Schulter zu nehmen, weil sie vielleicht in einer spätern Zukunft nicht mehr der Mühe wert sein könnte. Näher liegt die ,,amerikanische Gefahr/' soweit sie zweitens ins Gebiet der Handelspolitik fällt. Darin beruht auch wohl hauptsächlich das Berechtigte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/274>, abgerufen am 26.09.2024.