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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Die Handelspolitik im Jahre

stärker der Bezug von Nahrungs- und Genußmittelu, sowie von gewerblichen
Rohstoffen aus den großen Weltreichen und ihren Kolonien und Depen-
denzen.. . . Durch die Handelsverträge zwischen Rußland und Deutschland, sowie
zwischen Rußland und Österreich-UngM'U wurde der mitteleuropäische Bund
absichtlich erweitert, zugleich aber seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt,"

DaS kann als ein Fehler, als ein Unglück für Deutschland dargestellt
werden, und es ist auch bekanntlich so dargestellt worden, Francke thut das
nicht. Er erkennt an, daß der Erfolg des Vertrags mit Rußland den deutschen
Interessen entsprochen habe. Er weist dabei ausdrücklich auf die vom "deutsch¬
russischen Verein" im April 190V gefaßte Resolution hin: "daß bei einer
etwaigen Kündigung des Vertrags sofort Verhandlungen aufgenommen werden
zur Herbeiführung eines neuen, langfristigen Vertrags." In den deutscheu
Regierungskrisen ist der russische Vertrag offen als die Krönung der 1891/92
begonnenen Handelspolitischeu Aktion gefeiert worden. Auch Dr. Alfred Zinuner-
mciun sagt von ihm: "Es war das in Anbetracht der frühern Schwierigkeiten
mit Rußland unverkennbar ein glänzender Triumph der deutschen Regierung,
Der Weg, den Bismarck 1879 eingeschlagen, hatte zum Ziele geführt. Zum
erstenmale hatte Rußland mit seiner Tradition, sich im Zolle niemand gegen¬
über zu binden, gebrochen und das Shstem der zivilisierten Länder ange¬
nommen." Wie der Kaiser persönlich darüber dachte, ist bekannt; bekannt aber
auch, wie um so ungestümer die Agrarier von einer "Schmach für Deutschland"
redeten, weil das Reich "aus Furcht vor Nußland" Deutschlands Wohlfahrt
preisgegeben habe. "Wir werden, so rief man damals, das handelsvertrags¬
freundliche Shstem bekämpfen, ganz gleich, wie hoch die Stelle ist, die dafür
eintritt!" Der Kampf ist jetzt mit frischen Kräften aufgenommen worden.
Hier mag nur kurz darauf verwiesen werden, daß im schroffen Gegensatz zu
Conrad, der in den "Beitrügen" des Vereins für Sozialpolitik dringend zur
Pflege der Handelsbeziehungen gerade mit Rußland rät und darin mit der
Masse der beteiligten Industriellen und Kaufleute und auch der Mehrheit
unsrer Nationalökonomen in Übereinstimmung steht, in denselben "Beiträgen"
ein Dr, Carl Ballod in der bekannten Manier der Berliner reaktionären jung-
historischen Schule diese Haudelsbeziehung als eigentlich für uns wie für Ru߬
land wertlos hinstellt, "in mir ja auch bei dieser Gelegenheit, freilich mit
mancherlei Hinterthüren, den antarkischen Idealen bei uns wie im Ausland
das Wort zu reden.

Unser Handel mit Rußland einerseits und Österreich-Ungarn andrerseits
hat sich in neuerer Zeit wie folgt entwickelt. Es betrug die deutsche Einfuhr

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Rußland ....719,9736,6708,3"34,7668,2
Ö se erre i es - Ungarn730,4661,2600,8578,0525,4

die Ausfuhr nach

Rußland ....437,3440,5372,0364,1220,9
Österreich-Ungarn466,04S3,743S,1477,3436,8

Die Handelspolitik im Jahre

stärker der Bezug von Nahrungs- und Genußmittelu, sowie von gewerblichen
Rohstoffen aus den großen Weltreichen und ihren Kolonien und Depen-
denzen.. . . Durch die Handelsverträge zwischen Rußland und Deutschland, sowie
zwischen Rußland und Österreich-UngM'U wurde der mitteleuropäische Bund
absichtlich erweitert, zugleich aber seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt,"

DaS kann als ein Fehler, als ein Unglück für Deutschland dargestellt
werden, und es ist auch bekanntlich so dargestellt worden, Francke thut das
nicht. Er erkennt an, daß der Erfolg des Vertrags mit Rußland den deutschen
Interessen entsprochen habe. Er weist dabei ausdrücklich auf die vom „deutsch¬
russischen Verein" im April 190V gefaßte Resolution hin: „daß bei einer
etwaigen Kündigung des Vertrags sofort Verhandlungen aufgenommen werden
zur Herbeiführung eines neuen, langfristigen Vertrags." In den deutscheu
Regierungskrisen ist der russische Vertrag offen als die Krönung der 1891/92
begonnenen Handelspolitischeu Aktion gefeiert worden. Auch Dr. Alfred Zinuner-
mciun sagt von ihm: „Es war das in Anbetracht der frühern Schwierigkeiten
mit Rußland unverkennbar ein glänzender Triumph der deutschen Regierung,
Der Weg, den Bismarck 1879 eingeschlagen, hatte zum Ziele geführt. Zum
erstenmale hatte Rußland mit seiner Tradition, sich im Zolle niemand gegen¬
über zu binden, gebrochen und das Shstem der zivilisierten Länder ange¬
nommen." Wie der Kaiser persönlich darüber dachte, ist bekannt; bekannt aber
auch, wie um so ungestümer die Agrarier von einer „Schmach für Deutschland"
redeten, weil das Reich „aus Furcht vor Nußland" Deutschlands Wohlfahrt
preisgegeben habe. „Wir werden, so rief man damals, das handelsvertrags¬
freundliche Shstem bekämpfen, ganz gleich, wie hoch die Stelle ist, die dafür
eintritt!" Der Kampf ist jetzt mit frischen Kräften aufgenommen worden.
Hier mag nur kurz darauf verwiesen werden, daß im schroffen Gegensatz zu
Conrad, der in den „Beitrügen" des Vereins für Sozialpolitik dringend zur
Pflege der Handelsbeziehungen gerade mit Rußland rät und darin mit der
Masse der beteiligten Industriellen und Kaufleute und auch der Mehrheit
unsrer Nationalökonomen in Übereinstimmung steht, in denselben „Beiträgen"
ein Dr, Carl Ballod in der bekannten Manier der Berliner reaktionären jung-
historischen Schule diese Haudelsbeziehung als eigentlich für uns wie für Ru߬
land wertlos hinstellt, »in mir ja auch bei dieser Gelegenheit, freilich mit
mancherlei Hinterthüren, den antarkischen Idealen bei uns wie im Ausland
das Wort zu reden.

Unser Handel mit Rußland einerseits und Österreich-Ungarn andrerseits
hat sich in neuerer Zeit wie folgt entwickelt. Es betrug die deutsche Einfuhr

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[0269] Die Handelspolitik im Jahre stärker der Bezug von Nahrungs- und Genußmittelu, sowie von gewerblichen Rohstoffen aus den großen Weltreichen und ihren Kolonien und Depen- denzen.. . . Durch die Handelsverträge zwischen Rußland und Deutschland, sowie zwischen Rußland und Österreich-UngM'U wurde der mitteleuropäische Bund absichtlich erweitert, zugleich aber seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt," DaS kann als ein Fehler, als ein Unglück für Deutschland dargestellt werden, und es ist auch bekanntlich so dargestellt worden, Francke thut das nicht. Er erkennt an, daß der Erfolg des Vertrags mit Rußland den deutschen Interessen entsprochen habe. Er weist dabei ausdrücklich auf die vom „deutsch¬ russischen Verein" im April 190V gefaßte Resolution hin: „daß bei einer etwaigen Kündigung des Vertrags sofort Verhandlungen aufgenommen werden zur Herbeiführung eines neuen, langfristigen Vertrags." In den deutscheu Regierungskrisen ist der russische Vertrag offen als die Krönung der 1891/92 begonnenen Handelspolitischeu Aktion gefeiert worden. Auch Dr. Alfred Zinuner- mciun sagt von ihm: „Es war das in Anbetracht der frühern Schwierigkeiten mit Rußland unverkennbar ein glänzender Triumph der deutschen Regierung, Der Weg, den Bismarck 1879 eingeschlagen, hatte zum Ziele geführt. Zum erstenmale hatte Rußland mit seiner Tradition, sich im Zolle niemand gegen¬ über zu binden, gebrochen und das Shstem der zivilisierten Länder ange¬ nommen." Wie der Kaiser persönlich darüber dachte, ist bekannt; bekannt aber auch, wie um so ungestümer die Agrarier von einer „Schmach für Deutschland" redeten, weil das Reich „aus Furcht vor Nußland" Deutschlands Wohlfahrt preisgegeben habe. „Wir werden, so rief man damals, das handelsvertrags¬ freundliche Shstem bekämpfen, ganz gleich, wie hoch die Stelle ist, die dafür eintritt!" Der Kampf ist jetzt mit frischen Kräften aufgenommen worden. Hier mag nur kurz darauf verwiesen werden, daß im schroffen Gegensatz zu Conrad, der in den „Beitrügen" des Vereins für Sozialpolitik dringend zur Pflege der Handelsbeziehungen gerade mit Rußland rät und darin mit der Masse der beteiligten Industriellen und Kaufleute und auch der Mehrheit unsrer Nationalökonomen in Übereinstimmung steht, in denselben „Beiträgen" ein Dr, Carl Ballod in der bekannten Manier der Berliner reaktionären jung- historischen Schule diese Haudelsbeziehung als eigentlich für uns wie für Ru߬ land wertlos hinstellt, »in mir ja auch bei dieser Gelegenheit, freilich mit mancherlei Hinterthüren, den antarkischen Idealen bei uns wie im Ausland das Wort zu reden. Unser Handel mit Rußland einerseits und Österreich-Ungarn andrerseits hat sich in neuerer Zeit wie folgt entwickelt. Es betrug die deutsche Einfuhr 18»»18981897«89«I89S Rußland ....719,9736,6708,3«34,7668,2 Ö se erre i es - Ungarn730,4661,2600,8578,0525,4 die Ausfuhr nach Rußland ....437,3440,5372,0364,1220,9 Österreich-Ungarn466,04S3,743S,1477,3436,8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/269>, abgerufen am 20.09.2024.