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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Abfall der Truppen, wahrscheinlich durch die Reden einzelner nnzufriedner
Schwätzer unter den Soldaten dazu verleitet." Wenn die Sache losgeht,
möchte er doch in der Nähe des Königs bleiben. "Dort kannst Du aber sich
sage mit einem Seitenblick "leider") mit Sicherheit annehmen, daß keine Gefahr
sein wird." Wir hören nun allmählich vom Rückfluten der Revolution, es
kommen keine Emeuten mehr vor, man denkt nu Auflösung der Bürgerwchr,
die Arbeiter lassen König und Militär leben, endlich rückt Wrangel ein. Gerade
in dieser Zeit scheint Bismarck am nachdrücklichsten eingegriffen zu haben. An
einem Tag liest man: "Ich bin gestern den ganzen Tag in Staatsgeschäften
abwesend gewesen," am andern: "Ich schreibe Dir um halb acht Uhr, fertig
angezogen; Du kannst daraus abnehmen, welche außerordentliche Thätigkeit ich
entwickle." Das Königtum hielt er für gerettet, die Hauptaufgabe war es
jetzt, die Person des Königs selbst wieder aufzurichten. Tagtäglich ist er in
Potsdam und berichtet mit besondrer Freude, wie dem König der Mut wieder¬
kehrt. Namentlich die Vauerndcputationen, die dem Monarchen ihre Dienste
anbieten, wirken sehr gut. Da bietet er dann die Frau mit auf, weitere her
zu schicken und die Absendung von Adressen zu veranlassen. "Lieber sechs
Adressen -- schreibt er am 16. April --, jede mit einer, als eine mit sechs-
unddreißig Unterschriften, aber bald." Alles kommt ihm darauf an, dein König
ein andres, richtigeres Bild von der Meinung des "Volks" beizubringen.
Endlich gelingt das, sogar über Bedarf. Im Februar des nächsten Jahres
hat der Monarch ganz vergessen und möchte es auch andre vergessen machen,
daß er vor noch nicht zwölf Monaten selbst links gestanden hatte. Er wird gegen
die Schnukelmünner höchst ungnädig. Den Oberpräsidenten Patow fährt er
bei der Brandenburger Domfeier ganz aus dem Stegreif an: "Herr, stehn Sie
rechts, so stimmen Sie rechts, stehn Sie links, so stimmen Sie ins . . . Namen
links, von meinen Dienern aber verlange ich, daß sie zu mir stehn, verstanden?"
Patow, fügt Bismarck hinzu, sah aus wie die Enten, Wenns donnert. Diese
Bemühungen und Erfolge konnten Bismarck bei den Demokraten nicht beliebter
machen. Ein demokratischer Bauer erzählte ihm treuherzig, wenn der Name
Bismarck in seinem Wahlkreise genannt werde, "so gehe einem ordentlich ein
"Grusel" von oben runter, als wenn man gleich ein paar "altpreußische
Fuchtelhiebe" übergezogen erhalten sollte." Alle Räubergeschichten, die die
Demokraten über ihn ausheckten, belustigten ihn nur, seit er durch die
Monarchenzusammenkunft in Teplitz jegliche neue Revolutionsgefahr beseitigt
wußte. Dagegen freute er sich über jede Gelegenheit, die ihm die Zuneigung
von Soldaten bewies. "Diese verstehn mich besser als diese Kammeramphibien,
weil sie warmes Prenßenblut im Leibe haben," schreibt er nach einer solchen
Ovation in einem Guuglschen Konzert (21. September 1849).

Die deutsche Frage hatte ihn anfangs bekanntlich sehr wenig interessiert.
Auch in einem Brief an seine Frau (28. August 1849) nennt er sie einmal
uns omölstto, spottet über Mondscheinbetrachtungeu sentimentaler Jünglinge,
über Strohdreschen und äußert schon hier: "Die Frage wird in der Diplomatie


Abfall der Truppen, wahrscheinlich durch die Reden einzelner nnzufriedner
Schwätzer unter den Soldaten dazu verleitet." Wenn die Sache losgeht,
möchte er doch in der Nähe des Königs bleiben. „Dort kannst Du aber sich
sage mit einem Seitenblick »leider«) mit Sicherheit annehmen, daß keine Gefahr
sein wird." Wir hören nun allmählich vom Rückfluten der Revolution, es
kommen keine Emeuten mehr vor, man denkt nu Auflösung der Bürgerwchr,
die Arbeiter lassen König und Militär leben, endlich rückt Wrangel ein. Gerade
in dieser Zeit scheint Bismarck am nachdrücklichsten eingegriffen zu haben. An
einem Tag liest man: „Ich bin gestern den ganzen Tag in Staatsgeschäften
abwesend gewesen," am andern: „Ich schreibe Dir um halb acht Uhr, fertig
angezogen; Du kannst daraus abnehmen, welche außerordentliche Thätigkeit ich
entwickle." Das Königtum hielt er für gerettet, die Hauptaufgabe war es
jetzt, die Person des Königs selbst wieder aufzurichten. Tagtäglich ist er in
Potsdam und berichtet mit besondrer Freude, wie dem König der Mut wieder¬
kehrt. Namentlich die Vauerndcputationen, die dem Monarchen ihre Dienste
anbieten, wirken sehr gut. Da bietet er dann die Frau mit auf, weitere her
zu schicken und die Absendung von Adressen zu veranlassen. „Lieber sechs
Adressen — schreibt er am 16. April —, jede mit einer, als eine mit sechs-
unddreißig Unterschriften, aber bald." Alles kommt ihm darauf an, dein König
ein andres, richtigeres Bild von der Meinung des „Volks" beizubringen.
Endlich gelingt das, sogar über Bedarf. Im Februar des nächsten Jahres
hat der Monarch ganz vergessen und möchte es auch andre vergessen machen,
daß er vor noch nicht zwölf Monaten selbst links gestanden hatte. Er wird gegen
die Schnukelmünner höchst ungnädig. Den Oberpräsidenten Patow fährt er
bei der Brandenburger Domfeier ganz aus dem Stegreif an: „Herr, stehn Sie
rechts, so stimmen Sie rechts, stehn Sie links, so stimmen Sie ins . . . Namen
links, von meinen Dienern aber verlange ich, daß sie zu mir stehn, verstanden?"
Patow, fügt Bismarck hinzu, sah aus wie die Enten, Wenns donnert. Diese
Bemühungen und Erfolge konnten Bismarck bei den Demokraten nicht beliebter
machen. Ein demokratischer Bauer erzählte ihm treuherzig, wenn der Name
Bismarck in seinem Wahlkreise genannt werde, „so gehe einem ordentlich ein
»Grusel« von oben runter, als wenn man gleich ein paar »altpreußische
Fuchtelhiebe« übergezogen erhalten sollte." Alle Räubergeschichten, die die
Demokraten über ihn ausheckten, belustigten ihn nur, seit er durch die
Monarchenzusammenkunft in Teplitz jegliche neue Revolutionsgefahr beseitigt
wußte. Dagegen freute er sich über jede Gelegenheit, die ihm die Zuneigung
von Soldaten bewies. „Diese verstehn mich besser als diese Kammeramphibien,
weil sie warmes Prenßenblut im Leibe haben," schreibt er nach einer solchen
Ovation in einem Guuglschen Konzert (21. September 1849).

Die deutsche Frage hatte ihn anfangs bekanntlich sehr wenig interessiert.
Auch in einem Brief an seine Frau (28. August 1849) nennt er sie einmal
uns omölstto, spottet über Mondscheinbetrachtungeu sentimentaler Jünglinge,
über Strohdreschen und äußert schon hier: „Die Frage wird in der Diplomatie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/264>, abgerufen am 28.09.2024.