Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Die linndelspolitit' im Jahre gleichsam programmatische wirtschaftspolitische Gedanken auszusprechen, die Denn wo ist die Mehrheit im Volke, mit der er im Kampf gegen die Die linndelspolitit' im Jahre gleichsam programmatische wirtschaftspolitische Gedanken auszusprechen, die Denn wo ist die Mehrheit im Volke, mit der er im Kampf gegen die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234091"/> <fw type="header" place="top"> Die linndelspolitit' im Jahre</fw><lb/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696"> gleichsam programmatische wirtschaftspolitische Gedanken auszusprechen, die<lb/> natürlich i>n Hinblick auf die Handels- und die Zollpolitik der nächsten Zukunft<lb/> von den Parteien eifrig besprochen worden sind. Wenn man aus seinen Worten<lb/> auf ein förmliches Kompromiß der Negierung mit der agrarischen Mehrheit im<lb/> Landtag und im Reichstag hat schließen wollen, wonach sich die Agrarier, die<lb/> die erste Kanalvvrlnge abgelehnt hatten, verpflichtet Hütten, die zweite anzu¬<lb/> nehmen und dafür die gewünschte Agrnrzollerhöhnng zugesichert erhalten hätten,<lb/> so war das nach dem ganzen Stande der Zolltariffrage voreilig. Auch die Er¬<lb/> klärung, die Graf Bülow namens der Staatsregierung am 25, Januar abgegeben<lb/> hat, ist nicht dahin auszulegen, Sie enthielt überhaupt nichts neues. Aber es ent¬<lb/> spricht doch anch nicht der Wahrheit, wenn auf der andern Seite jede Verstärkung<lb/> der agrarischen Position in der Zvllfrage dnrch die Kanalvorlage und die Ab¬<lb/> sicht, sie gehörig auszunutzen, bestritten wird. Wer den Verlauf der ersten Kanal-<lb/> nnd der letzten Flottenkampagne verfolgt hat, kann nicht im Zweifel darüber sein.<lb/> Die agrarische Wählerschaft, und das ist die Mehrheit der Wähler, die wirk¬<lb/> lich wählen, im Reich wie in Preußen, würde es nach den sie beherrschenden<lb/> Anschauungen einfach nicht verstehn, wenn ihre Vertreter im preußischen Land¬<lb/> tage nicht eine so überaus günstige Gelegenheit dazu benutzen wollten, der<lb/> Landwirtschaft möglichst hohe Zölle zu sichern. Die preußische Regierung hat<lb/> den großen Wert, den sie auf die Durchdringung der Kanalvorlage, nament¬<lb/> lich des Mittellandkanals legt, durch die Wiedereinbringung hinreichend scharf<lb/> betont. Die Agrarier können daraus schließen, daß sie geneigt sein wird, ihren<lb/> ^ollforderungen um so eher nachzugeben, und daß sich auch die Großindustriellen<lb/> im Westen, die vou dein Kanalbau besonders große Vorteile erwarten, um<lb/> so eher zu dem Zugeständnis hoher Getreidezölle, womöglich durch Fest¬<lb/> legung von Minimalsätzen im neuen Generaltnrif verstehn werden, je zäher sie<lb/> die Bewilligung der Kanäle davon abhängig machen. Die neu vorgeschlagnen<lb/> Kanalbanten, z. B. der Großschiffahrtsweg Berlin-Stettin, können diesen tak¬<lb/> tischen Wert der Vorlage für die Agrarier nur erhöhen, und die außerdem<lb/> gebvtnen „Kompensationen" werden, obgleich sie den beteiligten Grund¬<lb/> besitzern schon einen so beträchtlichen Kapitalgewinn ohne Gegenleistung ver¬<lb/> sprechen — er kann auf 50 bis 60 Millionen geschätzt werden —, ihren<lb/> Appetit nicht schwächen, sondern nur noch mehr reizen. Es ist nicht anders-<lb/> die neue Kanalvorlage bedeutet eine Stärkung der agrarischen Mehrheit in<lb/> dem bevorstehenden Kampf um den Zolltarif, und entsprechend eine Schwächung<lb/> der Position der verbündeten Regierungen. Das weiß natürlich Graf Bülow<lb/> ganz genau, und daß er es weiß, beweist seine Einführnngsrede vom 9. Ja¬<lb/> nuar, in der er den bisherigen Kanalgegnern, d. h. der agrarischen Mehrheit,<lb/> mit großer Liebenswürdigkeit die Hand zur Verständigung bot. Er hat darin<lb/> sehr klug gehandelt und seiner Pflicht als preußischer Ministerpräsident und<lb/> mis Reichskanzler nur entsprochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_698" next="#ID_699"> Denn wo ist die Mehrheit im Volke, mit der er im Kampf gegen die<lb/> Agrarier rechnen könnte? Wo ist vorläufig auch nur die Minderheit, von der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0211]
Die linndelspolitit' im Jahre
gleichsam programmatische wirtschaftspolitische Gedanken auszusprechen, die
natürlich i>n Hinblick auf die Handels- und die Zollpolitik der nächsten Zukunft
von den Parteien eifrig besprochen worden sind. Wenn man aus seinen Worten
auf ein förmliches Kompromiß der Negierung mit der agrarischen Mehrheit im
Landtag und im Reichstag hat schließen wollen, wonach sich die Agrarier, die
die erste Kanalvvrlnge abgelehnt hatten, verpflichtet Hütten, die zweite anzu¬
nehmen und dafür die gewünschte Agrnrzollerhöhnng zugesichert erhalten hätten,
so war das nach dem ganzen Stande der Zolltariffrage voreilig. Auch die Er¬
klärung, die Graf Bülow namens der Staatsregierung am 25, Januar abgegeben
hat, ist nicht dahin auszulegen, Sie enthielt überhaupt nichts neues. Aber es ent¬
spricht doch anch nicht der Wahrheit, wenn auf der andern Seite jede Verstärkung
der agrarischen Position in der Zvllfrage dnrch die Kanalvorlage und die Ab¬
sicht, sie gehörig auszunutzen, bestritten wird. Wer den Verlauf der ersten Kanal-
nnd der letzten Flottenkampagne verfolgt hat, kann nicht im Zweifel darüber sein.
Die agrarische Wählerschaft, und das ist die Mehrheit der Wähler, die wirk¬
lich wählen, im Reich wie in Preußen, würde es nach den sie beherrschenden
Anschauungen einfach nicht verstehn, wenn ihre Vertreter im preußischen Land¬
tage nicht eine so überaus günstige Gelegenheit dazu benutzen wollten, der
Landwirtschaft möglichst hohe Zölle zu sichern. Die preußische Regierung hat
den großen Wert, den sie auf die Durchdringung der Kanalvorlage, nament¬
lich des Mittellandkanals legt, durch die Wiedereinbringung hinreichend scharf
betont. Die Agrarier können daraus schließen, daß sie geneigt sein wird, ihren
^ollforderungen um so eher nachzugeben, und daß sich auch die Großindustriellen
im Westen, die vou dein Kanalbau besonders große Vorteile erwarten, um
so eher zu dem Zugeständnis hoher Getreidezölle, womöglich durch Fest¬
legung von Minimalsätzen im neuen Generaltnrif verstehn werden, je zäher sie
die Bewilligung der Kanäle davon abhängig machen. Die neu vorgeschlagnen
Kanalbanten, z. B. der Großschiffahrtsweg Berlin-Stettin, können diesen tak¬
tischen Wert der Vorlage für die Agrarier nur erhöhen, und die außerdem
gebvtnen „Kompensationen" werden, obgleich sie den beteiligten Grund¬
besitzern schon einen so beträchtlichen Kapitalgewinn ohne Gegenleistung ver¬
sprechen — er kann auf 50 bis 60 Millionen geschätzt werden —, ihren
Appetit nicht schwächen, sondern nur noch mehr reizen. Es ist nicht anders-
die neue Kanalvorlage bedeutet eine Stärkung der agrarischen Mehrheit in
dem bevorstehenden Kampf um den Zolltarif, und entsprechend eine Schwächung
der Position der verbündeten Regierungen. Das weiß natürlich Graf Bülow
ganz genau, und daß er es weiß, beweist seine Einführnngsrede vom 9. Ja¬
nuar, in der er den bisherigen Kanalgegnern, d. h. der agrarischen Mehrheit,
mit großer Liebenswürdigkeit die Hand zur Verständigung bot. Er hat darin
sehr klug gehandelt und seiner Pflicht als preußischer Ministerpräsident und
mis Reichskanzler nur entsprochen.
Denn wo ist die Mehrheit im Volke, mit der er im Kampf gegen die
Agrarier rechnen könnte? Wo ist vorläufig auch nur die Minderheit, von der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |