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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Alexander Tille über England.

Herr Dr. Alexander Tille ist bekanntlich
durch die Flegeleien der Glasgower Studenten, die ihm die Äußerung seines Mit¬
gefühls mit den Buren zugezogen hat, bewogen worden, seinem Adoptivvnterlande
den Rücken zu kehren und sein deutsches Geburtsland wieder aufzusuchen. Er be¬
richtet nun in einem Buche über die Erfahrungen, die er in seiner zehnjährigen
Professorenwirksamkeit in Schottland gesammelt hat, und fragt im Vorwort: "Ob
diese persönlichen Erlebnisse seben jene Flegeleien^ etwas wie einen Schatten auf
die Erfahrungen geworfen haben, die in diesem Buche niedergelegt sind?" Ganz
gewiß haben sie das, oder genauer gesagt, sie haben ihm die Perspektive verschoben
bei seinem Rückblick auf die englische Entwicklung, wie schon der Titel des Buches
und seine Erklärung beweist. Aus Englands Flegeljahren (Dresden und
Leipzig, Carl Reißner, 1991) betitelt er es und beginnt das Vorwort mit den
Sätzen: "Bis zum Ende der achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts reicht
die Kindheit des modernen Englands, in ihr ist das englische Volk glücklich ge¬
wesen wie nnr je ein Volk. Nach Herzenslust hat es sich daheim mit allem be¬
lustigt, was einer Kinderseele Freude machen kann, mit den bunten Puppen des
Liberalismus usw." Seit 1890 habe die politische, wirtschaftliche und soziale Ent¬
wicklung plötzlich diesem kindlichen Austoben ungeahnte Grenzen gezogen, und da
seien die Engländer ungebärdig und ungezogen geworden, wie der Knabe in den
Flegeljahren. Die Engländer des neunzehnten Jahrhunderts harmlose, glückliche
Kiuder! Diese Engländer, deren Heuchelei Lord Bhron gegeißelt, und deren herr¬
schenden Typus Dickens im Mr. Gradgrind gezeichnet hat! Diese Engländer, deren
Glück die Brandfackeln der Chartisten beleuchte", die irischen und die indischen
Hungersnöte als Folie verschönern! Diese Engländer, von denen die einen in
heuchlerischer Muckerei das Lachen verlernt haben, die andern, die Arbeiter, über
einen Witz nicht mehr lachen können, weil sie in der Tretmühle der Arbeit dumm
geworden sind und ihn nicht mehr verstehn! Und die englische Flegelei ist doch
wahrhaftig schon seit hundert Jahren berühmt genug, sodaß man zu ihrer Erklärung
den wirtschaftlichen Rückgang der letzten zehn Jahre nicht zu Hilfe zu nehmen
braucht. Sollen durchaus Lebensalter zum Vergleich herangezogen werden, so können
es nur das Mannes- und das Greisenalter sein. Männer: harte, kalte, kluge, be¬
rechnende, ausschließlich von Habgier geleitete Männer sind die Engländer des
neunzehnten Jahrhunderts gewesen, und jetzt machen sich bei ihnen die Vorboten
des Greisenalters bemerkbar: die Gierigkeit wächst noch, aber die Kräfte nehmen ab.

Zu den Hauptursachen, die den Verlust der englischen Überlegenheit in Handel
und Industrie verschulden sollen, rechnet Tille die nach seiner Ansicht unheilvolle
Thätigkeit der Gewerkvereine, die durch übertriebne Lohnforderungen und Aufstände
die Unternehmungen lähmen, dnrch Widerstand gegen Verbesserungen den technischen
Fortschritt hemmen und dnrch zünftlerische Absperrung den Zufluß tüchtiger, frischer
Kräfte erschweren. Mit diesen Schädigungen mag es seine Richtigkeit haben, aber
wenn Tille den Nutzen, der sie aufwiegt und wahrscheinlich überwiegt, einfach leugnet,
so wird er dazu weniger durch seine Erfahrungen gezwungen als durch seinen
orthodoxen Darwinismus verleitet, und wir glauben Männern, die in keinem solchen
theoretischen Vorurteile befangen sind, z. V. einem Hans von Nostitz, mehr als ihm.
Daß er sich, als Schüler von Brentano, in England enttäuscht sah, ist ganz natürlich.
Die Schule Brentanos ist nämlich genan in demselben darwinistischen Irrtum be¬
fangen wie Tille; beide glauben, daß alles spätere, was die natürliche Auslese
hervorbringt, besser sei als das vorhergehende, das absterbende ältere, und daß diese
vermeintliche Vervollkommnung der Tierarten, von denen der Mensch eine ist, der
Werkzeuge und der Gesellschaftsorgcmismen geradlinig fortschreiten werde bis an das
Ende der Zeiten. Der Unterschied zwischen der Schule und dem rebellischen Schüler


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Alexander Tille über England.

Herr Dr. Alexander Tille ist bekanntlich
durch die Flegeleien der Glasgower Studenten, die ihm die Äußerung seines Mit¬
gefühls mit den Buren zugezogen hat, bewogen worden, seinem Adoptivvnterlande
den Rücken zu kehren und sein deutsches Geburtsland wieder aufzusuchen. Er be¬
richtet nun in einem Buche über die Erfahrungen, die er in seiner zehnjährigen
Professorenwirksamkeit in Schottland gesammelt hat, und fragt im Vorwort: „Ob
diese persönlichen Erlebnisse seben jene Flegeleien^ etwas wie einen Schatten auf
die Erfahrungen geworfen haben, die in diesem Buche niedergelegt sind?" Ganz
gewiß haben sie das, oder genauer gesagt, sie haben ihm die Perspektive verschoben
bei seinem Rückblick auf die englische Entwicklung, wie schon der Titel des Buches
und seine Erklärung beweist. Aus Englands Flegeljahren (Dresden und
Leipzig, Carl Reißner, 1991) betitelt er es und beginnt das Vorwort mit den
Sätzen: „Bis zum Ende der achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts reicht
die Kindheit des modernen Englands, in ihr ist das englische Volk glücklich ge¬
wesen wie nnr je ein Volk. Nach Herzenslust hat es sich daheim mit allem be¬
lustigt, was einer Kinderseele Freude machen kann, mit den bunten Puppen des
Liberalismus usw." Seit 1890 habe die politische, wirtschaftliche und soziale Ent¬
wicklung plötzlich diesem kindlichen Austoben ungeahnte Grenzen gezogen, und da
seien die Engländer ungebärdig und ungezogen geworden, wie der Knabe in den
Flegeljahren. Die Engländer des neunzehnten Jahrhunderts harmlose, glückliche
Kiuder! Diese Engländer, deren Heuchelei Lord Bhron gegeißelt, und deren herr¬
schenden Typus Dickens im Mr. Gradgrind gezeichnet hat! Diese Engländer, deren
Glück die Brandfackeln der Chartisten beleuchte», die irischen und die indischen
Hungersnöte als Folie verschönern! Diese Engländer, von denen die einen in
heuchlerischer Muckerei das Lachen verlernt haben, die andern, die Arbeiter, über
einen Witz nicht mehr lachen können, weil sie in der Tretmühle der Arbeit dumm
geworden sind und ihn nicht mehr verstehn! Und die englische Flegelei ist doch
wahrhaftig schon seit hundert Jahren berühmt genug, sodaß man zu ihrer Erklärung
den wirtschaftlichen Rückgang der letzten zehn Jahre nicht zu Hilfe zu nehmen
braucht. Sollen durchaus Lebensalter zum Vergleich herangezogen werden, so können
es nur das Mannes- und das Greisenalter sein. Männer: harte, kalte, kluge, be¬
rechnende, ausschließlich von Habgier geleitete Männer sind die Engländer des
neunzehnten Jahrhunderts gewesen, und jetzt machen sich bei ihnen die Vorboten
des Greisenalters bemerkbar: die Gierigkeit wächst noch, aber die Kräfte nehmen ab.

Zu den Hauptursachen, die den Verlust der englischen Überlegenheit in Handel
und Industrie verschulden sollen, rechnet Tille die nach seiner Ansicht unheilvolle
Thätigkeit der Gewerkvereine, die durch übertriebne Lohnforderungen und Aufstände
die Unternehmungen lähmen, dnrch Widerstand gegen Verbesserungen den technischen
Fortschritt hemmen und dnrch zünftlerische Absperrung den Zufluß tüchtiger, frischer
Kräfte erschweren. Mit diesen Schädigungen mag es seine Richtigkeit haben, aber
wenn Tille den Nutzen, der sie aufwiegt und wahrscheinlich überwiegt, einfach leugnet,
so wird er dazu weniger durch seine Erfahrungen gezwungen als durch seinen
orthodoxen Darwinismus verleitet, und wir glauben Männern, die in keinem solchen
theoretischen Vorurteile befangen sind, z. V. einem Hans von Nostitz, mehr als ihm.
Daß er sich, als Schüler von Brentano, in England enttäuscht sah, ist ganz natürlich.
Die Schule Brentanos ist nämlich genan in demselben darwinistischen Irrtum be¬
fangen wie Tille; beide glauben, daß alles spätere, was die natürliche Auslese
hervorbringt, besser sei als das vorhergehende, das absterbende ältere, und daß diese
vermeintliche Vervollkommnung der Tierarten, von denen der Mensch eine ist, der
Werkzeuge und der Gesellschaftsorgcmismen geradlinig fortschreiten werde bis an das
Ende der Zeiten. Der Unterschied zwischen der Schule und dem rebellischen Schüler


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[0206] Maßgebliches und Unmaßgebliches Alexander Tille über England. Herr Dr. Alexander Tille ist bekanntlich durch die Flegeleien der Glasgower Studenten, die ihm die Äußerung seines Mit¬ gefühls mit den Buren zugezogen hat, bewogen worden, seinem Adoptivvnterlande den Rücken zu kehren und sein deutsches Geburtsland wieder aufzusuchen. Er be¬ richtet nun in einem Buche über die Erfahrungen, die er in seiner zehnjährigen Professorenwirksamkeit in Schottland gesammelt hat, und fragt im Vorwort: „Ob diese persönlichen Erlebnisse seben jene Flegeleien^ etwas wie einen Schatten auf die Erfahrungen geworfen haben, die in diesem Buche niedergelegt sind?" Ganz gewiß haben sie das, oder genauer gesagt, sie haben ihm die Perspektive verschoben bei seinem Rückblick auf die englische Entwicklung, wie schon der Titel des Buches und seine Erklärung beweist. Aus Englands Flegeljahren (Dresden und Leipzig, Carl Reißner, 1991) betitelt er es und beginnt das Vorwort mit den Sätzen: „Bis zum Ende der achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts reicht die Kindheit des modernen Englands, in ihr ist das englische Volk glücklich ge¬ wesen wie nnr je ein Volk. Nach Herzenslust hat es sich daheim mit allem be¬ lustigt, was einer Kinderseele Freude machen kann, mit den bunten Puppen des Liberalismus usw." Seit 1890 habe die politische, wirtschaftliche und soziale Ent¬ wicklung plötzlich diesem kindlichen Austoben ungeahnte Grenzen gezogen, und da seien die Engländer ungebärdig und ungezogen geworden, wie der Knabe in den Flegeljahren. Die Engländer des neunzehnten Jahrhunderts harmlose, glückliche Kiuder! Diese Engländer, deren Heuchelei Lord Bhron gegeißelt, und deren herr¬ schenden Typus Dickens im Mr. Gradgrind gezeichnet hat! Diese Engländer, deren Glück die Brandfackeln der Chartisten beleuchte», die irischen und die indischen Hungersnöte als Folie verschönern! Diese Engländer, von denen die einen in heuchlerischer Muckerei das Lachen verlernt haben, die andern, die Arbeiter, über einen Witz nicht mehr lachen können, weil sie in der Tretmühle der Arbeit dumm geworden sind und ihn nicht mehr verstehn! Und die englische Flegelei ist doch wahrhaftig schon seit hundert Jahren berühmt genug, sodaß man zu ihrer Erklärung den wirtschaftlichen Rückgang der letzten zehn Jahre nicht zu Hilfe zu nehmen braucht. Sollen durchaus Lebensalter zum Vergleich herangezogen werden, so können es nur das Mannes- und das Greisenalter sein. Männer: harte, kalte, kluge, be¬ rechnende, ausschließlich von Habgier geleitete Männer sind die Engländer des neunzehnten Jahrhunderts gewesen, und jetzt machen sich bei ihnen die Vorboten des Greisenalters bemerkbar: die Gierigkeit wächst noch, aber die Kräfte nehmen ab. Zu den Hauptursachen, die den Verlust der englischen Überlegenheit in Handel und Industrie verschulden sollen, rechnet Tille die nach seiner Ansicht unheilvolle Thätigkeit der Gewerkvereine, die durch übertriebne Lohnforderungen und Aufstände die Unternehmungen lähmen, dnrch Widerstand gegen Verbesserungen den technischen Fortschritt hemmen und dnrch zünftlerische Absperrung den Zufluß tüchtiger, frischer Kräfte erschweren. Mit diesen Schädigungen mag es seine Richtigkeit haben, aber wenn Tille den Nutzen, der sie aufwiegt und wahrscheinlich überwiegt, einfach leugnet, so wird er dazu weniger durch seine Erfahrungen gezwungen als durch seinen orthodoxen Darwinismus verleitet, und wir glauben Männern, die in keinem solchen theoretischen Vorurteile befangen sind, z. V. einem Hans von Nostitz, mehr als ihm. Daß er sich, als Schüler von Brentano, in England enttäuscht sah, ist ganz natürlich. Die Schule Brentanos ist nämlich genan in demselben darwinistischen Irrtum be¬ fangen wie Tille; beide glauben, daß alles spätere, was die natürliche Auslese hervorbringt, besser sei als das vorhergehende, das absterbende ältere, und daß diese vermeintliche Vervollkommnung der Tierarten, von denen der Mensch eine ist, der Werkzeuge und der Gesellschaftsorgcmismen geradlinig fortschreiten werde bis an das Ende der Zeiten. Der Unterschied zwischen der Schule und dem rebellischen Schüler

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/206>, abgerufen am 01.07.2024.