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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Uninaßgebliches

Frage, ob der Teufel oder die Kohle der Mörder gewesen sei, zu Ungunsten der
Kohle entschieden, da jammerten die "Unschuldigen Nachrichten," das sei eine offen¬
bare Probe der thränenwerten Lizenz, so unter uns eingerissen, und die, wenn man
ihr nicht ernstlich wehre, die vornehmsten Wohlthaten Gottes verschlingen werde,
Preußen gebührt die Ehre, zuerst dem Unwesen gesteuert zu habe", aber der Minister
von Plotho setzte immerhin noch durch seine Kühnheit die Welt in Staunen, als
er dem König Friedrich Wilhelm I, ein Edikt zur Unterzeichnung vorlegte, das
zwar den Hexenprozeß nicht aufhob, aber ein gewissenhaftes Verfahren vorschrieb,
damit nicht auf leichtfertige Anzeige hin Unschuldige auf die Folterbank und ums
Leben gebracht würden. Den berühmten sächsischen Juristen Benedikt Carpzvw er¬
wähnt Hoensbroech zwar in einer Polemik gegen den Jesuiten Duhr als "Hexen-
brenncr großen Stils," aber er sagt Nieder, daß auf das Urteil dieses Maunes hin
Tausende von Hexen verbrannt worden sind, noch daß er schon die Leugnung der
Zauberei als schweres Verbrechen bestraft wissen wollte. Hoensbroech entgegnet
Duhr, Carpzow habe sich ja auf die katholischen Klassiker des Hexenwahns, be¬
sonders auf den Hexenhammer berufen. Nun verabscheuten aber die deutschen
Lutheraner den römischen Antichrist dermaßen, daß sie nicht das geringste von ihm
annehmen wollten, und sich unter anderen mit Händen und Füßen gegen die
gregorianische Kalenderresorm sträubten. Da sie wüßten, erklärten die Tübinger
Theologen in ihrem am 24. November 1583 ausgestellten Bedenken, daß der
Papst nicht ein Hirt in der evangelischen Kirche, sondern der Antichrist selbst sei,
so müßten sie sich auch seines Kalenders entschlagen. Wenn sie nun gerade einzig
nud allein mit den Hexenprozessen eine Ausnahme machten, und ihre Liebe zu
dieser Teufelei sich sogar stärker erwies als ihr Haß gegen das Papsttum, was
für jeden Kenner dieser Herren wirklich viel sagen will, so müssen sie doch den
katholischen Hexenrichtern so seelenverwandt gewesen sein, daß sie imstande gewesen
wären, den Greuel selbst zu erfinden, wenn sie ihn nicht schon vorgefunden hätten.
Und eben dieses ist das Wichtige, ja das durch keine andre historische Erscheinung
zu Ersetzende an der Sache; sie lehrt: daß keine Form und Reform der christ¬
lichen Kirche für sich allein, wenn nicht andre Mächte zu Hilfe kommen, die Mensch¬
heit vor den gröbsten Verirrungen zu bewahren vermag.

Hat die Wissenschaft dem Papsttum seinen Nimbus genommen, so darf und
muß sie auch ihm und seinen Vertretern, die nun gewöhnliche Menschen sind, für
ihre Vergehungen den mildernden Umstand zubilligen, daß sie, gleich allen andern
Einrichtungen und Menschen, Erzeugnisse und Kinder ihrer Zeit und ihres Volkes
sind; es geht nicht an, die ganze Verantwortung für die Hexengreucl den Päpsten
allein zuzuschieben, wie Hoeusbroech thut. Zunächst würde eine wissenschaftliche
Behandlung dieser Dinge hervorzuheben haben, daß aus dem Neuen Testament der
Glaube an Zauberei, Besessenheit, Teufel und Hölle, sowie die ewige Verdammnis
der Ungläubigen bewiesen werden kann, und daß logischen Köpfen -- giebt es doch
nichts Unvernünftiges, wozu strenge Logik nicht verleitete -- der Gedanke nahe
liegt, aus reiner Barmherzigkeit eine Minderheit von Leibern in einem kurz
währenden Feuer zu verbrennen, um die Mehrheit vor den ewigen Flammen zu
bewahren. Ist dann das Unheil einmal im Gange, so sorgen die niedern Triebe
der Menschennatur dafür, daß die Barmherzigkeit durch Blutdurst, Lüsternheit, Hab¬
sucht nud Nachsucht verdrängt wird. Denn wäre zu erwägen, daß vom Kaiser
Konstantins an die byzantinischen Kaiser, Kaiserinnen und Höflinge die kirchlichen
Dinge zu politischen gemacht, das Heidentum gewaltsam ausgerottet und die jedes¬
malige kirchliche Gegenpartei unter dem Namen der Häresie grausam verfolgt haben.
Ferner, daß im Abendlande der Thrvuräuber Maximus der erste gewesen ist, der
im Jahre 385 in Trier einen Ketzer, Priscillian, hat hinrichten lassen, und daß


Maßgebliches und Uninaßgebliches

Frage, ob der Teufel oder die Kohle der Mörder gewesen sei, zu Ungunsten der
Kohle entschieden, da jammerten die „Unschuldigen Nachrichten," das sei eine offen¬
bare Probe der thränenwerten Lizenz, so unter uns eingerissen, und die, wenn man
ihr nicht ernstlich wehre, die vornehmsten Wohlthaten Gottes verschlingen werde,
Preußen gebührt die Ehre, zuerst dem Unwesen gesteuert zu habe», aber der Minister
von Plotho setzte immerhin noch durch seine Kühnheit die Welt in Staunen, als
er dem König Friedrich Wilhelm I, ein Edikt zur Unterzeichnung vorlegte, das
zwar den Hexenprozeß nicht aufhob, aber ein gewissenhaftes Verfahren vorschrieb,
damit nicht auf leichtfertige Anzeige hin Unschuldige auf die Folterbank und ums
Leben gebracht würden. Den berühmten sächsischen Juristen Benedikt Carpzvw er¬
wähnt Hoensbroech zwar in einer Polemik gegen den Jesuiten Duhr als „Hexen-
brenncr großen Stils," aber er sagt Nieder, daß auf das Urteil dieses Maunes hin
Tausende von Hexen verbrannt worden sind, noch daß er schon die Leugnung der
Zauberei als schweres Verbrechen bestraft wissen wollte. Hoensbroech entgegnet
Duhr, Carpzow habe sich ja auf die katholischen Klassiker des Hexenwahns, be¬
sonders auf den Hexenhammer berufen. Nun verabscheuten aber die deutschen
Lutheraner den römischen Antichrist dermaßen, daß sie nicht das geringste von ihm
annehmen wollten, und sich unter anderen mit Händen und Füßen gegen die
gregorianische Kalenderresorm sträubten. Da sie wüßten, erklärten die Tübinger
Theologen in ihrem am 24. November 1583 ausgestellten Bedenken, daß der
Papst nicht ein Hirt in der evangelischen Kirche, sondern der Antichrist selbst sei,
so müßten sie sich auch seines Kalenders entschlagen. Wenn sie nun gerade einzig
nud allein mit den Hexenprozessen eine Ausnahme machten, und ihre Liebe zu
dieser Teufelei sich sogar stärker erwies als ihr Haß gegen das Papsttum, was
für jeden Kenner dieser Herren wirklich viel sagen will, so müssen sie doch den
katholischen Hexenrichtern so seelenverwandt gewesen sein, daß sie imstande gewesen
wären, den Greuel selbst zu erfinden, wenn sie ihn nicht schon vorgefunden hätten.
Und eben dieses ist das Wichtige, ja das durch keine andre historische Erscheinung
zu Ersetzende an der Sache; sie lehrt: daß keine Form und Reform der christ¬
lichen Kirche für sich allein, wenn nicht andre Mächte zu Hilfe kommen, die Mensch¬
heit vor den gröbsten Verirrungen zu bewahren vermag.

Hat die Wissenschaft dem Papsttum seinen Nimbus genommen, so darf und
muß sie auch ihm und seinen Vertretern, die nun gewöhnliche Menschen sind, für
ihre Vergehungen den mildernden Umstand zubilligen, daß sie, gleich allen andern
Einrichtungen und Menschen, Erzeugnisse und Kinder ihrer Zeit und ihres Volkes
sind; es geht nicht an, die ganze Verantwortung für die Hexengreucl den Päpsten
allein zuzuschieben, wie Hoeusbroech thut. Zunächst würde eine wissenschaftliche
Behandlung dieser Dinge hervorzuheben haben, daß aus dem Neuen Testament der
Glaube an Zauberei, Besessenheit, Teufel und Hölle, sowie die ewige Verdammnis
der Ungläubigen bewiesen werden kann, und daß logischen Köpfen — giebt es doch
nichts Unvernünftiges, wozu strenge Logik nicht verleitete — der Gedanke nahe
liegt, aus reiner Barmherzigkeit eine Minderheit von Leibern in einem kurz
währenden Feuer zu verbrennen, um die Mehrheit vor den ewigen Flammen zu
bewahren. Ist dann das Unheil einmal im Gange, so sorgen die niedern Triebe
der Menschennatur dafür, daß die Barmherzigkeit durch Blutdurst, Lüsternheit, Hab¬
sucht nud Nachsucht verdrängt wird. Denn wäre zu erwägen, daß vom Kaiser
Konstantins an die byzantinischen Kaiser, Kaiserinnen und Höflinge die kirchlichen
Dinge zu politischen gemacht, das Heidentum gewaltsam ausgerottet und die jedes¬
malige kirchliche Gegenpartei unter dem Namen der Häresie grausam verfolgt haben.
Ferner, daß im Abendlande der Thrvuräuber Maximus der erste gewesen ist, der
im Jahre 385 in Trier einen Ketzer, Priscillian, hat hinrichten lassen, und daß


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[0203] Maßgebliches und Uninaßgebliches Frage, ob der Teufel oder die Kohle der Mörder gewesen sei, zu Ungunsten der Kohle entschieden, da jammerten die „Unschuldigen Nachrichten," das sei eine offen¬ bare Probe der thränenwerten Lizenz, so unter uns eingerissen, und die, wenn man ihr nicht ernstlich wehre, die vornehmsten Wohlthaten Gottes verschlingen werde, Preußen gebührt die Ehre, zuerst dem Unwesen gesteuert zu habe», aber der Minister von Plotho setzte immerhin noch durch seine Kühnheit die Welt in Staunen, als er dem König Friedrich Wilhelm I, ein Edikt zur Unterzeichnung vorlegte, das zwar den Hexenprozeß nicht aufhob, aber ein gewissenhaftes Verfahren vorschrieb, damit nicht auf leichtfertige Anzeige hin Unschuldige auf die Folterbank und ums Leben gebracht würden. Den berühmten sächsischen Juristen Benedikt Carpzvw er¬ wähnt Hoensbroech zwar in einer Polemik gegen den Jesuiten Duhr als „Hexen- brenncr großen Stils," aber er sagt Nieder, daß auf das Urteil dieses Maunes hin Tausende von Hexen verbrannt worden sind, noch daß er schon die Leugnung der Zauberei als schweres Verbrechen bestraft wissen wollte. Hoensbroech entgegnet Duhr, Carpzow habe sich ja auf die katholischen Klassiker des Hexenwahns, be¬ sonders auf den Hexenhammer berufen. Nun verabscheuten aber die deutschen Lutheraner den römischen Antichrist dermaßen, daß sie nicht das geringste von ihm annehmen wollten, und sich unter anderen mit Händen und Füßen gegen die gregorianische Kalenderresorm sträubten. Da sie wüßten, erklärten die Tübinger Theologen in ihrem am 24. November 1583 ausgestellten Bedenken, daß der Papst nicht ein Hirt in der evangelischen Kirche, sondern der Antichrist selbst sei, so müßten sie sich auch seines Kalenders entschlagen. Wenn sie nun gerade einzig nud allein mit den Hexenprozessen eine Ausnahme machten, und ihre Liebe zu dieser Teufelei sich sogar stärker erwies als ihr Haß gegen das Papsttum, was für jeden Kenner dieser Herren wirklich viel sagen will, so müssen sie doch den katholischen Hexenrichtern so seelenverwandt gewesen sein, daß sie imstande gewesen wären, den Greuel selbst zu erfinden, wenn sie ihn nicht schon vorgefunden hätten. Und eben dieses ist das Wichtige, ja das durch keine andre historische Erscheinung zu Ersetzende an der Sache; sie lehrt: daß keine Form und Reform der christ¬ lichen Kirche für sich allein, wenn nicht andre Mächte zu Hilfe kommen, die Mensch¬ heit vor den gröbsten Verirrungen zu bewahren vermag. Hat die Wissenschaft dem Papsttum seinen Nimbus genommen, so darf und muß sie auch ihm und seinen Vertretern, die nun gewöhnliche Menschen sind, für ihre Vergehungen den mildernden Umstand zubilligen, daß sie, gleich allen andern Einrichtungen und Menschen, Erzeugnisse und Kinder ihrer Zeit und ihres Volkes sind; es geht nicht an, die ganze Verantwortung für die Hexengreucl den Päpsten allein zuzuschieben, wie Hoeusbroech thut. Zunächst würde eine wissenschaftliche Behandlung dieser Dinge hervorzuheben haben, daß aus dem Neuen Testament der Glaube an Zauberei, Besessenheit, Teufel und Hölle, sowie die ewige Verdammnis der Ungläubigen bewiesen werden kann, und daß logischen Köpfen — giebt es doch nichts Unvernünftiges, wozu strenge Logik nicht verleitete — der Gedanke nahe liegt, aus reiner Barmherzigkeit eine Minderheit von Leibern in einem kurz währenden Feuer zu verbrennen, um die Mehrheit vor den ewigen Flammen zu bewahren. Ist dann das Unheil einmal im Gange, so sorgen die niedern Triebe der Menschennatur dafür, daß die Barmherzigkeit durch Blutdurst, Lüsternheit, Hab¬ sucht nud Nachsucht verdrängt wird. Denn wäre zu erwägen, daß vom Kaiser Konstantins an die byzantinischen Kaiser, Kaiserinnen und Höflinge die kirchlichen Dinge zu politischen gemacht, das Heidentum gewaltsam ausgerottet und die jedes¬ malige kirchliche Gegenpartei unter dem Namen der Häresie grausam verfolgt haben. Ferner, daß im Abendlande der Thrvuräuber Maximus der erste gewesen ist, der im Jahre 385 in Trier einen Ketzer, Priscillian, hat hinrichten lassen, und daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/203>, abgerufen am 01.07.2024.