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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Herbsttage in der Lisel

rühren konnte, wo die einstigen Herren dieses Landes, die Römer, die Priapos-
hermen ihrer Gärten und Äcker mit Fruchtguirlnndeu rnnwandcn?

Den Nachmittag benutzte ich zu einer Wandrung südlich von der Stadt,
In der Burgaue überschritt ich die Nur und stieg durch den Fichtenwald zur
Höhe empor, Vou hier aus bietet sich dem Auge eine umfassende Fernsicht
über das Hochplateau des Hohen Venus, Gewöhnlich liegt über dieser un¬
wirtlichen Movrfläche eine dichte Nebelschicht, heute war jedoch die Luft so
klar, daß ich bis zum Horizont alle Einzelheiten deutlich zu erkennen ver¬
mochte. Das Dörfchen Mützenich lag, hell von der Sonne beschienen, gerade
vor mir; nach Westen und Südwesten zu wechselten unabsehbare Strecken
braunen Ödlands mit grünen Wäldern, Wo sich die Nur in weiter Ferne
zwischen den leichtgewellten Höhenzügen verliert, liegt die höchste Erhebung
des ganzen Geländes, die 695 Meter hohe Botrcmche. Das Rnrthal ober¬
halb Montjoies und das Thal des Perleubachs, der hier in die Nur mündet,
zeigen genau denselben landschaftlichen Charakter wie das Urftthal bei Gemünd,
Auch hier springen bei jeder Krümmung des Flußbetts schroffe Schieferfelseu
weit ins Thal vor. Die meisten sind dank der Bemühungen des ungemein
thätigen Verschönernngsvereins zugänglich gemacht und mit einfachen Sitzbäulen
versehen worden, Bon der Thalsohle aus kam? man diese unter Tannengrün
halb versteckten Anfluge leicht an den weiß-roten Fähnchen erkennen, die überall
lustig flattern, wo es etwas Schönes zu sehen giebt.

Was die Spaziergänge in dieser Gegend so anziehend macht, ist der fort¬
währende Wechsel von friedlicher Waldeinsamkeit und wilder Felsromantik. Ich
schritt auf der glatten braunen Nadelschicht des Fichtenhains wie ans einem
Parkettboden dahin. Hie und da fiel ein Strahl der sich zum Horizont
neigenden Sonne durch das Waldesdüster. Dann glühte" die Stämme wie
von bengalischen Rotfener beschienen, und die Fliegenschwamme, die hier mit
andern, schwefelgelben Pilzen vereint in ganzen Gruppen standen, leuchteten
so verlockend, als hätten sich darauf abgesehen, den Wandrer zu bethören.
Und wenn ich dann an eine Lichtung kam und ans die Steinkanzel der Engelsley,
der Tenfelsleh, und wie die Felsen alle heißen mögen, hinaustrat, dann lag
das stille Thal mit seinem smaragdgrünen Wiesengrunde, längst schon von den
Bergen des andern Ufers beschattet, zu meinen Füßen, das Murmeln des
Wassers drang zu meinen, Ohre herauf, und rings über den Höhen flimmerte
das warme Licht, als könne der köstliche Herbsttag nie zu Ende geht,.

Berauscht von all dein Schönen, das ich hier oben genossen hatte, stieg
ich ins Perlenbachthal hinab, wo das eisigkalte Wasser schon eine empfindbare
Kühle verbreitete. Der Perlenband hat seinen Namen von den darin gefundnen
Flnßperlmuscheln, deren Fang während der knrpfnlzischen Herrschaft ein Regal
der Negierung war. Wie eisersüchtig diese über ihren kostbaren Besitz wachte,
ergiebt sich schon aus der drakonischen Verordnung, daß jeder, der beim Muschel¬
suchen ertappt werden würde, ohne Pardon aufgeknüpft werden sollte. Heikle
kaun mau ohne sonderliche Anfechtungen am Ufer des muntern Bachs spazieren


Herbsttage in der Lisel

rühren konnte, wo die einstigen Herren dieses Landes, die Römer, die Priapos-
hermen ihrer Gärten und Äcker mit Fruchtguirlnndeu rnnwandcn?

Den Nachmittag benutzte ich zu einer Wandrung südlich von der Stadt,
In der Burgaue überschritt ich die Nur und stieg durch den Fichtenwald zur
Höhe empor, Vou hier aus bietet sich dem Auge eine umfassende Fernsicht
über das Hochplateau des Hohen Venus, Gewöhnlich liegt über dieser un¬
wirtlichen Movrfläche eine dichte Nebelschicht, heute war jedoch die Luft so
klar, daß ich bis zum Horizont alle Einzelheiten deutlich zu erkennen ver¬
mochte. Das Dörfchen Mützenich lag, hell von der Sonne beschienen, gerade
vor mir; nach Westen und Südwesten zu wechselten unabsehbare Strecken
braunen Ödlands mit grünen Wäldern, Wo sich die Nur in weiter Ferne
zwischen den leichtgewellten Höhenzügen verliert, liegt die höchste Erhebung
des ganzen Geländes, die 695 Meter hohe Botrcmche. Das Rnrthal ober¬
halb Montjoies und das Thal des Perleubachs, der hier in die Nur mündet,
zeigen genau denselben landschaftlichen Charakter wie das Urftthal bei Gemünd,
Auch hier springen bei jeder Krümmung des Flußbetts schroffe Schieferfelseu
weit ins Thal vor. Die meisten sind dank der Bemühungen des ungemein
thätigen Verschönernngsvereins zugänglich gemacht und mit einfachen Sitzbäulen
versehen worden, Bon der Thalsohle aus kam? man diese unter Tannengrün
halb versteckten Anfluge leicht an den weiß-roten Fähnchen erkennen, die überall
lustig flattern, wo es etwas Schönes zu sehen giebt.

Was die Spaziergänge in dieser Gegend so anziehend macht, ist der fort¬
währende Wechsel von friedlicher Waldeinsamkeit und wilder Felsromantik. Ich
schritt auf der glatten braunen Nadelschicht des Fichtenhains wie ans einem
Parkettboden dahin. Hie und da fiel ein Strahl der sich zum Horizont
neigenden Sonne durch das Waldesdüster. Dann glühte» die Stämme wie
von bengalischen Rotfener beschienen, und die Fliegenschwamme, die hier mit
andern, schwefelgelben Pilzen vereint in ganzen Gruppen standen, leuchteten
so verlockend, als hätten sich darauf abgesehen, den Wandrer zu bethören.
Und wenn ich dann an eine Lichtung kam und ans die Steinkanzel der Engelsley,
der Tenfelsleh, und wie die Felsen alle heißen mögen, hinaustrat, dann lag
das stille Thal mit seinem smaragdgrünen Wiesengrunde, längst schon von den
Bergen des andern Ufers beschattet, zu meinen Füßen, das Murmeln des
Wassers drang zu meinen, Ohre herauf, und rings über den Höhen flimmerte
das warme Licht, als könne der köstliche Herbsttag nie zu Ende geht,.

Berauscht von all dein Schönen, das ich hier oben genossen hatte, stieg
ich ins Perlenbachthal hinab, wo das eisigkalte Wasser schon eine empfindbare
Kühle verbreitete. Der Perlenband hat seinen Namen von den darin gefundnen
Flnßperlmuscheln, deren Fang während der knrpfnlzischen Herrschaft ein Regal
der Negierung war. Wie eisersüchtig diese über ihren kostbaren Besitz wachte,
ergiebt sich schon aus der drakonischen Verordnung, daß jeder, der beim Muschel¬
suchen ertappt werden würde, ohne Pardon aufgeknüpft werden sollte. Heikle
kaun mau ohne sonderliche Anfechtungen am Ufer des muntern Bachs spazieren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/184>, abgerufen am 02.10.2024.