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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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schälkelen. Ihre Residenz, mächtige Barockbauten mit Mauern und Türmchen,
zeugt noch von vergangner Herrlichkeit. Ganz in der Nähe von Urft stoßen
wir auf die räumlich benachbarten Denkmäler zweier Weltkulturperivden: den
Römerkanal, der die Militärquartiere am Niederrhein mit dem trefflichen
Trinkwasser der Eifel versorgte, und die einst reichsunmittelbare Prümon-
stratenserabtei Steinfeld auf dem Bergplatcau am linken Flußufer.

Über den Nömerkanal, der heute noch die Phantasie des Eifler Volks
beschäftigt und dem Lnndmann für ein Werk des Teufels gilt, ist viel ge¬
schrieben aber auch viel gefabelt worden. Die Behauptung einiger Lokal¬
historiker, der Kanal habe das Wasser der Mosel zum Niederrhein geführt,
bedarf wohl kaum noch der Widerlegung. Ein Blick auf die Landkarte genügt,
auch den Laien, der sich der Erkenntnis nicht verschließt, das Wasser fließe
grundsätzlich nicht bergauf, eiues Bessern zu belehren. Aber auch dann noch,
wenn wir als Ausgangsstelle des Kanals die quellenreichen Kalkberge ober¬
halb des Dorfs Urft annehmen, fordert dieses Meisterwerk römischer Ingenieur-
kunst unsre Hochachtung und Bewundrung heraus. Wir erstaunen über die
genaue Kenntnis der Terrainverhältnisse, die den Erbauern zu Gebote stand.
Wie mir ein Fachmann erklärte, würde die Anlage dieses Kanals auch für
heutige Wasserbaumeister, denen doch ganz andre Instrumente zur Verfügung
stehn, noch als höchst respektable Leistung gelten. Es sei bcwnnderuswert,
wie man das einzige zur Speisung des Kanals geeignete Quellgebiet ermittelt
und seinen Zwecken dienstbar gemacht habe, und es sei nicht minder erstaunlich,
wie man unter sorgfältiger Berücksichtigung der Gesteinslagernng und des Ge-
fälles die Stollen getrieben habe.

Das kalkhaltige Wasser hat seine mineralischen Bestandteile an den
Wänden und auf dem Boden der Leitung in einer dicken Schicht abgesetzt.
Die Brauchbarkeit dieser "Kalksinter" genannten jüngsten Marmorbildnng als
Material für feine, politnrfähige Architekturstücke ist schou früh erkannt worden.
Angeblich schon zu Karls des Großen Zeit haben die rheinischen Kirchenbau-
meister den Kanal als Sintergrube ausgebeutet. Zu den schönsten Werkstücken
aus diesem prächtigen Material gehören zwei Säulen über dem Grabe des
Pfalzgrafen Heinrich in der Laacher Abteikirche.

Gemahre uns der Kanal, der namentlich durch deu Steinbrnchbetrieb in
der Nähe von Urft und Keill streckenweise bloßgelegt worden ist, an die Zeit
der römischen Weltherrschaft, so führt uns die Abtei Steinfeld die Macht¬
stellung der geistlichen Orden im Mittelalter vor Augen. Gleich einer kleinen
Stadt thront das mit einer Ringmauer nmgebne Kloster, in dessen Gebäuden
bellte eine Zwangserziehungsanstalt für mehrere hundert verwahrloste Kinder
katholischer Konfession untergebracht ist, ans seinem Bergrücken -- ein Escorial
oder Monte Cassino im Eifellande. Als Gründungsjahr der Niederlassung
wird 912 genannt; die herrliche Kirche, eine dreischiffige Basilika mit vielen
Seitenkapellen und mächtigem achteckigen Zentralturm, ist seit dein Jahre 1142
erbaut worden. Die Orgelbühne zeigt gotischen, die angebaute Sakristei


schälkelen. Ihre Residenz, mächtige Barockbauten mit Mauern und Türmchen,
zeugt noch von vergangner Herrlichkeit. Ganz in der Nähe von Urft stoßen
wir auf die räumlich benachbarten Denkmäler zweier Weltkulturperivden: den
Römerkanal, der die Militärquartiere am Niederrhein mit dem trefflichen
Trinkwasser der Eifel versorgte, und die einst reichsunmittelbare Prümon-
stratenserabtei Steinfeld auf dem Bergplatcau am linken Flußufer.

Über den Nömerkanal, der heute noch die Phantasie des Eifler Volks
beschäftigt und dem Lnndmann für ein Werk des Teufels gilt, ist viel ge¬
schrieben aber auch viel gefabelt worden. Die Behauptung einiger Lokal¬
historiker, der Kanal habe das Wasser der Mosel zum Niederrhein geführt,
bedarf wohl kaum noch der Widerlegung. Ein Blick auf die Landkarte genügt,
auch den Laien, der sich der Erkenntnis nicht verschließt, das Wasser fließe
grundsätzlich nicht bergauf, eiues Bessern zu belehren. Aber auch dann noch,
wenn wir als Ausgangsstelle des Kanals die quellenreichen Kalkberge ober¬
halb des Dorfs Urft annehmen, fordert dieses Meisterwerk römischer Ingenieur-
kunst unsre Hochachtung und Bewundrung heraus. Wir erstaunen über die
genaue Kenntnis der Terrainverhältnisse, die den Erbauern zu Gebote stand.
Wie mir ein Fachmann erklärte, würde die Anlage dieses Kanals auch für
heutige Wasserbaumeister, denen doch ganz andre Instrumente zur Verfügung
stehn, noch als höchst respektable Leistung gelten. Es sei bcwnnderuswert,
wie man das einzige zur Speisung des Kanals geeignete Quellgebiet ermittelt
und seinen Zwecken dienstbar gemacht habe, und es sei nicht minder erstaunlich,
wie man unter sorgfältiger Berücksichtigung der Gesteinslagernng und des Ge-
fälles die Stollen getrieben habe.

Das kalkhaltige Wasser hat seine mineralischen Bestandteile an den
Wänden und auf dem Boden der Leitung in einer dicken Schicht abgesetzt.
Die Brauchbarkeit dieser „Kalksinter" genannten jüngsten Marmorbildnng als
Material für feine, politnrfähige Architekturstücke ist schou früh erkannt worden.
Angeblich schon zu Karls des Großen Zeit haben die rheinischen Kirchenbau-
meister den Kanal als Sintergrube ausgebeutet. Zu den schönsten Werkstücken
aus diesem prächtigen Material gehören zwei Säulen über dem Grabe des
Pfalzgrafen Heinrich in der Laacher Abteikirche.

Gemahre uns der Kanal, der namentlich durch deu Steinbrnchbetrieb in
der Nähe von Urft und Keill streckenweise bloßgelegt worden ist, an die Zeit
der römischen Weltherrschaft, so führt uns die Abtei Steinfeld die Macht¬
stellung der geistlichen Orden im Mittelalter vor Augen. Gleich einer kleinen
Stadt thront das mit einer Ringmauer nmgebne Kloster, in dessen Gebäuden
bellte eine Zwangserziehungsanstalt für mehrere hundert verwahrloste Kinder
katholischer Konfession untergebracht ist, ans seinem Bergrücken — ein Escorial
oder Monte Cassino im Eifellande. Als Gründungsjahr der Niederlassung
wird 912 genannt; die herrliche Kirche, eine dreischiffige Basilika mit vielen
Seitenkapellen und mächtigem achteckigen Zentralturm, ist seit dein Jahre 1142
erbaut worden. Die Orgelbühne zeigt gotischen, die angebaute Sakristei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/134>, abgerufen am 01.07.2024.