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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Herbsttage in der Lisel

Gemüsebau beeinträchtigen. Am meisten haben die Bohnen darunter zu leiden.
So war im vorigen Jahre am 5. September die ganze Ernte erfroren; Blätter
und Schoten hingen schwarz, gleichsam ihren eignen vorzeitigen Tod betrauernd,
an den Stöcken. Aber eben diese ungünstigen klimatischen Verhältnisse haben
die Bevölkerung dazu veranlaßt, sich von den Launen der Witterung unab¬
hängig zu machen: die Berge bedecken sich mit Fichtenkulturen, der Steinbruch-
und Bergwerksbetrieb blüht, im Thale klappern Mühlen, und in den Dörfern
und Städtchen entstehn mit jedem Jahre neue Fabrikanlagen. Die Eröffnung
der Bahnstrecke Trier-Köln hat in das Urftthal neues Leben gebracht, sie er¬
folgte gerade noch rechtzeitig, die Gewerbethätigkeit der Anwohner, die im
Konkurrenzkampfe mit den begünstigter" Industriegebieten des Niederrheins zu
erlahmen drohte, vor dem Niedergange zu bewahren. Wie alle Eifelgcwässer,
so ist auch die Urft überreich an Forellen, für die neuerdings ein ansehnlicher
Preis erzielt wird. Der Pachtzins für die Fischerei, der früher äußerst gering¬
fügig war, steigt allerdings in letzter Zeit auch, ist aber auch jetzt fast überall
noch so mäßig beimessen, daß der Pächter seine Rechnung dabei findet. In
einem Seitenthale zeigte mau mir beispielsweise einen etwa vier Kilometer
langen Flußlauf, worin die Fischerei zu 30 Mark jährlich verpachtet ist, und
aus dem während der Fangmonate Mai bis September täglich 1 bis 2 Kilo
Forellen entnommen werden. Der Fang wird sast ausschließlich mit der
Augel betrieben, die Anwendung von Netzen ist, wenigstens stellenweise, durch¬
aus verpönt. Fischarme oder richtiger ausgefischte Gewässer sind hier und
da mit kalifornischen Regenbogenforellen besiedelt worden, ein Verfahren, von
dem man jedoch zurückzukommen scheint, weil der Marktwert dieses dnrch
Schuellwüchsigteit sich auszeichnenden Fisches dauernd hinter dem der edeln
Bachforelle zurückbleibt. Daß diese übrigens noch keineswegs ans dem Aus¬
sterbeetat ist, läßt sich aus der Häufigkeit schließen, mit der sie dem Eifcl-
touristeu auf der Gasthaustafel begegnet. Es giebt Sommerfrischen in
der Eifel, in denen noch im letzten Jahre die Gäste eine Verlängerung ihres
Aufenthalts von der Zusicherung des Wirts abhängig machten, er wolle sie
in Zukunft mit Forellen verschonen!

Der erste Ort im Urftthal abwärts vom Blankenheimer Bahnhofe ist
Nettersheim, ein Dörfchen mit alter Steinbruchindustrie, das, seitdem im
Jahre 1894 eine Kuranstalt nach Kneippschem System eröffnet worden ist,
neuen Aufschwung zu nehmen scheint. Die Grundbedingungen zur Kneippkur:
kaltes Wasser und ausgedehnte Wiesen, sind hier reichlich vorhanden und
Werden im Verein mit den prächtigen Waldspaziergängen der Umgegend auch
dann noch Erholungsbedürftige anlocken, wenn das Heilverfahren des Wörris-
hvfer Pfarrherrn längst in die große Rumpelkammer der Arzneiwissenschaft
gewandert sein wird.

Wo sich das Thal erweitert, liegt das Örtchen Urft, und diesem gegen¬
über der Flecken Duldenden, einst der Sitz reicher "Riedmeistcr." So hießen
die Besitzer der alten Eisenhütten, die in dieser Gegend wie kleine Fürsten


Herbsttage in der Lisel

Gemüsebau beeinträchtigen. Am meisten haben die Bohnen darunter zu leiden.
So war im vorigen Jahre am 5. September die ganze Ernte erfroren; Blätter
und Schoten hingen schwarz, gleichsam ihren eignen vorzeitigen Tod betrauernd,
an den Stöcken. Aber eben diese ungünstigen klimatischen Verhältnisse haben
die Bevölkerung dazu veranlaßt, sich von den Launen der Witterung unab¬
hängig zu machen: die Berge bedecken sich mit Fichtenkulturen, der Steinbruch-
und Bergwerksbetrieb blüht, im Thale klappern Mühlen, und in den Dörfern
und Städtchen entstehn mit jedem Jahre neue Fabrikanlagen. Die Eröffnung
der Bahnstrecke Trier-Köln hat in das Urftthal neues Leben gebracht, sie er¬
folgte gerade noch rechtzeitig, die Gewerbethätigkeit der Anwohner, die im
Konkurrenzkampfe mit den begünstigter» Industriegebieten des Niederrheins zu
erlahmen drohte, vor dem Niedergange zu bewahren. Wie alle Eifelgcwässer,
so ist auch die Urft überreich an Forellen, für die neuerdings ein ansehnlicher
Preis erzielt wird. Der Pachtzins für die Fischerei, der früher äußerst gering¬
fügig war, steigt allerdings in letzter Zeit auch, ist aber auch jetzt fast überall
noch so mäßig beimessen, daß der Pächter seine Rechnung dabei findet. In
einem Seitenthale zeigte mau mir beispielsweise einen etwa vier Kilometer
langen Flußlauf, worin die Fischerei zu 30 Mark jährlich verpachtet ist, und
aus dem während der Fangmonate Mai bis September täglich 1 bis 2 Kilo
Forellen entnommen werden. Der Fang wird sast ausschließlich mit der
Augel betrieben, die Anwendung von Netzen ist, wenigstens stellenweise, durch¬
aus verpönt. Fischarme oder richtiger ausgefischte Gewässer sind hier und
da mit kalifornischen Regenbogenforellen besiedelt worden, ein Verfahren, von
dem man jedoch zurückzukommen scheint, weil der Marktwert dieses dnrch
Schuellwüchsigteit sich auszeichnenden Fisches dauernd hinter dem der edeln
Bachforelle zurückbleibt. Daß diese übrigens noch keineswegs ans dem Aus¬
sterbeetat ist, läßt sich aus der Häufigkeit schließen, mit der sie dem Eifcl-
touristeu auf der Gasthaustafel begegnet. Es giebt Sommerfrischen in
der Eifel, in denen noch im letzten Jahre die Gäste eine Verlängerung ihres
Aufenthalts von der Zusicherung des Wirts abhängig machten, er wolle sie
in Zukunft mit Forellen verschonen!

Der erste Ort im Urftthal abwärts vom Blankenheimer Bahnhofe ist
Nettersheim, ein Dörfchen mit alter Steinbruchindustrie, das, seitdem im
Jahre 1894 eine Kuranstalt nach Kneippschem System eröffnet worden ist,
neuen Aufschwung zu nehmen scheint. Die Grundbedingungen zur Kneippkur:
kaltes Wasser und ausgedehnte Wiesen, sind hier reichlich vorhanden und
Werden im Verein mit den prächtigen Waldspaziergängen der Umgegend auch
dann noch Erholungsbedürftige anlocken, wenn das Heilverfahren des Wörris-
hvfer Pfarrherrn längst in die große Rumpelkammer der Arzneiwissenschaft
gewandert sein wird.

Wo sich das Thal erweitert, liegt das Örtchen Urft, und diesem gegen¬
über der Flecken Duldenden, einst der Sitz reicher „Riedmeistcr." So hießen
die Besitzer der alten Eisenhütten, die in dieser Gegend wie kleine Fürsten


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[0133] Herbsttage in der Lisel Gemüsebau beeinträchtigen. Am meisten haben die Bohnen darunter zu leiden. So war im vorigen Jahre am 5. September die ganze Ernte erfroren; Blätter und Schoten hingen schwarz, gleichsam ihren eignen vorzeitigen Tod betrauernd, an den Stöcken. Aber eben diese ungünstigen klimatischen Verhältnisse haben die Bevölkerung dazu veranlaßt, sich von den Launen der Witterung unab¬ hängig zu machen: die Berge bedecken sich mit Fichtenkulturen, der Steinbruch- und Bergwerksbetrieb blüht, im Thale klappern Mühlen, und in den Dörfern und Städtchen entstehn mit jedem Jahre neue Fabrikanlagen. Die Eröffnung der Bahnstrecke Trier-Köln hat in das Urftthal neues Leben gebracht, sie er¬ folgte gerade noch rechtzeitig, die Gewerbethätigkeit der Anwohner, die im Konkurrenzkampfe mit den begünstigter» Industriegebieten des Niederrheins zu erlahmen drohte, vor dem Niedergange zu bewahren. Wie alle Eifelgcwässer, so ist auch die Urft überreich an Forellen, für die neuerdings ein ansehnlicher Preis erzielt wird. Der Pachtzins für die Fischerei, der früher äußerst gering¬ fügig war, steigt allerdings in letzter Zeit auch, ist aber auch jetzt fast überall noch so mäßig beimessen, daß der Pächter seine Rechnung dabei findet. In einem Seitenthale zeigte mau mir beispielsweise einen etwa vier Kilometer langen Flußlauf, worin die Fischerei zu 30 Mark jährlich verpachtet ist, und aus dem während der Fangmonate Mai bis September täglich 1 bis 2 Kilo Forellen entnommen werden. Der Fang wird sast ausschließlich mit der Augel betrieben, die Anwendung von Netzen ist, wenigstens stellenweise, durch¬ aus verpönt. Fischarme oder richtiger ausgefischte Gewässer sind hier und da mit kalifornischen Regenbogenforellen besiedelt worden, ein Verfahren, von dem man jedoch zurückzukommen scheint, weil der Marktwert dieses dnrch Schuellwüchsigteit sich auszeichnenden Fisches dauernd hinter dem der edeln Bachforelle zurückbleibt. Daß diese übrigens noch keineswegs ans dem Aus¬ sterbeetat ist, läßt sich aus der Häufigkeit schließen, mit der sie dem Eifcl- touristeu auf der Gasthaustafel begegnet. Es giebt Sommerfrischen in der Eifel, in denen noch im letzten Jahre die Gäste eine Verlängerung ihres Aufenthalts von der Zusicherung des Wirts abhängig machten, er wolle sie in Zukunft mit Forellen verschonen! Der erste Ort im Urftthal abwärts vom Blankenheimer Bahnhofe ist Nettersheim, ein Dörfchen mit alter Steinbruchindustrie, das, seitdem im Jahre 1894 eine Kuranstalt nach Kneippschem System eröffnet worden ist, neuen Aufschwung zu nehmen scheint. Die Grundbedingungen zur Kneippkur: kaltes Wasser und ausgedehnte Wiesen, sind hier reichlich vorhanden und Werden im Verein mit den prächtigen Waldspaziergängen der Umgegend auch dann noch Erholungsbedürftige anlocken, wenn das Heilverfahren des Wörris- hvfer Pfarrherrn längst in die große Rumpelkammer der Arzneiwissenschaft gewandert sein wird. Wo sich das Thal erweitert, liegt das Örtchen Urft, und diesem gegen¬ über der Flecken Duldenden, einst der Sitz reicher „Riedmeistcr." So hießen die Besitzer der alten Eisenhütten, die in dieser Gegend wie kleine Fürsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/133>, abgerufen am 29.06.2024.