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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Kriegsminister General Andre und seine Reformen

ihrem Eintritt in eine besondre Sektion formiert und somit von ihren Kame¬
raden beinahe ganz abgesondert werden; er hält es für richtig, wenn diese
Trennung erst am Schlüsse des ersten Jahres eintritt. Schließlich wünscht
der Minister, daß die Schüler als Abschluß des zweijährigen Kurses an den
großen Herbstmanövern teilnehmen.

In dem Gesetzentwurf, den der Minister zur Durchführung dieser Re¬
organisation dem Präsidenten der Republik vorlegte, heißt es: Der Kriegs¬
minister bestimmt die Inhaber aller Stellen im Etat der Schule, sowie das
gesamte Lehrpersonal, das aus Professoren des Zivil- oder des Militürstandes
besteht, und deren Zahl sich nach den Bedürfnissen richtet.

Für den Uneingeweihten erscheinen diese Änderungen ziemlich unbedeutend,
aber doch vorteilhaft für die Ausbildung, wie z. B. die Teilnahme an den
Herbstmanövern. Wenn das Dekret trotzdem große Anfeindungen erfuhr, ja
geradezu auf Widerstand stieß, so rührt dies daher, daß der Minister damit
einen Kampf gegen den Korpsgeist von Se. Chr eröffnete. Dieser Wprit. ac
oorxs wurde aufrecht erhalten durch die eben erwähnte Bestimmung, daß nur
alte Se. Cyrieus wieder zu Lehrern und Jnstruktionsoffizieren ernannt werde"
konnten, und er berichte zum Teil uns gewissen klerikalen Einflüssen. Wenn
man bedenkt, daß nahezu alle höhern Offiziere der Infanterie und .Kavallerie
ihre militärische Bildung in Se. Chr erhalten haben") und mit großer An¬
hänglichkeit der Anstalt'gedenken, so erscheint es begreiflich, daß diese Ver¬
fügungen des Ministers große Mißstimmung hervorriefen. Hätte er die ge¬
plante Reorganisation nach und nach durchgeführt, so wäre er auf weit weniger
Widerstand gestoßen; so aber erklärte er ausdrücklich, daß er von dieser Macht¬
vollkommenheit, nicht mehr an die Vorschläge der Truppeukommandanten ge¬
bunden zu sein, sofort und in ausgiebigen Maße Gebrauch machen werde.
Und in der That wurden nicht nur die trors eg.6r<ZL stehenden Jnstruktoreu
und Professoren ohne weiteres in die Truppe zurückversetzt, sondern es erhielten
außerdem auch achtzehn Jnfantcrieleutnants, die als Jnstruktionsoffiziere an
die Militärschule kommandiert waren, den Befehl, sofort bei ihren Regimentern
wieder einzurücken. Dein Minister trugen diese auffallenden Maßnahmen den
Vorwurf ein -- auch in der Kammer --, daß er eine Demokratisierung der
Armee und eine "Entklerikalisierung" des Offizierkorps bezwecke.

Diese Meinung gewann noch weitere Nahrung durch die Vorgänge in
Fvutaineblenu und in Melun. In Fontmneblean liegt die ^voie- ä'ÄppIio-i.einen
6s l'^rUIIea-is et an ^oris. An diese Schule wurde anfangs Oktober als
Jnstruktionsoffizier der Hauptmnun der Artillerie Coblentz versetzt, der Jsraelit
ist und schon bei seinem Regimente verschiedene Differenzen mit Kameraden



*) Am 10. Februar 1900 zählte die französische Armee IIS Divisionsgenerale! von
diesen waren S9 aus der Infanterie und 26 aus der Kavallerie hervorgegangen; ein einziger
von ihnen hatte nicht die Militärschule Se. Cur besucht. General Andre selbst, als Artillerist,
hat seine militärische Ausbildung auf der polytechnischen Schule erhalten.
Kriegsminister General Andre und seine Reformen

ihrem Eintritt in eine besondre Sektion formiert und somit von ihren Kame¬
raden beinahe ganz abgesondert werden; er hält es für richtig, wenn diese
Trennung erst am Schlüsse des ersten Jahres eintritt. Schließlich wünscht
der Minister, daß die Schüler als Abschluß des zweijährigen Kurses an den
großen Herbstmanövern teilnehmen.

In dem Gesetzentwurf, den der Minister zur Durchführung dieser Re¬
organisation dem Präsidenten der Republik vorlegte, heißt es: Der Kriegs¬
minister bestimmt die Inhaber aller Stellen im Etat der Schule, sowie das
gesamte Lehrpersonal, das aus Professoren des Zivil- oder des Militürstandes
besteht, und deren Zahl sich nach den Bedürfnissen richtet.

Für den Uneingeweihten erscheinen diese Änderungen ziemlich unbedeutend,
aber doch vorteilhaft für die Ausbildung, wie z. B. die Teilnahme an den
Herbstmanövern. Wenn das Dekret trotzdem große Anfeindungen erfuhr, ja
geradezu auf Widerstand stieß, so rührt dies daher, daß der Minister damit
einen Kampf gegen den Korpsgeist von Se. Chr eröffnete. Dieser Wprit. ac
oorxs wurde aufrecht erhalten durch die eben erwähnte Bestimmung, daß nur
alte Se. Cyrieus wieder zu Lehrern und Jnstruktionsoffizieren ernannt werde»
konnten, und er berichte zum Teil uns gewissen klerikalen Einflüssen. Wenn
man bedenkt, daß nahezu alle höhern Offiziere der Infanterie und .Kavallerie
ihre militärische Bildung in Se. Chr erhalten haben") und mit großer An¬
hänglichkeit der Anstalt'gedenken, so erscheint es begreiflich, daß diese Ver¬
fügungen des Ministers große Mißstimmung hervorriefen. Hätte er die ge¬
plante Reorganisation nach und nach durchgeführt, so wäre er auf weit weniger
Widerstand gestoßen; so aber erklärte er ausdrücklich, daß er von dieser Macht¬
vollkommenheit, nicht mehr an die Vorschläge der Truppeukommandanten ge¬
bunden zu sein, sofort und in ausgiebigen Maße Gebrauch machen werde.
Und in der That wurden nicht nur die trors eg.6r<ZL stehenden Jnstruktoreu
und Professoren ohne weiteres in die Truppe zurückversetzt, sondern es erhielten
außerdem auch achtzehn Jnfantcrieleutnants, die als Jnstruktionsoffiziere an
die Militärschule kommandiert waren, den Befehl, sofort bei ihren Regimentern
wieder einzurücken. Dein Minister trugen diese auffallenden Maßnahmen den
Vorwurf ein — auch in der Kammer —, daß er eine Demokratisierung der
Armee und eine „Entklerikalisierung" des Offizierkorps bezwecke.

Diese Meinung gewann noch weitere Nahrung durch die Vorgänge in
Fvutaineblenu und in Melun. In Fontmneblean liegt die ^voie- ä'ÄppIio-i.einen
6s l'^rUIIea-is et an ^oris. An diese Schule wurde anfangs Oktober als
Jnstruktionsoffizier der Hauptmnun der Artillerie Coblentz versetzt, der Jsraelit
ist und schon bei seinem Regimente verschiedene Differenzen mit Kameraden



*) Am 10. Februar 1900 zählte die französische Armee IIS Divisionsgenerale! von
diesen waren S9 aus der Infanterie und 26 aus der Kavallerie hervorgegangen; ein einziger
von ihnen hatte nicht die Militärschule Se. Cur besucht. General Andre selbst, als Artillerist,
hat seine militärische Ausbildung auf der polytechnischen Schule erhalten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/125>, abgerufen am 04.07.2024.