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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter

sein Geheimer Rat vor, ihnen zu willfahren, da in Venedig der Ertrag des
Fondaco zu den Haupteinnahmen des Staats gehöre, der milcmesische Fondaco
hoffentlich einen ähnlichen Ertrag abwerfen und den venetianischen empfindlich
schädigen werde. Natürlich vergalten die Deutschen die Einschränkungen, die
sie sich gefallen lassen mußten, mit entsprechenden. Venetianer durften in
Deutschland, ja schon im Gebiet von Padua und Treviso keine deutschen Waren
einkaufen.

Nehmen wir zu all den Leuten, die des Geschäfts wegen von beiden
Seiten über die Alpen stiegen, noch die Politiker, die Kriegsheere und die
Pilger hinzu, so erhalten wir das Bild eines ununterbrochnem lebhaften Ver¬
kehrs, eines Verkehrs, der bei der damaligen Art zu reisen und zu Herbergen
eine viel innigere Berührung der verschiednen Nationen bedeutete als unser
heutiger, der freilich seit etwa dreißig Jahren, namentlich aber seit der Er¬
öffnung der Gvtthardbahu der Zahl nach den mittelalterlichen weit hinter sich
läßt; aber rechnen wir von den heutigen deutschen Jtalienbummlern alle die
ab, die mit niemand als mit Kellnern, Lohndienern, Droschkenkutschern und
etwa ein paar Ladendienern verkehren, und bedenken wir, daß die italienischen
Erdarbeiter, Drehorgclspieler und Hausierer keinen Zutritt zur deutschen Ge¬
sellschaft und in deutsche Familien haben, so werden wir wohl den mittelalter¬
lichen Verkehr für den stürkern erklären müssen. Durch Nationalhaß wurde
er nicht gestört; es gab Feindschaften zwischen Staaten, zwischen Städten,
zwischen Korporationen und die große allgemeine Feindschaft zwischen Adel
und Bürgertum, aber von Nationalhaß wußte man im allgemeinen nichts.
Erst der Einbruch Heinrichs VII., des Luxemburgers, in Toskana hat, wie wir
bei einer andern Gelegenheit gesehen/ haben, das Nationalbewußtsein der
Italiener geweckt und zum erstenmal einen Haß gegen die Deutschen ent¬
flammt, der jedoch auf Toskana beschränkt blieb und sich mit dem Schwinden
der Gefahr wieder legte.

Mit orientalischen Kleinodien, Spezereien und Wollenzeugen hatte der
internationale Handel begonnen, am Ende des Mittelalters umfaßte er alle
damals bekannten Warengattungen. Bis ins zwölfte Jahrhundert waren
Sklaven "koch eine gangbare Ware; als folg-vo eiriptitio 4 äörmrii, steht im
Zvllrodel von Koblenz 1104, und sogar 1209 sind sie noch nicht aus dem
Tarif getilgt. Erfreulicher klingt in einem Champagner Börsenbericht von 1265
das g.ri<znto all I"'riborZI>0, womit aber nicht, wie Heutigen zu vermuten nahe
liegt, Freiberg in Sachsen, sondern Freiburg im Breisgau gemeint ist. Im
Schwarzwald wurde damals viel Silber gewonnen, und Straßburg hat seinen
lateinischen Namen, ^i^cmriinr oder Kr^ntoi'Äwni davon. Im vierzehnten
und fünfzehnten Jahrhundert neunen die Tarife sämtliche damals bekannten
Metalle, Mischungen wie Glockenspeise und Messing, alle Arten von Waffen
und Nüstungsstücken, zuletzt auch Geschütze, von Werkzeugen und Geschirr; die
einfachsten Werkzeuge wie Sicheln kommen schon in viel früherer Zeit vor.
Von andern Mineralien werden Salz, Kreide, Wetzsteine, Mühlsteine, Marmor,


Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter

sein Geheimer Rat vor, ihnen zu willfahren, da in Venedig der Ertrag des
Fondaco zu den Haupteinnahmen des Staats gehöre, der milcmesische Fondaco
hoffentlich einen ähnlichen Ertrag abwerfen und den venetianischen empfindlich
schädigen werde. Natürlich vergalten die Deutschen die Einschränkungen, die
sie sich gefallen lassen mußten, mit entsprechenden. Venetianer durften in
Deutschland, ja schon im Gebiet von Padua und Treviso keine deutschen Waren
einkaufen.

Nehmen wir zu all den Leuten, die des Geschäfts wegen von beiden
Seiten über die Alpen stiegen, noch die Politiker, die Kriegsheere und die
Pilger hinzu, so erhalten wir das Bild eines ununterbrochnem lebhaften Ver¬
kehrs, eines Verkehrs, der bei der damaligen Art zu reisen und zu Herbergen
eine viel innigere Berührung der verschiednen Nationen bedeutete als unser
heutiger, der freilich seit etwa dreißig Jahren, namentlich aber seit der Er¬
öffnung der Gvtthardbahu der Zahl nach den mittelalterlichen weit hinter sich
läßt; aber rechnen wir von den heutigen deutschen Jtalienbummlern alle die
ab, die mit niemand als mit Kellnern, Lohndienern, Droschkenkutschern und
etwa ein paar Ladendienern verkehren, und bedenken wir, daß die italienischen
Erdarbeiter, Drehorgclspieler und Hausierer keinen Zutritt zur deutschen Ge¬
sellschaft und in deutsche Familien haben, so werden wir wohl den mittelalter¬
lichen Verkehr für den stürkern erklären müssen. Durch Nationalhaß wurde
er nicht gestört; es gab Feindschaften zwischen Staaten, zwischen Städten,
zwischen Korporationen und die große allgemeine Feindschaft zwischen Adel
und Bürgertum, aber von Nationalhaß wußte man im allgemeinen nichts.
Erst der Einbruch Heinrichs VII., des Luxemburgers, in Toskana hat, wie wir
bei einer andern Gelegenheit gesehen/ haben, das Nationalbewußtsein der
Italiener geweckt und zum erstenmal einen Haß gegen die Deutschen ent¬
flammt, der jedoch auf Toskana beschränkt blieb und sich mit dem Schwinden
der Gefahr wieder legte.

Mit orientalischen Kleinodien, Spezereien und Wollenzeugen hatte der
internationale Handel begonnen, am Ende des Mittelalters umfaßte er alle
damals bekannten Warengattungen. Bis ins zwölfte Jahrhundert waren
Sklaven «koch eine gangbare Ware; als folg-vo eiriptitio 4 äörmrii, steht im
Zvllrodel von Koblenz 1104, und sogar 1209 sind sie noch nicht aus dem
Tarif getilgt. Erfreulicher klingt in einem Champagner Börsenbericht von 1265
das g.ri<znto all I«'riborZI>0, womit aber nicht, wie Heutigen zu vermuten nahe
liegt, Freiberg in Sachsen, sondern Freiburg im Breisgau gemeint ist. Im
Schwarzwald wurde damals viel Silber gewonnen, und Straßburg hat seinen
lateinischen Namen, ^i^cmriinr oder Kr^ntoi'Äwni davon. Im vierzehnten
und fünfzehnten Jahrhundert neunen die Tarife sämtliche damals bekannten
Metalle, Mischungen wie Glockenspeise und Messing, alle Arten von Waffen
und Nüstungsstücken, zuletzt auch Geschütze, von Werkzeugen und Geschirr; die
einfachsten Werkzeuge wie Sicheln kommen schon in viel früherer Zeit vor.
Von andern Mineralien werden Salz, Kreide, Wetzsteine, Mühlsteine, Marmor,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/120>, abgerufen am 01.07.2024.