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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter

Doch um zu den deutschen Kolonien in Italien zurückzukehren, so werden
in den Urkunden außer deu Gastwirten und Schustern besonders häufig er¬
wähnt Landsknechte, Stallknechte, Pfeifer und andre Musiker, Uhrmacher, auch
Baumeister. Am Mailänder Dom ist eine Reihe deutscher Meister thätig ge¬
wesen; die Buchdrucker und Buchhändler waren anfänglich lauter Deutsche.
In Mailand erschien 1498 ein deutsch-italienisches Wörterbuch mit besondrer
Rücksicht auf das Bedürfnis der Kaufleute; schou 1501 erlebte es eine neue
Auflage. Bellino da Trezzo schildert die Pest, die 1485 Oberitalien heim¬
suchte, in einem Gedicht und sagt darin von den deutschen Kaufleuten in
Como:

Die deutsche Niederlassung in Como ist sehr beachtenswert. Die bergige
Gegend brachte nicht Getreide genug hervor für die Bewohner. Diese waren
deshalb auf Industrie angewiesen. Für solche sorgten deutsche Kaufleute, indem
sie Rohwolle einführten und sie sich mit dem daraus angefertigten Zeug be¬
zahlen ließen. So richteten die Deutschen in Como und den Nachbarstädten
Verlaggeschäftc ein. Als Maximilian 1507 die Eidgenossenschaft für ein
Bündnis zur Vertreilmug der Franzosenherrschaft aus Mailand zu gewinnen
suchte, flüchteten die Deutschen aus dem Comaskergebiet, und die Wollen-
indnstrie ging ein; sie wurde durch das einheimische Seidengewerbe ersetzt.

Wenn die deutschen Kaufleute in den ausländischen Städten eigne Häuser
erwarben, in denen sie zusammen wohnten und ihre Geschäfte betrieben, so
war das freilich eine große Annehmlichkeit und Bequemlichkeit für sie, zugleich
aber eine Beschränkung. Denn für die italienischen Fondachi galt, wie für die
deutschen .Kaufhäuser, das Stapelrecht. Besonders streng wurde es in Venedig
gehnndhabt. Nur im deutschen Fondaco, der sechsundfünfzig Wohngelasse ent¬
hielt, durfte der deutsche Kaufmann absteigen, nur hierher durfte ihn der Barken¬
führer bringen. Das Auf- und Einpacken der Waren wurde von Sensalen
der Regierung überwacht. Nur dem Venetianer darf der Deutsche verkaufen,
nur von ihm kaufen; Angehörige zweier fremder Nationen dürfen uicht mit¬
einander handeln. Ja der fremde Kaufmann darf seine Ware nicht einmal
von einem Kaufmann einer andern Nation beschatten lassen, bei hundert Pfund
Strafe. Auch darf er nicht im kleinen verkaufen, Tuch nicht ausschneiden,
und kein Geschäft darf ohne den Sensal abgeschlossen werden. An den Hafen,
"n die Schiffe wird der deutsche Kaufmann nicht herangelassen; über Genua
gelangen die Deutschen aus Meer und darüber nach Spanien und nach fremden
Erdteilen. (Auch über Marseille und auf dem Landwege verkehrten die Deutschen
mit Spanien.) Der jährliche Umsatz der Deutschen in Venedig wird auf eine
Mtllion Dukaten, der Zollertrag, den die Republik davon hatte, auf zwanzig¬
tausend Dukaten geschätzt. Als 1472 die Deutschen in Mailand die Erlaubnis
zur Errichtung eines Fondaco nachsuchten, schlug dem Herzog Galeazzo Maria


Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter

Doch um zu den deutschen Kolonien in Italien zurückzukehren, so werden
in den Urkunden außer deu Gastwirten und Schustern besonders häufig er¬
wähnt Landsknechte, Stallknechte, Pfeifer und andre Musiker, Uhrmacher, auch
Baumeister. Am Mailänder Dom ist eine Reihe deutscher Meister thätig ge¬
wesen; die Buchdrucker und Buchhändler waren anfänglich lauter Deutsche.
In Mailand erschien 1498 ein deutsch-italienisches Wörterbuch mit besondrer
Rücksicht auf das Bedürfnis der Kaufleute; schou 1501 erlebte es eine neue
Auflage. Bellino da Trezzo schildert die Pest, die 1485 Oberitalien heim¬
suchte, in einem Gedicht und sagt darin von den deutschen Kaufleuten in
Como:

Die deutsche Niederlassung in Como ist sehr beachtenswert. Die bergige
Gegend brachte nicht Getreide genug hervor für die Bewohner. Diese waren
deshalb auf Industrie angewiesen. Für solche sorgten deutsche Kaufleute, indem
sie Rohwolle einführten und sie sich mit dem daraus angefertigten Zeug be¬
zahlen ließen. So richteten die Deutschen in Como und den Nachbarstädten
Verlaggeschäftc ein. Als Maximilian 1507 die Eidgenossenschaft für ein
Bündnis zur Vertreilmug der Franzosenherrschaft aus Mailand zu gewinnen
suchte, flüchteten die Deutschen aus dem Comaskergebiet, und die Wollen-
indnstrie ging ein; sie wurde durch das einheimische Seidengewerbe ersetzt.

Wenn die deutschen Kaufleute in den ausländischen Städten eigne Häuser
erwarben, in denen sie zusammen wohnten und ihre Geschäfte betrieben, so
war das freilich eine große Annehmlichkeit und Bequemlichkeit für sie, zugleich
aber eine Beschränkung. Denn für die italienischen Fondachi galt, wie für die
deutschen .Kaufhäuser, das Stapelrecht. Besonders streng wurde es in Venedig
gehnndhabt. Nur im deutschen Fondaco, der sechsundfünfzig Wohngelasse ent¬
hielt, durfte der deutsche Kaufmann absteigen, nur hierher durfte ihn der Barken¬
führer bringen. Das Auf- und Einpacken der Waren wurde von Sensalen
der Regierung überwacht. Nur dem Venetianer darf der Deutsche verkaufen,
nur von ihm kaufen; Angehörige zweier fremder Nationen dürfen uicht mit¬
einander handeln. Ja der fremde Kaufmann darf seine Ware nicht einmal
von einem Kaufmann einer andern Nation beschatten lassen, bei hundert Pfund
Strafe. Auch darf er nicht im kleinen verkaufen, Tuch nicht ausschneiden,
und kein Geschäft darf ohne den Sensal abgeschlossen werden. An den Hafen,
"n die Schiffe wird der deutsche Kaufmann nicht herangelassen; über Genua
gelangen die Deutschen aus Meer und darüber nach Spanien und nach fremden
Erdteilen. (Auch über Marseille und auf dem Landwege verkehrten die Deutschen
mit Spanien.) Der jährliche Umsatz der Deutschen in Venedig wird auf eine
Mtllion Dukaten, der Zollertrag, den die Republik davon hatte, auf zwanzig¬
tausend Dukaten geschätzt. Als 1472 die Deutschen in Mailand die Erlaubnis
zur Errichtung eines Fondaco nachsuchten, schlug dem Herzog Galeazzo Maria


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[0119] Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter Doch um zu den deutschen Kolonien in Italien zurückzukehren, so werden in den Urkunden außer deu Gastwirten und Schustern besonders häufig er¬ wähnt Landsknechte, Stallknechte, Pfeifer und andre Musiker, Uhrmacher, auch Baumeister. Am Mailänder Dom ist eine Reihe deutscher Meister thätig ge¬ wesen; die Buchdrucker und Buchhändler waren anfänglich lauter Deutsche. In Mailand erschien 1498 ein deutsch-italienisches Wörterbuch mit besondrer Rücksicht auf das Bedürfnis der Kaufleute; schou 1501 erlebte es eine neue Auflage. Bellino da Trezzo schildert die Pest, die 1485 Oberitalien heim¬ suchte, in einem Gedicht und sagt darin von den deutschen Kaufleuten in Como: Die deutsche Niederlassung in Como ist sehr beachtenswert. Die bergige Gegend brachte nicht Getreide genug hervor für die Bewohner. Diese waren deshalb auf Industrie angewiesen. Für solche sorgten deutsche Kaufleute, indem sie Rohwolle einführten und sie sich mit dem daraus angefertigten Zeug be¬ zahlen ließen. So richteten die Deutschen in Como und den Nachbarstädten Verlaggeschäftc ein. Als Maximilian 1507 die Eidgenossenschaft für ein Bündnis zur Vertreilmug der Franzosenherrschaft aus Mailand zu gewinnen suchte, flüchteten die Deutschen aus dem Comaskergebiet, und die Wollen- indnstrie ging ein; sie wurde durch das einheimische Seidengewerbe ersetzt. Wenn die deutschen Kaufleute in den ausländischen Städten eigne Häuser erwarben, in denen sie zusammen wohnten und ihre Geschäfte betrieben, so war das freilich eine große Annehmlichkeit und Bequemlichkeit für sie, zugleich aber eine Beschränkung. Denn für die italienischen Fondachi galt, wie für die deutschen .Kaufhäuser, das Stapelrecht. Besonders streng wurde es in Venedig gehnndhabt. Nur im deutschen Fondaco, der sechsundfünfzig Wohngelasse ent¬ hielt, durfte der deutsche Kaufmann absteigen, nur hierher durfte ihn der Barken¬ führer bringen. Das Auf- und Einpacken der Waren wurde von Sensalen der Regierung überwacht. Nur dem Venetianer darf der Deutsche verkaufen, nur von ihm kaufen; Angehörige zweier fremder Nationen dürfen uicht mit¬ einander handeln. Ja der fremde Kaufmann darf seine Ware nicht einmal von einem Kaufmann einer andern Nation beschatten lassen, bei hundert Pfund Strafe. Auch darf er nicht im kleinen verkaufen, Tuch nicht ausschneiden, und kein Geschäft darf ohne den Sensal abgeschlossen werden. An den Hafen, "n die Schiffe wird der deutsche Kaufmann nicht herangelassen; über Genua gelangen die Deutschen aus Meer und darüber nach Spanien und nach fremden Erdteilen. (Auch über Marseille und auf dem Landwege verkehrten die Deutschen mit Spanien.) Der jährliche Umsatz der Deutschen in Venedig wird auf eine Mtllion Dukaten, der Zollertrag, den die Republik davon hatte, auf zwanzig¬ tausend Dukaten geschätzt. Als 1472 die Deutschen in Mailand die Erlaubnis zur Errichtung eines Fondaco nachsuchten, schlug dem Herzog Galeazzo Maria

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/119>, abgerufen am 04.07.2024.