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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter

cis doch aus dem Suchen nach eiuer bescheidnen archivalischen
Spezialität für ein großes und schönes Ganze erwachsen kann, wenn
der Sucher ein Mann von Geist ist! Man findet einige sich auf
mittelalterliche Handelsgeschäfte beziehende Urkunden; eine histo¬
rische Kommission meint, es würde nicht uninteressant sein, noch
mehr dergleichen kennen zu lernen, und schickt eines ihrer Mitglieder, in
deutschen, schweizerischen und italienischen Archiven nachzusehen, diesem erweitert
das, was er findet, die Aussicht in die verschiedensten Gebiete, und es ent¬
steht ihm ein Bild des mittelalterlichen Lebens, worin man deutlich sieht, wie
die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die geistige Regsamkeit tüchtiger Völker,
die geographischen und die politischen Verhältnisse zur Gestaltung dieses Lebens
zusammenwirken. So ist Schuttes Werk geworden.*) Wir wollen die Haupt¬
ergebnisse für ein paar von den hier behandelten Gebieten gesondert zu über¬
schauen versuchen, zunächst die Entwicklung des Handels.

Die Germanenreiche, die aus den Trümmern des Römerreiches erstanden,
waren naturalwirtschaftliche Agrarstaaten. Damit war gegeben, daß der vordem
bedeutende Handel zusammenschrumpfen mußte. Es gab wenig Gewerbe und
Luxus, wenig Geld, und die geringen Bedürfnisse der wenig zivilisierten Be¬
völkerung wurden mit den Erzeugnissen der eignen Wirtschaft befriedigt. Der
Handel war fast nur Einfuhrhandel, die Handelsbilanz darum passiv. Eingeführt
wurden, und zwar fast ausschließlich aus dem Orient, Gegenstände für den
Luxus der wenigen Großen und für den Gebrauch der Kirchen: Edelsteine,
Gold- und Silberschmuck, seidne Gewänder, Weihrauch, Wachs, außerdem Ge¬
würze. Vou diesen eine sehr große Mannigfaltigkeit, u. a. auch Rhabarber



*) Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und
Italien mit Ausschluß von Venedig. Herausgegeben von der Badischen Historischen Kommission,
Bearbeitet von Dr. Aloys Schulte, ort. Professor an der Universität Breslau. 1. Band.
Darstellung. 2. Band. Urkunden. Mit zwei Karten. Leipzig, Duncker und Humblot, 1900.
Grenzboten 1 1901 14


Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter

cis doch aus dem Suchen nach eiuer bescheidnen archivalischen
Spezialität für ein großes und schönes Ganze erwachsen kann, wenn
der Sucher ein Mann von Geist ist! Man findet einige sich auf
mittelalterliche Handelsgeschäfte beziehende Urkunden; eine histo¬
rische Kommission meint, es würde nicht uninteressant sein, noch
mehr dergleichen kennen zu lernen, und schickt eines ihrer Mitglieder, in
deutschen, schweizerischen und italienischen Archiven nachzusehen, diesem erweitert
das, was er findet, die Aussicht in die verschiedensten Gebiete, und es ent¬
steht ihm ein Bild des mittelalterlichen Lebens, worin man deutlich sieht, wie
die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die geistige Regsamkeit tüchtiger Völker,
die geographischen und die politischen Verhältnisse zur Gestaltung dieses Lebens
zusammenwirken. So ist Schuttes Werk geworden.*) Wir wollen die Haupt¬
ergebnisse für ein paar von den hier behandelten Gebieten gesondert zu über¬
schauen versuchen, zunächst die Entwicklung des Handels.

Die Germanenreiche, die aus den Trümmern des Römerreiches erstanden,
waren naturalwirtschaftliche Agrarstaaten. Damit war gegeben, daß der vordem
bedeutende Handel zusammenschrumpfen mußte. Es gab wenig Gewerbe und
Luxus, wenig Geld, und die geringen Bedürfnisse der wenig zivilisierten Be¬
völkerung wurden mit den Erzeugnissen der eignen Wirtschaft befriedigt. Der
Handel war fast nur Einfuhrhandel, die Handelsbilanz darum passiv. Eingeführt
wurden, und zwar fast ausschließlich aus dem Orient, Gegenstände für den
Luxus der wenigen Großen und für den Gebrauch der Kirchen: Edelsteine,
Gold- und Silberschmuck, seidne Gewänder, Weihrauch, Wachs, außerdem Ge¬
würze. Vou diesen eine sehr große Mannigfaltigkeit, u. a. auch Rhabarber



*) Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und
Italien mit Ausschluß von Venedig. Herausgegeben von der Badischen Historischen Kommission,
Bearbeitet von Dr. Aloys Schulte, ort. Professor an der Universität Breslau. 1. Band.
Darstellung. 2. Band. Urkunden. Mit zwei Karten. Leipzig, Duncker und Humblot, 1900.
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[0113] [Abbildung] Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter cis doch aus dem Suchen nach eiuer bescheidnen archivalischen Spezialität für ein großes und schönes Ganze erwachsen kann, wenn der Sucher ein Mann von Geist ist! Man findet einige sich auf mittelalterliche Handelsgeschäfte beziehende Urkunden; eine histo¬ rische Kommission meint, es würde nicht uninteressant sein, noch mehr dergleichen kennen zu lernen, und schickt eines ihrer Mitglieder, in deutschen, schweizerischen und italienischen Archiven nachzusehen, diesem erweitert das, was er findet, die Aussicht in die verschiedensten Gebiete, und es ent¬ steht ihm ein Bild des mittelalterlichen Lebens, worin man deutlich sieht, wie die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die geistige Regsamkeit tüchtiger Völker, die geographischen und die politischen Verhältnisse zur Gestaltung dieses Lebens zusammenwirken. So ist Schuttes Werk geworden.*) Wir wollen die Haupt¬ ergebnisse für ein paar von den hier behandelten Gebieten gesondert zu über¬ schauen versuchen, zunächst die Entwicklung des Handels. Die Germanenreiche, die aus den Trümmern des Römerreiches erstanden, waren naturalwirtschaftliche Agrarstaaten. Damit war gegeben, daß der vordem bedeutende Handel zusammenschrumpfen mußte. Es gab wenig Gewerbe und Luxus, wenig Geld, und die geringen Bedürfnisse der wenig zivilisierten Be¬ völkerung wurden mit den Erzeugnissen der eignen Wirtschaft befriedigt. Der Handel war fast nur Einfuhrhandel, die Handelsbilanz darum passiv. Eingeführt wurden, und zwar fast ausschließlich aus dem Orient, Gegenstände für den Luxus der wenigen Großen und für den Gebrauch der Kirchen: Edelsteine, Gold- und Silberschmuck, seidne Gewänder, Weihrauch, Wachs, außerdem Ge¬ würze. Vou diesen eine sehr große Mannigfaltigkeit, u. a. auch Rhabarber *) Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien mit Ausschluß von Venedig. Herausgegeben von der Badischen Historischen Kommission, Bearbeitet von Dr. Aloys Schulte, ort. Professor an der Universität Breslau. 1. Band. Darstellung. 2. Band. Urkunden. Mit zwei Karten. Leipzig, Duncker und Humblot, 1900. Grenzboten 1 1901 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/113>, abgerufen am 04.07.2024.