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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

Neben dieser Beleuchtung des Beitrags zur Lehrerbildung seht Kröte klar und
bestimmt das Wesen und die Aufgabe des Seminars fest, das die Form des Unter¬
richts, also didaktischen Formalismus, seinen Zöglingen zu lehren habe im Unter¬
schiede von den wissenschaftlichen Aufgaben der Universität, und zeigt, daß eben
diese Aufgabe den Seminaren dnrch die Allgemeinen Bestimmungen von 1872 und
die später dazu gegebnen Ministerialerlasse bestimmt vorgezeichnet sei. Nicht nnr der
Lehrer, sondern jeder Gebildete wird diesen klaren Ausführungen gern folgen und
durch die urbaue Polemik angezogen werden.

Ob freilich alle Lehrer damit einverstanden sein werden, ist fraglich. Wie
Kohlmeyer in gereizter Weise geglaubt hat, der vermeintlichen Überhebung des
Universitätslehrers entgegentreten zu müssen, und die sachliche Frage ans das Ge¬
biet des persönlichen Werth und der Standesehre gezogen hat, so werden die
seminaristisch gebildeten Lehrer gern geneigt sein, ans seine Seite zu treten. "Weite
Kreise" aber werden sich nicht dagegen verschließen, daß auch unsern Volksschulen
die Gefahr des übertriebnen didaktischen Formalismus und der Mechanisierung der
Erziehung drohe. Wohl haben wir Ursache im Hinblick ans andre Staaten auf
unsre Volksschule stolz zu sein und das Geschick und die Arbeit ihrer Lehrer zu
respektiere"; keine andre Thätigkeit aber fordert auch wie diese in ihrer tägliche"
Kleinarbeit eine ununterbrochne geistige Durchdringung und Belebung, die nnr von
höhern Potenzen ausgehn kann. Und was die Erziehung, im besondern die Be¬
handlung der Kinder anbetrifft, so richten sich jetzt vieler Gedanken auf die Frage,
welchen Einfluß darauf der einjährige Militärdienst der Lehrer üben wird; ob sie
der Gefahr entgehn, Schule und Kaserne, Klasse und Exerzierplatz, die Schüler mit
Rekruten zu verwechseln. Das muß abgewartet werden.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Mnrauart in Leipzig
Litteratur

Neben dieser Beleuchtung des Beitrags zur Lehrerbildung seht Kröte klar und
bestimmt das Wesen und die Aufgabe des Seminars fest, das die Form des Unter¬
richts, also didaktischen Formalismus, seinen Zöglingen zu lehren habe im Unter¬
schiede von den wissenschaftlichen Aufgaben der Universität, und zeigt, daß eben
diese Aufgabe den Seminaren dnrch die Allgemeinen Bestimmungen von 1872 und
die später dazu gegebnen Ministerialerlasse bestimmt vorgezeichnet sei. Nicht nnr der
Lehrer, sondern jeder Gebildete wird diesen klaren Ausführungen gern folgen und
durch die urbaue Polemik angezogen werden.

Ob freilich alle Lehrer damit einverstanden sein werden, ist fraglich. Wie
Kohlmeyer in gereizter Weise geglaubt hat, der vermeintlichen Überhebung des
Universitätslehrers entgegentreten zu müssen, und die sachliche Frage ans das Ge¬
biet des persönlichen Werth und der Standesehre gezogen hat, so werden die
seminaristisch gebildeten Lehrer gern geneigt sein, ans seine Seite zu treten. „Weite
Kreise" aber werden sich nicht dagegen verschließen, daß auch unsern Volksschulen
die Gefahr des übertriebnen didaktischen Formalismus und der Mechanisierung der
Erziehung drohe. Wohl haben wir Ursache im Hinblick ans andre Staaten auf
unsre Volksschule stolz zu sein und das Geschick und die Arbeit ihrer Lehrer zu
respektiere»; keine andre Thätigkeit aber fordert auch wie diese in ihrer tägliche»
Kleinarbeit eine ununterbrochne geistige Durchdringung und Belebung, die nnr von
höhern Potenzen ausgehn kann. Und was die Erziehung, im besondern die Be¬
handlung der Kinder anbetrifft, so richten sich jetzt vieler Gedanken auf die Frage,
welchen Einfluß darauf der einjährige Militärdienst der Lehrer üben wird; ob sie
der Gefahr entgehn, Schule und Kaserne, Klasse und Exerzierplatz, die Schüler mit
Rekruten zu verwechseln. Das muß abgewartet werden.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Mnrauart in Leipzig
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[0112] Litteratur Neben dieser Beleuchtung des Beitrags zur Lehrerbildung seht Kröte klar und bestimmt das Wesen und die Aufgabe des Seminars fest, das die Form des Unter¬ richts, also didaktischen Formalismus, seinen Zöglingen zu lehren habe im Unter¬ schiede von den wissenschaftlichen Aufgaben der Universität, und zeigt, daß eben diese Aufgabe den Seminaren dnrch die Allgemeinen Bestimmungen von 1872 und die später dazu gegebnen Ministerialerlasse bestimmt vorgezeichnet sei. Nicht nnr der Lehrer, sondern jeder Gebildete wird diesen klaren Ausführungen gern folgen und durch die urbaue Polemik angezogen werden. Ob freilich alle Lehrer damit einverstanden sein werden, ist fraglich. Wie Kohlmeyer in gereizter Weise geglaubt hat, der vermeintlichen Überhebung des Universitätslehrers entgegentreten zu müssen, und die sachliche Frage ans das Ge¬ biet des persönlichen Werth und der Standesehre gezogen hat, so werden die seminaristisch gebildeten Lehrer gern geneigt sein, ans seine Seite zu treten. „Weite Kreise" aber werden sich nicht dagegen verschließen, daß auch unsern Volksschulen die Gefahr des übertriebnen didaktischen Formalismus und der Mechanisierung der Erziehung drohe. Wohl haben wir Ursache im Hinblick ans andre Staaten auf unsre Volksschule stolz zu sein und das Geschick und die Arbeit ihrer Lehrer zu respektiere»; keine andre Thätigkeit aber fordert auch wie diese in ihrer tägliche» Kleinarbeit eine ununterbrochne geistige Durchdringung und Belebung, die nnr von höhern Potenzen ausgehn kann. Und was die Erziehung, im besondern die Be¬ handlung der Kinder anbetrifft, so richten sich jetzt vieler Gedanken auf die Frage, welchen Einfluß darauf der einjährige Militärdienst der Lehrer üben wird; ob sie der Gefahr entgehn, Schule und Kaserne, Klasse und Exerzierplatz, die Schüler mit Rekruten zu verwechseln. Das muß abgewartet werden. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Mnrauart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/112>, abgerufen am 01.07.2024.