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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Die Erwerbung der preußische" Königskrone durch Kurfürst Friedrich III.

Krönungszug kehrte wieder unter dem Geläute sämtlicher Glocken der Stadt
und unter dem Kanonendonner der Geschütze in das Schloß zurück. Noch bis
in den Anfang Mürz setzten sich die Festlichkeiten fort, die auf den Krönungstag
selbst folgten, und erst am 6. Mai hielt der nunmehrige König Friedrich I.
nach seiner Rückkehr aus Königsberg unter Entfaltung königlicher Pracht seinen
Einzug in Berlin.

Von fast allen europäischen Mächten wurde unter Glückwuuschbezeugungen
die neue Königswürde anerkannt. Auch Frankreich, das anfangs noch damit
zögerte, holte die Anerkennung später nach. Nur der Papst Clemens XI. er¬
hob gegen die neue Königswürde Widerspruch, nachdem er alle Hoffnungen
gescheitert sah, aus der Erwerbung der Königskrone für die römisch-katholische
Kirche Vorteile herauszuschlagen. Unverhohlen gab er dem Kaiser sein Mi߬
fallen zu erkennen, daß dieser die Erhebung Preußens zum Königreich geduldet
habe. Und in fast gleichlautenden Briefen an diesen sowie an die weltlichen
und geistlichen katholischen Fürsten legte er gegen die Annahme des Königs¬
titels Verwahrung ein. Er ging dabei von der Vorstellung aus, daß nur
dem heiligen Stuhle das Recht zustehe, Könige zu ernennen, und erklärte, daß
die Königswiirde in diesem Falle ganz besonders geschändet sei, da Branden¬
burg nur durch Abfall von der Kirche und durch Mißbrauch seiner Gewalt
das ehemalige Ordensland Preußen besitze. "Wir sind zwar überzeugt -- so
heißt es in dem uuter dem 16. April 1701 an den Kaiser gerichteten Päpst¬
lichen Breve --, daß Ihre Majestät keineswegs den Entschluß billige, der in
einem in der Christenheit durchaus verwerflichen Verfahren von dem Mark¬
grafen Friedrich ausgeführt ist, der sich den königlichen Titel öffentlich an¬
zumaßen wagte, können indessen nicht, um nicht den Anschein zu erwecken, als
ob Wir nicht unsrer Pflicht Genüge thäten, das Vorgehn stillschweigend über¬
gehn. Denn diese That widerspricht offenbar den Apostolischen Satzungen
und verletzt geradezu das hohe Ansehen des heiligen Stuhls, da ein un¬
katholischer Mensch den doch geheiligten königlichen Namen nur mit Ver¬
achtung der Kirche annimmt, und genannter Markgraf sich ohne Bedenken den
König des preußischen Gebiets nennt, das nach uraltem Recht dem Deutschen
Ritterorden gehört. , , . Wir verlangen, daß Ihre kaiserliche Majestät auf
unsre Mahnung es vermeiden wollen, dem etwa königliche Ehren zu erweisen,
der gar zu anmaßend sich der Schar jener zugesellte, welche Gottes Wort
ausdrücklich verwirft, und von dem es heißt: sie haben selbst regiert und
uicht durch mich, sie sind Fürsten geworden, und ich habe sie nicht
erkannt." In ähnlicher Weise sprach sich der Papst Clemens XI. vor dem
versammelten Kardinalskollegium aus.

An den protestantischen Höfen in England und Holland konnte diese an¬
maßende Sprache des Papstes nur dem nunmehrigen Könige zum Vorteil ge¬
reichen, denn sie widerlegte am besten die noch immer umlaufenden Gerüchte,
daß Friedrich, um zur Königswürde zu gelangen, der katholischen Kirche zum
Nachteil seiner evangelischen Unterthanen weitgehende Zugeständnisse gemacht


Die Erwerbung der preußische» Königskrone durch Kurfürst Friedrich III.

Krönungszug kehrte wieder unter dem Geläute sämtlicher Glocken der Stadt
und unter dem Kanonendonner der Geschütze in das Schloß zurück. Noch bis
in den Anfang Mürz setzten sich die Festlichkeiten fort, die auf den Krönungstag
selbst folgten, und erst am 6. Mai hielt der nunmehrige König Friedrich I.
nach seiner Rückkehr aus Königsberg unter Entfaltung königlicher Pracht seinen
Einzug in Berlin.

Von fast allen europäischen Mächten wurde unter Glückwuuschbezeugungen
die neue Königswürde anerkannt. Auch Frankreich, das anfangs noch damit
zögerte, holte die Anerkennung später nach. Nur der Papst Clemens XI. er¬
hob gegen die neue Königswürde Widerspruch, nachdem er alle Hoffnungen
gescheitert sah, aus der Erwerbung der Königskrone für die römisch-katholische
Kirche Vorteile herauszuschlagen. Unverhohlen gab er dem Kaiser sein Mi߬
fallen zu erkennen, daß dieser die Erhebung Preußens zum Königreich geduldet
habe. Und in fast gleichlautenden Briefen an diesen sowie an die weltlichen
und geistlichen katholischen Fürsten legte er gegen die Annahme des Königs¬
titels Verwahrung ein. Er ging dabei von der Vorstellung aus, daß nur
dem heiligen Stuhle das Recht zustehe, Könige zu ernennen, und erklärte, daß
die Königswiirde in diesem Falle ganz besonders geschändet sei, da Branden¬
burg nur durch Abfall von der Kirche und durch Mißbrauch seiner Gewalt
das ehemalige Ordensland Preußen besitze. „Wir sind zwar überzeugt — so
heißt es in dem uuter dem 16. April 1701 an den Kaiser gerichteten Päpst¬
lichen Breve —, daß Ihre Majestät keineswegs den Entschluß billige, der in
einem in der Christenheit durchaus verwerflichen Verfahren von dem Mark¬
grafen Friedrich ausgeführt ist, der sich den königlichen Titel öffentlich an¬
zumaßen wagte, können indessen nicht, um nicht den Anschein zu erwecken, als
ob Wir nicht unsrer Pflicht Genüge thäten, das Vorgehn stillschweigend über¬
gehn. Denn diese That widerspricht offenbar den Apostolischen Satzungen
und verletzt geradezu das hohe Ansehen des heiligen Stuhls, da ein un¬
katholischer Mensch den doch geheiligten königlichen Namen nur mit Ver¬
achtung der Kirche annimmt, und genannter Markgraf sich ohne Bedenken den
König des preußischen Gebiets nennt, das nach uraltem Recht dem Deutschen
Ritterorden gehört. , , . Wir verlangen, daß Ihre kaiserliche Majestät auf
unsre Mahnung es vermeiden wollen, dem etwa königliche Ehren zu erweisen,
der gar zu anmaßend sich der Schar jener zugesellte, welche Gottes Wort
ausdrücklich verwirft, und von dem es heißt: sie haben selbst regiert und
uicht durch mich, sie sind Fürsten geworden, und ich habe sie nicht
erkannt." In ähnlicher Weise sprach sich der Papst Clemens XI. vor dem
versammelten Kardinalskollegium aus.

An den protestantischen Höfen in England und Holland konnte diese an¬
maßende Sprache des Papstes nur dem nunmehrigen Könige zum Vorteil ge¬
reichen, denn sie widerlegte am besten die noch immer umlaufenden Gerüchte,
daß Friedrich, um zur Königswürde zu gelangen, der katholischen Kirche zum
Nachteil seiner evangelischen Unterthanen weitgehende Zugeständnisse gemacht


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[0657] Die Erwerbung der preußische» Königskrone durch Kurfürst Friedrich III. Krönungszug kehrte wieder unter dem Geläute sämtlicher Glocken der Stadt und unter dem Kanonendonner der Geschütze in das Schloß zurück. Noch bis in den Anfang Mürz setzten sich die Festlichkeiten fort, die auf den Krönungstag selbst folgten, und erst am 6. Mai hielt der nunmehrige König Friedrich I. nach seiner Rückkehr aus Königsberg unter Entfaltung königlicher Pracht seinen Einzug in Berlin. Von fast allen europäischen Mächten wurde unter Glückwuuschbezeugungen die neue Königswürde anerkannt. Auch Frankreich, das anfangs noch damit zögerte, holte die Anerkennung später nach. Nur der Papst Clemens XI. er¬ hob gegen die neue Königswürde Widerspruch, nachdem er alle Hoffnungen gescheitert sah, aus der Erwerbung der Königskrone für die römisch-katholische Kirche Vorteile herauszuschlagen. Unverhohlen gab er dem Kaiser sein Mi߬ fallen zu erkennen, daß dieser die Erhebung Preußens zum Königreich geduldet habe. Und in fast gleichlautenden Briefen an diesen sowie an die weltlichen und geistlichen katholischen Fürsten legte er gegen die Annahme des Königs¬ titels Verwahrung ein. Er ging dabei von der Vorstellung aus, daß nur dem heiligen Stuhle das Recht zustehe, Könige zu ernennen, und erklärte, daß die Königswiirde in diesem Falle ganz besonders geschändet sei, da Branden¬ burg nur durch Abfall von der Kirche und durch Mißbrauch seiner Gewalt das ehemalige Ordensland Preußen besitze. „Wir sind zwar überzeugt — so heißt es in dem uuter dem 16. April 1701 an den Kaiser gerichteten Päpst¬ lichen Breve —, daß Ihre Majestät keineswegs den Entschluß billige, der in einem in der Christenheit durchaus verwerflichen Verfahren von dem Mark¬ grafen Friedrich ausgeführt ist, der sich den königlichen Titel öffentlich an¬ zumaßen wagte, können indessen nicht, um nicht den Anschein zu erwecken, als ob Wir nicht unsrer Pflicht Genüge thäten, das Vorgehn stillschweigend über¬ gehn. Denn diese That widerspricht offenbar den Apostolischen Satzungen und verletzt geradezu das hohe Ansehen des heiligen Stuhls, da ein un¬ katholischer Mensch den doch geheiligten königlichen Namen nur mit Ver¬ achtung der Kirche annimmt, und genannter Markgraf sich ohne Bedenken den König des preußischen Gebiets nennt, das nach uraltem Recht dem Deutschen Ritterorden gehört. , , . Wir verlangen, daß Ihre kaiserliche Majestät auf unsre Mahnung es vermeiden wollen, dem etwa königliche Ehren zu erweisen, der gar zu anmaßend sich der Schar jener zugesellte, welche Gottes Wort ausdrücklich verwirft, und von dem es heißt: sie haben selbst regiert und uicht durch mich, sie sind Fürsten geworden, und ich habe sie nicht erkannt." In ähnlicher Weise sprach sich der Papst Clemens XI. vor dem versammelten Kardinalskollegium aus. An den protestantischen Höfen in England und Holland konnte diese an¬ maßende Sprache des Papstes nur dem nunmehrigen Könige zum Vorteil ge¬ reichen, denn sie widerlegte am besten die noch immer umlaufenden Gerüchte, daß Friedrich, um zur Königswürde zu gelangen, der katholischen Kirche zum Nachteil seiner evangelischen Unterthanen weitgehende Zugeständnisse gemacht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/657>, abgerufen am 22.07.2024.