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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Aurfürst Friedrich III.

Zulassung eines selbständigen, an keine Gesandtschaft gebundnen Gottesdienstes
in der Hauptstadt Berlin.*) Die kurfürstlichen Räte schlugen vor, ein solches
Anmuten rundweg abzulehnen, und um alle Hoffnungen zu nehmen, deutlich
zu erklären, lieber auf das ganze Werk zu verzichten, als deshalb das Ge¬
ringste einräumen zu wollen. Als im letzten Augenblick der Verhandlungen
diese Forderung noch einmal erneuert wurde, da schrieb Ilgen im Auftrag
des Kurfürsten dem Gesandten noch einmal: "Wir bezeugen vor dem all¬
wissenden Gott, daß Wir deshalb in Ewigkeit nicht weiter gehn werden, als
Ihr über diese Frage informieret seid, und sind keine Reiche und Kronen der
Welt imstande, Uns herunter relachieren zu machen." Man erklärte sich nur
bereit, sich auf neuerliche Vereinbarungen mit dem kaiserlichen Residenten in
Berlin einlassen zu wollen.

Noch im letzten Augenblick drohte die Verständigung an einem scheinbar
geringfügigen Ausdruck zu scheitern, der aber doch von wesentlicher Bedeutung
war. In dem Entwurf des Krönungsvertrags, den man in Wien aufgestellt
hatte, hieß es: "Der Kurfürst sei nicht "befugt" gewesen, die Krone anzu¬
nehmen ohne des Kaisers Einwilligung." Der Kurfürst hielt aber mit besondrer
Eifersucht darauf, daß kein Ausdruck gebraucht würde, der auf eine Verleihung
der Krone durch den Kaiser hätte gedeutet werden können. Nur um die nach¬
trägliche Zustimmung des Kaisers zur Königswürde, die sich auf sein von
allem Lehnsverband des Reiches unabhängiges Herzogtum Preußen gründen
sollte, war es ihm zu thun. Mit der Einwilligung zu diesem Ausdruck würde
der Kurfürst eingeräumt haben, daß seine Erhebung zum Könige durch den Kaiser
erfolgt sei. Gerade das aber wollte er vermeiden. Er forderte darum eine Änderung
dieses Satzes dahin lautend: "Der Kurfürst sei nicht "gemeint" gewesen, die
Krone anzunehmen ohne Einwilligung des Kaisers." Dieser Ausdruck war
unverfänglich und entsprach ebenso den thatsächlichen Verhältnissen wie den
wirklichen Absichten des Kurfürsten. Die Abänderung wurde in Wien ge¬
nehmigt, und der Kronvertrag am 16. November 1700 in Wien unter¬
zeichnet.

Inzwischen waren auch mit England und den Niederlanden Unterhand¬
lungen wegen der Königskrone eröffnet worden. Von diesen Mächten wurde
anfangs ebenfalls sehr entschieden Widerspruch erhoben, von König Wilhelm
von Oranien insbesondre aus dem Grunde, weil sich Kurfürst Friedrich durch
den mit dem Kaiser abgeschlossenen Kronvertrag mit diesem gegen die Mächte
verbündet hatte, die sich in der spanischen Erbfolgefrage zu gemeinsamem Vor¬
gehn vereinigt hatten. Da trat plötzlich und unerwartet eine Wendung ein,
die auch den von dieser Seite erhobnen Widerspruch beseitigte. An demselben
Tage, wo in Wien der Vertrag mit Brandenburg unterzeichnet wurde, lief in
Wien die Nachricht ein, daß am 1. November Karl II. von Spanien sein
sieches Dasein beschlossen habe, unmittelbar darauf aber auch die weitere, daß



*) Vergl. or. Paul Stettiner, Zur Geschichte des preußischen Königstitels, S. 32,
Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Aurfürst Friedrich III.

Zulassung eines selbständigen, an keine Gesandtschaft gebundnen Gottesdienstes
in der Hauptstadt Berlin.*) Die kurfürstlichen Räte schlugen vor, ein solches
Anmuten rundweg abzulehnen, und um alle Hoffnungen zu nehmen, deutlich
zu erklären, lieber auf das ganze Werk zu verzichten, als deshalb das Ge¬
ringste einräumen zu wollen. Als im letzten Augenblick der Verhandlungen
diese Forderung noch einmal erneuert wurde, da schrieb Ilgen im Auftrag
des Kurfürsten dem Gesandten noch einmal: „Wir bezeugen vor dem all¬
wissenden Gott, daß Wir deshalb in Ewigkeit nicht weiter gehn werden, als
Ihr über diese Frage informieret seid, und sind keine Reiche und Kronen der
Welt imstande, Uns herunter relachieren zu machen." Man erklärte sich nur
bereit, sich auf neuerliche Vereinbarungen mit dem kaiserlichen Residenten in
Berlin einlassen zu wollen.

Noch im letzten Augenblick drohte die Verständigung an einem scheinbar
geringfügigen Ausdruck zu scheitern, der aber doch von wesentlicher Bedeutung
war. In dem Entwurf des Krönungsvertrags, den man in Wien aufgestellt
hatte, hieß es: „Der Kurfürst sei nicht »befugt« gewesen, die Krone anzu¬
nehmen ohne des Kaisers Einwilligung." Der Kurfürst hielt aber mit besondrer
Eifersucht darauf, daß kein Ausdruck gebraucht würde, der auf eine Verleihung
der Krone durch den Kaiser hätte gedeutet werden können. Nur um die nach¬
trägliche Zustimmung des Kaisers zur Königswürde, die sich auf sein von
allem Lehnsverband des Reiches unabhängiges Herzogtum Preußen gründen
sollte, war es ihm zu thun. Mit der Einwilligung zu diesem Ausdruck würde
der Kurfürst eingeräumt haben, daß seine Erhebung zum Könige durch den Kaiser
erfolgt sei. Gerade das aber wollte er vermeiden. Er forderte darum eine Änderung
dieses Satzes dahin lautend: „Der Kurfürst sei nicht »gemeint« gewesen, die
Krone anzunehmen ohne Einwilligung des Kaisers." Dieser Ausdruck war
unverfänglich und entsprach ebenso den thatsächlichen Verhältnissen wie den
wirklichen Absichten des Kurfürsten. Die Abänderung wurde in Wien ge¬
nehmigt, und der Kronvertrag am 16. November 1700 in Wien unter¬
zeichnet.

Inzwischen waren auch mit England und den Niederlanden Unterhand¬
lungen wegen der Königskrone eröffnet worden. Von diesen Mächten wurde
anfangs ebenfalls sehr entschieden Widerspruch erhoben, von König Wilhelm
von Oranien insbesondre aus dem Grunde, weil sich Kurfürst Friedrich durch
den mit dem Kaiser abgeschlossenen Kronvertrag mit diesem gegen die Mächte
verbündet hatte, die sich in der spanischen Erbfolgefrage zu gemeinsamem Vor¬
gehn vereinigt hatten. Da trat plötzlich und unerwartet eine Wendung ein,
die auch den von dieser Seite erhobnen Widerspruch beseitigte. An demselben
Tage, wo in Wien der Vertrag mit Brandenburg unterzeichnet wurde, lief in
Wien die Nachricht ein, daß am 1. November Karl II. von Spanien sein
sieches Dasein beschlossen habe, unmittelbar darauf aber auch die weitere, daß



*) Vergl. or. Paul Stettiner, Zur Geschichte des preußischen Königstitels, S. 32,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/653>, abgerufen am 29.06.2024.