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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich III.

Die Frage der spanischen Erbfolge stand am Ausgang des siebzehnten
Jahrhunderts im Vordergrund aller politischen Fragen, die die damalige Zeit
bewegten. Die in Spanien regierende Linie des Hauses Habsburg war dem
Aussterben nahe und stand nur auf den beiden Augen des schon lange
kränkelnden Königs Karl II. Kaiser Leopold I. nahm die spanische Erbschaft
für seinen jüngern Sohn, den Erzherzog Karl, in Anspruch. Dem gegenüber
verbündeten sich Frankreich, England und die Niederlande zu einem Vertrage,
wonach Spanien selbst dem Kurprinzen von Bayern zufallen sollte, der nach
spanischem Erbfolgerechte die nächsten Ansprüche hatte, die übrigen mit Spanien
vereinigten Lande aber unter diese Mächte verteilt werden sollten. Für das
Haus Habsburg würde dabei nur Mailand übrig geblieben sein. Der ganze
Plan aber wurde dadurch wieder hinfällig, daß der bayrische Kurprinz am
8. Februar 1699 starb. Infolgedessen kam es zum Abschluß eines zweiten
Teilungsvertrags, wonach das Haus Österreich zwar Spanien erhalten, aber
auf Mailand verzichten und dadurch aus Italien ausgeschlossen werden sollte.
Bei dieser Lage der Dinge war es für den Kaiser von großer Bedeutung, sich
der Hilfe des Kurfürsten zu versichern, der über ein zahlreiches und wohl¬
gerüstetes Heer gebot, während er durch die fortgesetzte Verweigerung seiner
Einwilligung zur Königswürde diesen vielleicht auf die Seite der Gegner
Österreichs getrieben haben würde. So begann man denn in Wien sich in
den Kronverhandlungen williger zu zeigen. Freilich suchte man die Einwilligung
an sehr weitgehende Bedingungen zu knüpfen. Der Kurfürst sollte dem Kaiser
bis zur völligen Durchführung der spanischen Erbfolge zu Gunsten Österreichs
10900 Mann zu Hilfe schicken, ferner in allen Angelegenheiten des Reiches
mit Österreich stimmen, endlich sich , und seine Nachkommen verpflichten, bei
künftigen Kaiserwahlen allezeit einem österreichischen Erzherzog den Vorzug zu
geben. Nebenher gingen die kaiserlichen Wünsche auch noch dahin, daß Branden¬
burg auf die Vertretung der protestantischen Neligionsbeschwerden und damit
auf die Führerschaft der deutschen Evangelischen verzichten solle. Unmöglich
konnte Brandenburg sich diesen weitgehenden Anforderungen fügen, und es ist
dem Kurfürsten Friedrich zum bleibenden Verdienst anzurechnen, daß er eine
wesentliche Herabsetzung durchzusetzen wußte. Nach langwierigen Verhandlungen
begnügte sich der Kaiser mit 8000 Mann Hilfstruppen, die Brandenburg auf
eigne Kosten zu stellen versprach, und die auch in Oberitalien verwandt werden
sollten und nur, wenn Brandenburg selbst angegriffen würde, abgerufen werden
durften. Wenn sich der Kurfürst weiterhin verpflichtete, bei künftigen Kaiser¬
wahlen die Habsburgischen Kandidaten zu bevorzugen, so konnte das unter
den gegebnen Verhältnissen kaum für ein Opfer gelten und wurde durch die
Zusage kaiserlicher Hilfe zur Erwerbung der oranischen Erbschaft aufgewogen.

Die anfänglich gestellten konfessionellen Forderungen zu Gunsten der
katholischen Kirche ließ man allmählich fallen, je mehr sich der politische Ho¬
rizont in der spanischen Erbfolge verfinsterte, und je mehr man in Wien die
Unterstützung des Kurfürsten brauchte. Die wichtigste dieser Forderungen war die


Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich III.

Die Frage der spanischen Erbfolge stand am Ausgang des siebzehnten
Jahrhunderts im Vordergrund aller politischen Fragen, die die damalige Zeit
bewegten. Die in Spanien regierende Linie des Hauses Habsburg war dem
Aussterben nahe und stand nur auf den beiden Augen des schon lange
kränkelnden Königs Karl II. Kaiser Leopold I. nahm die spanische Erbschaft
für seinen jüngern Sohn, den Erzherzog Karl, in Anspruch. Dem gegenüber
verbündeten sich Frankreich, England und die Niederlande zu einem Vertrage,
wonach Spanien selbst dem Kurprinzen von Bayern zufallen sollte, der nach
spanischem Erbfolgerechte die nächsten Ansprüche hatte, die übrigen mit Spanien
vereinigten Lande aber unter diese Mächte verteilt werden sollten. Für das
Haus Habsburg würde dabei nur Mailand übrig geblieben sein. Der ganze
Plan aber wurde dadurch wieder hinfällig, daß der bayrische Kurprinz am
8. Februar 1699 starb. Infolgedessen kam es zum Abschluß eines zweiten
Teilungsvertrags, wonach das Haus Österreich zwar Spanien erhalten, aber
auf Mailand verzichten und dadurch aus Italien ausgeschlossen werden sollte.
Bei dieser Lage der Dinge war es für den Kaiser von großer Bedeutung, sich
der Hilfe des Kurfürsten zu versichern, der über ein zahlreiches und wohl¬
gerüstetes Heer gebot, während er durch die fortgesetzte Verweigerung seiner
Einwilligung zur Königswürde diesen vielleicht auf die Seite der Gegner
Österreichs getrieben haben würde. So begann man denn in Wien sich in
den Kronverhandlungen williger zu zeigen. Freilich suchte man die Einwilligung
an sehr weitgehende Bedingungen zu knüpfen. Der Kurfürst sollte dem Kaiser
bis zur völligen Durchführung der spanischen Erbfolge zu Gunsten Österreichs
10900 Mann zu Hilfe schicken, ferner in allen Angelegenheiten des Reiches
mit Österreich stimmen, endlich sich , und seine Nachkommen verpflichten, bei
künftigen Kaiserwahlen allezeit einem österreichischen Erzherzog den Vorzug zu
geben. Nebenher gingen die kaiserlichen Wünsche auch noch dahin, daß Branden¬
burg auf die Vertretung der protestantischen Neligionsbeschwerden und damit
auf die Führerschaft der deutschen Evangelischen verzichten solle. Unmöglich
konnte Brandenburg sich diesen weitgehenden Anforderungen fügen, und es ist
dem Kurfürsten Friedrich zum bleibenden Verdienst anzurechnen, daß er eine
wesentliche Herabsetzung durchzusetzen wußte. Nach langwierigen Verhandlungen
begnügte sich der Kaiser mit 8000 Mann Hilfstruppen, die Brandenburg auf
eigne Kosten zu stellen versprach, und die auch in Oberitalien verwandt werden
sollten und nur, wenn Brandenburg selbst angegriffen würde, abgerufen werden
durften. Wenn sich der Kurfürst weiterhin verpflichtete, bei künftigen Kaiser¬
wahlen die Habsburgischen Kandidaten zu bevorzugen, so konnte das unter
den gegebnen Verhältnissen kaum für ein Opfer gelten und wurde durch die
Zusage kaiserlicher Hilfe zur Erwerbung der oranischen Erbschaft aufgewogen.

Die anfänglich gestellten konfessionellen Forderungen zu Gunsten der
katholischen Kirche ließ man allmählich fallen, je mehr sich der politische Ho¬
rizont in der spanischen Erbfolge verfinsterte, und je mehr man in Wien die
Unterstützung des Kurfürsten brauchte. Die wichtigste dieser Forderungen war die


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[0652] Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich III. Die Frage der spanischen Erbfolge stand am Ausgang des siebzehnten Jahrhunderts im Vordergrund aller politischen Fragen, die die damalige Zeit bewegten. Die in Spanien regierende Linie des Hauses Habsburg war dem Aussterben nahe und stand nur auf den beiden Augen des schon lange kränkelnden Königs Karl II. Kaiser Leopold I. nahm die spanische Erbschaft für seinen jüngern Sohn, den Erzherzog Karl, in Anspruch. Dem gegenüber verbündeten sich Frankreich, England und die Niederlande zu einem Vertrage, wonach Spanien selbst dem Kurprinzen von Bayern zufallen sollte, der nach spanischem Erbfolgerechte die nächsten Ansprüche hatte, die übrigen mit Spanien vereinigten Lande aber unter diese Mächte verteilt werden sollten. Für das Haus Habsburg würde dabei nur Mailand übrig geblieben sein. Der ganze Plan aber wurde dadurch wieder hinfällig, daß der bayrische Kurprinz am 8. Februar 1699 starb. Infolgedessen kam es zum Abschluß eines zweiten Teilungsvertrags, wonach das Haus Österreich zwar Spanien erhalten, aber auf Mailand verzichten und dadurch aus Italien ausgeschlossen werden sollte. Bei dieser Lage der Dinge war es für den Kaiser von großer Bedeutung, sich der Hilfe des Kurfürsten zu versichern, der über ein zahlreiches und wohl¬ gerüstetes Heer gebot, während er durch die fortgesetzte Verweigerung seiner Einwilligung zur Königswürde diesen vielleicht auf die Seite der Gegner Österreichs getrieben haben würde. So begann man denn in Wien sich in den Kronverhandlungen williger zu zeigen. Freilich suchte man die Einwilligung an sehr weitgehende Bedingungen zu knüpfen. Der Kurfürst sollte dem Kaiser bis zur völligen Durchführung der spanischen Erbfolge zu Gunsten Österreichs 10900 Mann zu Hilfe schicken, ferner in allen Angelegenheiten des Reiches mit Österreich stimmen, endlich sich , und seine Nachkommen verpflichten, bei künftigen Kaiserwahlen allezeit einem österreichischen Erzherzog den Vorzug zu geben. Nebenher gingen die kaiserlichen Wünsche auch noch dahin, daß Branden¬ burg auf die Vertretung der protestantischen Neligionsbeschwerden und damit auf die Führerschaft der deutschen Evangelischen verzichten solle. Unmöglich konnte Brandenburg sich diesen weitgehenden Anforderungen fügen, und es ist dem Kurfürsten Friedrich zum bleibenden Verdienst anzurechnen, daß er eine wesentliche Herabsetzung durchzusetzen wußte. Nach langwierigen Verhandlungen begnügte sich der Kaiser mit 8000 Mann Hilfstruppen, die Brandenburg auf eigne Kosten zu stellen versprach, und die auch in Oberitalien verwandt werden sollten und nur, wenn Brandenburg selbst angegriffen würde, abgerufen werden durften. Wenn sich der Kurfürst weiterhin verpflichtete, bei künftigen Kaiser¬ wahlen die Habsburgischen Kandidaten zu bevorzugen, so konnte das unter den gegebnen Verhältnissen kaum für ein Opfer gelten und wurde durch die Zusage kaiserlicher Hilfe zur Erwerbung der oranischen Erbschaft aufgewogen. Die anfänglich gestellten konfessionellen Forderungen zu Gunsten der katholischen Kirche ließ man allmählich fallen, je mehr sich der politische Ho¬ rizont in der spanischen Erbfolge verfinsterte, und je mehr man in Wien die Unterstützung des Kurfürsten brauchte. Die wichtigste dieser Forderungen war die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/652>, abgerufen am 29.06.2024.