Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Aurfürst Friedrich III.

evangelischen Kirche billig Bedenken getragen, diese Prätension im geringsten
anzuerkennen oder etwas, so auch nur dahin gedeutet werden könnte, geschehen
zu lassen." Freiherr von Ilgen fügt dann weiter hinzu, daß "aus dem
Schreiben, das der Papst Innocenz XII. nach der ohne seine Mitwirkung und
Zustimmung vollzognen Krönung an den Bischof von Ermland habe abgehn
lassen, zu ersehen sei, wie der Papst die lächerliche Meinung gehabt habe,
Ihre Königliche Majestät durch das Verlangen nach der königlichen Würde,
wo nicht von Ihrer Religion abzuziehn, dennoch etwas zum Besten der Katho¬
lischen in Preußen und anderswo von ihr zu extorquieren." Es ist schwer
verständlich, wie nach dieser bestimmten Erklärung des Freiherrn von Ilgen,
des Staatsmanns, der während der über die Erwerbung der Königskrone
gepflognen Verhandlungen die rechte Hand Friedrichs gewesen ist, noch heute
katholisch-ultramontane Schriftsteller die Meinung vertreten und verkündigen
können, daß sich die Jesuiten um die Erwerbung der Königskrone von feiten
des Kurfürsten Friedrich besondre Verdienste erworben Hütten. Es ist dies
erst vor wenig Jahren in einer unter dem Titel: "Der Anteil der Jesuiten
an der Preußischen Königskrone" erschienenen Schrift von Nikolaus Thones
geschehn. Diese Schrift hat der bekannte Neichstagsabgcordnete Dr. Lieber, der
gegenwärtige Führer des Zentrums, mit einem Vorwort versehen, und derselbe
Lieber hat in einer unmittelbar vor dem Erscheinen dieser Schrift abgehaltnen
Katholikenversammlung, einer der großen Heerschauen, die alljährlich mit so
großem Pomp abgehalten werden, als neuen Grund für die von jeder dieser
Versammlungen so stürmisch geforderte Zurückberufung der Jesuiten den an¬
geführt, "daß dem Namen nach bekannte einflußreiche Mitglieder dieses Ordens
am Ende des siebzehnten und in der Morgenröte des achtzehnten Jahrhunderts
auch die Wege geebnet haben, damit der erste Hohenzollernkönig zum Königs¬
thron emporsteigen konnte."

Das wirkliche Verdienst, die Schwierigkeiten, die sich der Erwerbung der
Königskrone entgegenstellten, beseitigt zu haben, gebührt dem schon erwähnten
brandenburgischen Gesandten in Wien, Christian von Bartholdi, der nach langen
Verhandlungen einen Kronvertrag mit dem Kaiser zum Abschluß gebracht hat.
Als er die Frage der Erhebung Preußens zum Königreich in Wien zuerst anregte,
stieß sie dort sowohl aus politischen wie aus religiösen Gründen zunächst auf
mancherlei Widerstand. Die Königskrone, so machte man in Wien geltend,
schließe ungeheure Rechte ein, und einen evangelischen Fürsten dürfe man nicht
größer machen, als er sei. Leicht könne ein solcher bei gegebner Gelegenheit
"ach dem Kaisertum streben. Aber Bartholdi ließ sich dadurch nicht abhalten,
immer von neuem auf den Wunsch des Kurfürsten zurückzukommen. Sein Herr,
so ließ er in Wien vernehmen, sei nun einmal entschlossen, die Königskrone
anzunehmen. Man habe ihn wohl sagen hören, er würde sich eher einen
Finger an seiner Hand abschneiden lassen, als seinen Plan aufgeben, und er habe
auch mancherlei Mittel in Händen, ihn auch durchzuführen. Ein solches
Mittel bot sich ihm in der damaligen politischen Lage Europas dar.


Grenzboten IV 1900 75
Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Aurfürst Friedrich III.

evangelischen Kirche billig Bedenken getragen, diese Prätension im geringsten
anzuerkennen oder etwas, so auch nur dahin gedeutet werden könnte, geschehen
zu lassen." Freiherr von Ilgen fügt dann weiter hinzu, daß „aus dem
Schreiben, das der Papst Innocenz XII. nach der ohne seine Mitwirkung und
Zustimmung vollzognen Krönung an den Bischof von Ermland habe abgehn
lassen, zu ersehen sei, wie der Papst die lächerliche Meinung gehabt habe,
Ihre Königliche Majestät durch das Verlangen nach der königlichen Würde,
wo nicht von Ihrer Religion abzuziehn, dennoch etwas zum Besten der Katho¬
lischen in Preußen und anderswo von ihr zu extorquieren." Es ist schwer
verständlich, wie nach dieser bestimmten Erklärung des Freiherrn von Ilgen,
des Staatsmanns, der während der über die Erwerbung der Königskrone
gepflognen Verhandlungen die rechte Hand Friedrichs gewesen ist, noch heute
katholisch-ultramontane Schriftsteller die Meinung vertreten und verkündigen
können, daß sich die Jesuiten um die Erwerbung der Königskrone von feiten
des Kurfürsten Friedrich besondre Verdienste erworben Hütten. Es ist dies
erst vor wenig Jahren in einer unter dem Titel: „Der Anteil der Jesuiten
an der Preußischen Königskrone" erschienenen Schrift von Nikolaus Thones
geschehn. Diese Schrift hat der bekannte Neichstagsabgcordnete Dr. Lieber, der
gegenwärtige Führer des Zentrums, mit einem Vorwort versehen, und derselbe
Lieber hat in einer unmittelbar vor dem Erscheinen dieser Schrift abgehaltnen
Katholikenversammlung, einer der großen Heerschauen, die alljährlich mit so
großem Pomp abgehalten werden, als neuen Grund für die von jeder dieser
Versammlungen so stürmisch geforderte Zurückberufung der Jesuiten den an¬
geführt, „daß dem Namen nach bekannte einflußreiche Mitglieder dieses Ordens
am Ende des siebzehnten und in der Morgenröte des achtzehnten Jahrhunderts
auch die Wege geebnet haben, damit der erste Hohenzollernkönig zum Königs¬
thron emporsteigen konnte."

Das wirkliche Verdienst, die Schwierigkeiten, die sich der Erwerbung der
Königskrone entgegenstellten, beseitigt zu haben, gebührt dem schon erwähnten
brandenburgischen Gesandten in Wien, Christian von Bartholdi, der nach langen
Verhandlungen einen Kronvertrag mit dem Kaiser zum Abschluß gebracht hat.
Als er die Frage der Erhebung Preußens zum Königreich in Wien zuerst anregte,
stieß sie dort sowohl aus politischen wie aus religiösen Gründen zunächst auf
mancherlei Widerstand. Die Königskrone, so machte man in Wien geltend,
schließe ungeheure Rechte ein, und einen evangelischen Fürsten dürfe man nicht
größer machen, als er sei. Leicht könne ein solcher bei gegebner Gelegenheit
»ach dem Kaisertum streben. Aber Bartholdi ließ sich dadurch nicht abhalten,
immer von neuem auf den Wunsch des Kurfürsten zurückzukommen. Sein Herr,
so ließ er in Wien vernehmen, sei nun einmal entschlossen, die Königskrone
anzunehmen. Man habe ihn wohl sagen hören, er würde sich eher einen
Finger an seiner Hand abschneiden lassen, als seinen Plan aufgeben, und er habe
auch mancherlei Mittel in Händen, ihn auch durchzuführen. Ein solches
Mittel bot sich ihm in der damaligen politischen Lage Europas dar.


Grenzboten IV 1900 75
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0651" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291728"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Aurfürst Friedrich III.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2547" prev="#ID_2546"> evangelischen Kirche billig Bedenken getragen, diese Prätension im geringsten<lb/>
anzuerkennen oder etwas, so auch nur dahin gedeutet werden könnte, geschehen<lb/>
zu lassen." Freiherr von Ilgen fügt dann weiter hinzu, daß &#x201E;aus dem<lb/>
Schreiben, das der Papst Innocenz XII. nach der ohne seine Mitwirkung und<lb/>
Zustimmung vollzognen Krönung an den Bischof von Ermland habe abgehn<lb/>
lassen, zu ersehen sei, wie der Papst die lächerliche Meinung gehabt habe,<lb/>
Ihre Königliche Majestät durch das Verlangen nach der königlichen Würde,<lb/>
wo nicht von Ihrer Religion abzuziehn, dennoch etwas zum Besten der Katho¬<lb/>
lischen in Preußen und anderswo von ihr zu extorquieren." Es ist schwer<lb/>
verständlich, wie nach dieser bestimmten Erklärung des Freiherrn von Ilgen,<lb/>
des Staatsmanns, der während der über die Erwerbung der Königskrone<lb/>
gepflognen Verhandlungen die rechte Hand Friedrichs gewesen ist, noch heute<lb/>
katholisch-ultramontane Schriftsteller die Meinung vertreten und verkündigen<lb/>
können, daß sich die Jesuiten um die Erwerbung der Königskrone von feiten<lb/>
des Kurfürsten Friedrich besondre Verdienste erworben Hütten. Es ist dies<lb/>
erst vor wenig Jahren in einer unter dem Titel: &#x201E;Der Anteil der Jesuiten<lb/>
an der Preußischen Königskrone" erschienenen Schrift von Nikolaus Thones<lb/>
geschehn. Diese Schrift hat der bekannte Neichstagsabgcordnete Dr. Lieber, der<lb/>
gegenwärtige Führer des Zentrums, mit einem Vorwort versehen, und derselbe<lb/>
Lieber hat in einer unmittelbar vor dem Erscheinen dieser Schrift abgehaltnen<lb/>
Katholikenversammlung, einer der großen Heerschauen, die alljährlich mit so<lb/>
großem Pomp abgehalten werden, als neuen Grund für die von jeder dieser<lb/>
Versammlungen so stürmisch geforderte Zurückberufung der Jesuiten den an¬<lb/>
geführt, &#x201E;daß dem Namen nach bekannte einflußreiche Mitglieder dieses Ordens<lb/>
am Ende des siebzehnten und in der Morgenröte des achtzehnten Jahrhunderts<lb/>
auch die Wege geebnet haben, damit der erste Hohenzollernkönig zum Königs¬<lb/>
thron emporsteigen konnte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2548"> Das wirkliche Verdienst, die Schwierigkeiten, die sich der Erwerbung der<lb/>
Königskrone entgegenstellten, beseitigt zu haben, gebührt dem schon erwähnten<lb/>
brandenburgischen Gesandten in Wien, Christian von Bartholdi, der nach langen<lb/>
Verhandlungen einen Kronvertrag mit dem Kaiser zum Abschluß gebracht hat.<lb/>
Als er die Frage der Erhebung Preußens zum Königreich in Wien zuerst anregte,<lb/>
stieß sie dort sowohl aus politischen wie aus religiösen Gründen zunächst auf<lb/>
mancherlei Widerstand. Die Königskrone, so machte man in Wien geltend,<lb/>
schließe ungeheure Rechte ein, und einen evangelischen Fürsten dürfe man nicht<lb/>
größer machen, als er sei. Leicht könne ein solcher bei gegebner Gelegenheit<lb/>
»ach dem Kaisertum streben. Aber Bartholdi ließ sich dadurch nicht abhalten,<lb/>
immer von neuem auf den Wunsch des Kurfürsten zurückzukommen. Sein Herr,<lb/>
so ließ er in Wien vernehmen, sei nun einmal entschlossen, die Königskrone<lb/>
anzunehmen. Man habe ihn wohl sagen hören, er würde sich eher einen<lb/>
Finger an seiner Hand abschneiden lassen, als seinen Plan aufgeben, und er habe<lb/>
auch mancherlei Mittel in Händen, ihn auch durchzuführen. Ein solches<lb/>
Mittel bot sich ihm in der damaligen politischen Lage Europas dar.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1900 75</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0651] Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Aurfürst Friedrich III. evangelischen Kirche billig Bedenken getragen, diese Prätension im geringsten anzuerkennen oder etwas, so auch nur dahin gedeutet werden könnte, geschehen zu lassen." Freiherr von Ilgen fügt dann weiter hinzu, daß „aus dem Schreiben, das der Papst Innocenz XII. nach der ohne seine Mitwirkung und Zustimmung vollzognen Krönung an den Bischof von Ermland habe abgehn lassen, zu ersehen sei, wie der Papst die lächerliche Meinung gehabt habe, Ihre Königliche Majestät durch das Verlangen nach der königlichen Würde, wo nicht von Ihrer Religion abzuziehn, dennoch etwas zum Besten der Katho¬ lischen in Preußen und anderswo von ihr zu extorquieren." Es ist schwer verständlich, wie nach dieser bestimmten Erklärung des Freiherrn von Ilgen, des Staatsmanns, der während der über die Erwerbung der Königskrone gepflognen Verhandlungen die rechte Hand Friedrichs gewesen ist, noch heute katholisch-ultramontane Schriftsteller die Meinung vertreten und verkündigen können, daß sich die Jesuiten um die Erwerbung der Königskrone von feiten des Kurfürsten Friedrich besondre Verdienste erworben Hütten. Es ist dies erst vor wenig Jahren in einer unter dem Titel: „Der Anteil der Jesuiten an der Preußischen Königskrone" erschienenen Schrift von Nikolaus Thones geschehn. Diese Schrift hat der bekannte Neichstagsabgcordnete Dr. Lieber, der gegenwärtige Führer des Zentrums, mit einem Vorwort versehen, und derselbe Lieber hat in einer unmittelbar vor dem Erscheinen dieser Schrift abgehaltnen Katholikenversammlung, einer der großen Heerschauen, die alljährlich mit so großem Pomp abgehalten werden, als neuen Grund für die von jeder dieser Versammlungen so stürmisch geforderte Zurückberufung der Jesuiten den an¬ geführt, „daß dem Namen nach bekannte einflußreiche Mitglieder dieses Ordens am Ende des siebzehnten und in der Morgenröte des achtzehnten Jahrhunderts auch die Wege geebnet haben, damit der erste Hohenzollernkönig zum Königs¬ thron emporsteigen konnte." Das wirkliche Verdienst, die Schwierigkeiten, die sich der Erwerbung der Königskrone entgegenstellten, beseitigt zu haben, gebührt dem schon erwähnten brandenburgischen Gesandten in Wien, Christian von Bartholdi, der nach langen Verhandlungen einen Kronvertrag mit dem Kaiser zum Abschluß gebracht hat. Als er die Frage der Erhebung Preußens zum Königreich in Wien zuerst anregte, stieß sie dort sowohl aus politischen wie aus religiösen Gründen zunächst auf mancherlei Widerstand. Die Königskrone, so machte man in Wien geltend, schließe ungeheure Rechte ein, und einen evangelischen Fürsten dürfe man nicht größer machen, als er sei. Leicht könne ein solcher bei gegebner Gelegenheit »ach dem Kaisertum streben. Aber Bartholdi ließ sich dadurch nicht abhalten, immer von neuem auf den Wunsch des Kurfürsten zurückzukommen. Sein Herr, so ließ er in Wien vernehmen, sei nun einmal entschlossen, die Königskrone anzunehmen. Man habe ihn wohl sagen hören, er würde sich eher einen Finger an seiner Hand abschneiden lassen, als seinen Plan aufgeben, und er habe auch mancherlei Mittel in Händen, ihn auch durchzuführen. Ein solches Mittel bot sich ihm in der damaligen politischen Lage Europas dar. Grenzboten IV 1900 75

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/651
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/651>, abgerufen am 28.09.2024.