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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich IQ.

liebe in dergleichen Händel einmischten. Der Pater Wolff, so fügte Bartholdi
hinzu, ist hierüber fast verdrießlich. Man hatte also sogar an dem katho¬
lischen Wiener Hofe das Gefühl, daß einem frommen Orden die Beschäftigung
mit politischen Angelegenheiten nicht zustehe. Heutzutage scheint dieses Gefühl
dem Politiker Dr. Lieber und denen, die die Rückkehr der Jesuiten fordern,
abhanden gekommen zu sein. "Mit dem Scheitern seines Plans -- so schreibt
der Meister brandenburgisch-preußischer Geschichtsforschung, Droysen -- schien
Pater Wolff wie gebrochen. Sonst so sicher in seinem Auftreten, so zuver¬
sichtlich in seinen Entschlüssen, war er nun kleinmütig scheu vor den Ränken
seiner Feinde besorgt. Er erbat sich die Erlaubnis, den Hof zu verlassen, um
in der Stille des Jesuitenkollegs zu Breslau seinen Tod zu erwarten. Er
setzte dann noch die schon vorher von ihm eifrig betriebne Gründung einer
jesuitischen Universität in der gut evangelischen Stadt Breslau durch (1702)."

Also auch hier kommt als Endergebnis heraus: Pater Wolff wollte die
Hohenzollern in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückführen, ebenso
wie Pater Vota. Durch die Gefälligkeiten, die er dem Kurfürsten erwies, dachte
er ihn zum Eingehn auf seine Wünsche willig zu machen, aber er hatte sich
hierbei ebenso verrechnet wie jener.

Es liegen mehrfache Äußerungen des Kurfürsten Friedrich vor, aus denen
hervorgeht, daß dieser den Vorschlag, seine Krone aus den Händen des Papstes
zu nehmen, mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen hat. "Lieber möge das
ganze Werk scheitern," so lautete seine Antwort auf diese Zumutung. Wie
weit er auch an Geistesgröße und Willenskraft hinter seinem Vater zurück¬
stand, in der Tiefe, Wärme und Festigkeit seiner religiösen Überzeugung ist
er ihm völlig gleich gewesen. Ja die Abneigung gegen den Katholizismus
war bei ihm vielleicht noch stärker als beim Vater. Hat er doch sogar an
den Erlaß eines Hausgesetzes gedacht, daß "wenn ein Prinz von Preußen
oder Markgraf von Brandenburg zu der papistischen Religion hinführen oder
treten würde, derselbe der Succession an der Krone, Kur- und sämtlichen
Landen in xsrxswum unfähig sein solle." Sein Lieblingsgedanke war die
Einigung von Lutheranern und Reformierten, aber keineswegs eine Vereinigung
der infolge der Reformation getrennten Kirchen auf einer Grundlage, die nur
dem Katholizismus zu gute gekommen sein würde.

Auch durch eine Denkschrift, die der einflußreichste Ratgeber König
Friedrichs, der Geheime Rat Freiherr von Ilgen, im Jahre 1704 über die
Erwerbung der preußischen Königskrone abgefaßt hat, wird diese Stellung des
Kurfürsten zu den Anerbietungen der im Interesse des päpstlichen Stuhles
wirkenden Unterhändler vollauf bestätigt. "Mit dem Papst zu Rom -- so
schreibt Ilgen -- hat Ihre Königliche Majestät, ohne erachtet von verschiednen
Bischöfen und Prälaten Anlaß dazu gegeben worden, nichts wegen dieser Sache
zu schaffen haben wollen; denn obgleich der römische Stuhl von alten Zeiten
her bei Kreierung neuer Könige sich eine große Prärogative angemaßet, so
haben doch Ihre Königliche Majestät als eine der vornehmsten Stützen der


Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich IQ.

liebe in dergleichen Händel einmischten. Der Pater Wolff, so fügte Bartholdi
hinzu, ist hierüber fast verdrießlich. Man hatte also sogar an dem katho¬
lischen Wiener Hofe das Gefühl, daß einem frommen Orden die Beschäftigung
mit politischen Angelegenheiten nicht zustehe. Heutzutage scheint dieses Gefühl
dem Politiker Dr. Lieber und denen, die die Rückkehr der Jesuiten fordern,
abhanden gekommen zu sein. „Mit dem Scheitern seines Plans — so schreibt
der Meister brandenburgisch-preußischer Geschichtsforschung, Droysen — schien
Pater Wolff wie gebrochen. Sonst so sicher in seinem Auftreten, so zuver¬
sichtlich in seinen Entschlüssen, war er nun kleinmütig scheu vor den Ränken
seiner Feinde besorgt. Er erbat sich die Erlaubnis, den Hof zu verlassen, um
in der Stille des Jesuitenkollegs zu Breslau seinen Tod zu erwarten. Er
setzte dann noch die schon vorher von ihm eifrig betriebne Gründung einer
jesuitischen Universität in der gut evangelischen Stadt Breslau durch (1702)."

Also auch hier kommt als Endergebnis heraus: Pater Wolff wollte die
Hohenzollern in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückführen, ebenso
wie Pater Vota. Durch die Gefälligkeiten, die er dem Kurfürsten erwies, dachte
er ihn zum Eingehn auf seine Wünsche willig zu machen, aber er hatte sich
hierbei ebenso verrechnet wie jener.

Es liegen mehrfache Äußerungen des Kurfürsten Friedrich vor, aus denen
hervorgeht, daß dieser den Vorschlag, seine Krone aus den Händen des Papstes
zu nehmen, mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen hat. „Lieber möge das
ganze Werk scheitern," so lautete seine Antwort auf diese Zumutung. Wie
weit er auch an Geistesgröße und Willenskraft hinter seinem Vater zurück¬
stand, in der Tiefe, Wärme und Festigkeit seiner religiösen Überzeugung ist
er ihm völlig gleich gewesen. Ja die Abneigung gegen den Katholizismus
war bei ihm vielleicht noch stärker als beim Vater. Hat er doch sogar an
den Erlaß eines Hausgesetzes gedacht, daß „wenn ein Prinz von Preußen
oder Markgraf von Brandenburg zu der papistischen Religion hinführen oder
treten würde, derselbe der Succession an der Krone, Kur- und sämtlichen
Landen in xsrxswum unfähig sein solle." Sein Lieblingsgedanke war die
Einigung von Lutheranern und Reformierten, aber keineswegs eine Vereinigung
der infolge der Reformation getrennten Kirchen auf einer Grundlage, die nur
dem Katholizismus zu gute gekommen sein würde.

Auch durch eine Denkschrift, die der einflußreichste Ratgeber König
Friedrichs, der Geheime Rat Freiherr von Ilgen, im Jahre 1704 über die
Erwerbung der preußischen Königskrone abgefaßt hat, wird diese Stellung des
Kurfürsten zu den Anerbietungen der im Interesse des päpstlichen Stuhles
wirkenden Unterhändler vollauf bestätigt. „Mit dem Papst zu Rom — so
schreibt Ilgen — hat Ihre Königliche Majestät, ohne erachtet von verschiednen
Bischöfen und Prälaten Anlaß dazu gegeben worden, nichts wegen dieser Sache
zu schaffen haben wollen; denn obgleich der römische Stuhl von alten Zeiten
her bei Kreierung neuer Könige sich eine große Prärogative angemaßet, so
haben doch Ihre Königliche Majestät als eine der vornehmsten Stützen der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/650>, abgerufen am 29.06.2024.