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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Rurfürst Friedrich III,

Kronfrage bei dem Kaiser Dienste zu leisten. Dieser Pater Wolfs war ein
in diplomatischen Geschäften überaus gewandter und erfahrner Mann, gelehrt,
von feiner weltmännischer Bildung und an politischen Verbindungen überaus
reich. Im Unterschiede von Vota, der bei seinen Bemühungen in dieser An¬
gelegenheit auch die Befriedigung seines persönlichen Ehrgeizes im Auge hatte,
war er insofern ein ehrlicher Jesuit, als er wirklich nur zur größern Ehre
Gottes, d. h. der römischen Kirche, und nicht in Rücksicht auf eignen Vorteil
zu wirken suchte. Mit Freuden ergriff er die ihm aus Versehen gebotne Ge¬
legenheit zur Vermittlung bei den Verhandlungen wegen der Königskrone.
Dem Kurfürsten war Pater Wolfs nicht unbekannt. Er hatte in der schon
erwähnten Schwiebuser Angelegenheit, in der der Wiener Hof, wie wir
gesehen haben, den Großen Kurfürsten wie den Kurprinzen in der schänd¬
lichsten Weise hinterging, insofern eine Rolle gespielt, als er bei dem dem
Kurprinzen abgedrungnen Revers ins Geheimnis gezogen worden war. Ver¬
mutlich hatte er sich schon damals dem Kurprinzen erboten, ihm bei ferner
sich darbietender Gelegenheit an die Hand zu gehn. Zu dem König von Polen,
der bei der Kronfrage wesentlich in Betracht kam, hatte er mehrfach Beziehungen.
Vor allem aber hatte er beim Kaiser Leopold I. maßgebenden Einfluß, und
diesen suchte er in der Kronfrage geltend zu machen. Des Kaisers Macht,
so stellte er diesem vor, würde eine Stärkung nach außen erfahren, wenn ein
Kurfürst für ein unabhängiges Gebiet, das außerhalb des Reichs lag, die
Königskrone von seiner Zustimmung oder wohl gar Erlaubnis abhängig mache
und ihn dadurch als weltliches Oberhaupt der Christenheit vor aller Welt
anerkenne."') Aber auch er verfolgte dabei den Gedanken einer möglichen Be¬
kehrung des kurfürstlichen Hoff zur katholischen Kirche. Zu diesen: Zwecke
regte er die Heirat eiuer österreichischen Erzherzogin mit dem Kurprinzen, dem
nachmaligen König Friedrich Wilhelm I. an. Er suchte für den Plan dadurch
Stimmung zu machen, daß er andeutete, nur die Prinzessinnen würden der
Religion der Mutter zu folgen brauchen, die Prinzen könnten im protestan¬
tischen Glauben erzogen werden. Der Hintergedanke dieses Plans war natürlich
nur der, daß sich auf diesem Wege die Jesuiten in dem preußischen Königs¬
hause einnisten könnten. Zu früh für die Jesuiten ließ Pater Wolff diesen
Plan den wachsamen Gesandten Bartholdi in Wien und durch diesen den
Kurfürsten durchschauen. Auch ihn wußte man in Berlin hinzuhalten und seine
Hoffnungen zu nähren, bis in Wien auf anderm Wege die Entscheidung zu
Gunsten des Kurfürsten und seiner Bewerbung um die Königskrone gefallen
war. Erst als dies geschehn war, wurde er auf seinen Wunsch nach Berlin
eingeladen, damit er die gegebne Zustimmung des Kaisers überbrachte. Der
Kaiser selbst wollte auch dann der Reise noch nicht zustimmen, weil er, wie
der brandenburgische Gesandte berichtete, "es nicht haben möge," daß sich Geist-



*) Dr. P. Stettiner, Zur Geschichte des preußischen Königstitels. Königsberg in Preußen,
1900. Seite 31.
Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Rurfürst Friedrich III,

Kronfrage bei dem Kaiser Dienste zu leisten. Dieser Pater Wolfs war ein
in diplomatischen Geschäften überaus gewandter und erfahrner Mann, gelehrt,
von feiner weltmännischer Bildung und an politischen Verbindungen überaus
reich. Im Unterschiede von Vota, der bei seinen Bemühungen in dieser An¬
gelegenheit auch die Befriedigung seines persönlichen Ehrgeizes im Auge hatte,
war er insofern ein ehrlicher Jesuit, als er wirklich nur zur größern Ehre
Gottes, d. h. der römischen Kirche, und nicht in Rücksicht auf eignen Vorteil
zu wirken suchte. Mit Freuden ergriff er die ihm aus Versehen gebotne Ge¬
legenheit zur Vermittlung bei den Verhandlungen wegen der Königskrone.
Dem Kurfürsten war Pater Wolfs nicht unbekannt. Er hatte in der schon
erwähnten Schwiebuser Angelegenheit, in der der Wiener Hof, wie wir
gesehen haben, den Großen Kurfürsten wie den Kurprinzen in der schänd¬
lichsten Weise hinterging, insofern eine Rolle gespielt, als er bei dem dem
Kurprinzen abgedrungnen Revers ins Geheimnis gezogen worden war. Ver¬
mutlich hatte er sich schon damals dem Kurprinzen erboten, ihm bei ferner
sich darbietender Gelegenheit an die Hand zu gehn. Zu dem König von Polen,
der bei der Kronfrage wesentlich in Betracht kam, hatte er mehrfach Beziehungen.
Vor allem aber hatte er beim Kaiser Leopold I. maßgebenden Einfluß, und
diesen suchte er in der Kronfrage geltend zu machen. Des Kaisers Macht,
so stellte er diesem vor, würde eine Stärkung nach außen erfahren, wenn ein
Kurfürst für ein unabhängiges Gebiet, das außerhalb des Reichs lag, die
Königskrone von seiner Zustimmung oder wohl gar Erlaubnis abhängig mache
und ihn dadurch als weltliches Oberhaupt der Christenheit vor aller Welt
anerkenne."') Aber auch er verfolgte dabei den Gedanken einer möglichen Be¬
kehrung des kurfürstlichen Hoff zur katholischen Kirche. Zu diesen: Zwecke
regte er die Heirat eiuer österreichischen Erzherzogin mit dem Kurprinzen, dem
nachmaligen König Friedrich Wilhelm I. an. Er suchte für den Plan dadurch
Stimmung zu machen, daß er andeutete, nur die Prinzessinnen würden der
Religion der Mutter zu folgen brauchen, die Prinzen könnten im protestan¬
tischen Glauben erzogen werden. Der Hintergedanke dieses Plans war natürlich
nur der, daß sich auf diesem Wege die Jesuiten in dem preußischen Königs¬
hause einnisten könnten. Zu früh für die Jesuiten ließ Pater Wolff diesen
Plan den wachsamen Gesandten Bartholdi in Wien und durch diesen den
Kurfürsten durchschauen. Auch ihn wußte man in Berlin hinzuhalten und seine
Hoffnungen zu nähren, bis in Wien auf anderm Wege die Entscheidung zu
Gunsten des Kurfürsten und seiner Bewerbung um die Königskrone gefallen
war. Erst als dies geschehn war, wurde er auf seinen Wunsch nach Berlin
eingeladen, damit er die gegebne Zustimmung des Kaisers überbrachte. Der
Kaiser selbst wollte auch dann der Reise noch nicht zustimmen, weil er, wie
der brandenburgische Gesandte berichtete, „es nicht haben möge," daß sich Geist-



*) Dr. P. Stettiner, Zur Geschichte des preußischen Königstitels. Königsberg in Preußen,
1900. Seite 31.
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[0649] Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Rurfürst Friedrich III, Kronfrage bei dem Kaiser Dienste zu leisten. Dieser Pater Wolfs war ein in diplomatischen Geschäften überaus gewandter und erfahrner Mann, gelehrt, von feiner weltmännischer Bildung und an politischen Verbindungen überaus reich. Im Unterschiede von Vota, der bei seinen Bemühungen in dieser An¬ gelegenheit auch die Befriedigung seines persönlichen Ehrgeizes im Auge hatte, war er insofern ein ehrlicher Jesuit, als er wirklich nur zur größern Ehre Gottes, d. h. der römischen Kirche, und nicht in Rücksicht auf eignen Vorteil zu wirken suchte. Mit Freuden ergriff er die ihm aus Versehen gebotne Ge¬ legenheit zur Vermittlung bei den Verhandlungen wegen der Königskrone. Dem Kurfürsten war Pater Wolfs nicht unbekannt. Er hatte in der schon erwähnten Schwiebuser Angelegenheit, in der der Wiener Hof, wie wir gesehen haben, den Großen Kurfürsten wie den Kurprinzen in der schänd¬ lichsten Weise hinterging, insofern eine Rolle gespielt, als er bei dem dem Kurprinzen abgedrungnen Revers ins Geheimnis gezogen worden war. Ver¬ mutlich hatte er sich schon damals dem Kurprinzen erboten, ihm bei ferner sich darbietender Gelegenheit an die Hand zu gehn. Zu dem König von Polen, der bei der Kronfrage wesentlich in Betracht kam, hatte er mehrfach Beziehungen. Vor allem aber hatte er beim Kaiser Leopold I. maßgebenden Einfluß, und diesen suchte er in der Kronfrage geltend zu machen. Des Kaisers Macht, so stellte er diesem vor, würde eine Stärkung nach außen erfahren, wenn ein Kurfürst für ein unabhängiges Gebiet, das außerhalb des Reichs lag, die Königskrone von seiner Zustimmung oder wohl gar Erlaubnis abhängig mache und ihn dadurch als weltliches Oberhaupt der Christenheit vor aller Welt anerkenne."') Aber auch er verfolgte dabei den Gedanken einer möglichen Be¬ kehrung des kurfürstlichen Hoff zur katholischen Kirche. Zu diesen: Zwecke regte er die Heirat eiuer österreichischen Erzherzogin mit dem Kurprinzen, dem nachmaligen König Friedrich Wilhelm I. an. Er suchte für den Plan dadurch Stimmung zu machen, daß er andeutete, nur die Prinzessinnen würden der Religion der Mutter zu folgen brauchen, die Prinzen könnten im protestan¬ tischen Glauben erzogen werden. Der Hintergedanke dieses Plans war natürlich nur der, daß sich auf diesem Wege die Jesuiten in dem preußischen Königs¬ hause einnisten könnten. Zu früh für die Jesuiten ließ Pater Wolff diesen Plan den wachsamen Gesandten Bartholdi in Wien und durch diesen den Kurfürsten durchschauen. Auch ihn wußte man in Berlin hinzuhalten und seine Hoffnungen zu nähren, bis in Wien auf anderm Wege die Entscheidung zu Gunsten des Kurfürsten und seiner Bewerbung um die Königskrone gefallen war. Erst als dies geschehn war, wurde er auf seinen Wunsch nach Berlin eingeladen, damit er die gegebne Zustimmung des Kaisers überbrachte. Der Kaiser selbst wollte auch dann der Reise noch nicht zustimmen, weil er, wie der brandenburgische Gesandte berichtete, „es nicht haben möge," daß sich Geist- *) Dr. P. Stettiner, Zur Geschichte des preußischen Königstitels. Königsberg in Preußen, 1900. Seite 31.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/649>, abgerufen am 28.09.2024.