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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Aurfürst Friedrich HI,

dafür den Bischof von Ermland, Grafen Zaluski, verantwortlich, indem er be¬
richtet, daß in dem Augenblicke, wo er im Begriffe gewesen sei, die Sichel
an die Ernte zu legen, sie ihm von dem Bischof von Ermland aus den
Händen entrissen worden sei, der seine Zurückberufung veranlaßt habe, um die
schon reife Frucht selbst zu pflücken und zu genießen. Dieser Bischof strebte
mit allen Mitteln danach, das Bistum Samland, das bei der Umwandlung
des preußischen Ordenslandes in ein weltliches Herzogtum evangelisch geworden
war, wieder mit dem apostolischen Stuhle zu vereinigen. Zu diesem Zwecke
hatte er eine Jesuitenmission ins Land gerufen, die die eifrigste Propaganda
im Samland betrieb. Seine Reise nach Rom, die er als neuernannter Bischof
von Ermland unternahm, benutzte er dazu, den Papst für die Kronfrage zu
gewinnen, indem er dem päpstlichen Stuhle Hoffnung machte, daß der Kur¬
fürst mit der Zeit die katholische Religion annehmen werde. Aus Rom zurück¬
gekehrt machte Graf Zaluski dem brandenburgischen Residenten am polnischen
Hofe zu Warschau im Vertrauen die Mitteilung, daß er den Papst und das
ganze Kollegium der Kardinäle für die Unterstützung in der Kronfrage bei den
katholischen Großmächten gewonnen Hütte. Er versprach auch die schriftlichen
Dokumente zu zeigen, die er darüber in Händen habe, sobald er zu einer per¬
sönlichen Zusammenkunft nur irgendwie Gelegenheit haben würde. Bald darauf
ließ er vernehmen, daß man in Rom dem neuen Herrscher nur dann den Titel
einer geheiligten Majestät geben werde, wenn er durch einen Bischof gesalbt
werde. Der Bischof des Erinlandes hegte dabei die Hoffnung, daß er selbst
mit der Vollziehung der Krönung beauftragt werden könnte. Durch solchen
Dienst hoffte er dann sein Ziel zu erreichen und als Bischof von Samland
anerkennt zu werden.

Aber auch die verlockenden Anerbietungen des Bischofs von Ermland
führten nicht zu dem von ihm erstrebten Ziele. Auch ihm gegenüber zeigten
sich sowohl der Kurfürst als seine Räte von einem Zugeständnis an die
römische Kirche weit entfernt. Man begnügte sich damit, sich seiner zu be¬
dienen, um durch ihn die Zustimmung des Königs von Polen, unter dessen
Oberhoheit das Herzogtum Preußen stand, für die Erhebung des Herzogtums
zum Königreiche zu gewinnen. Aus diesem Grunde suchte man ihn solange
wie möglich hinzuhalten, ohne ihm die noch bis kurz vor der Krönung ge¬
hegten Hoffnungen völlig zu nehmen. Dagegen ist die gelegentliche Äußerung
des Bischofs von Ermland, daß die Krönung von einem Bischof vollzogen
werden müsse, vielleicht der nächste Anlaß dazu gewesen, daß Kurfürst Friedrich
die bei der Krönung mitwirkenden Hofprediger vorher zu Bischöfen ernannte.

Auch noch von einem zweiten Jesuiten ist in die schwebenden Kronver¬
handlungen eingegriffen worden. Durch ein zufälliges Versehen erhielt der
Jesuitenpater Friedrich Vincenz Baron von Lüdinghausen, genannt Wolfs, Ge¬
legenheit, sich in diese Angelegenheit zu mischen. Infolge eines bei der Ent¬
zifferung eines chiffrierten Berichts des Gesandten Bartholdi in Wien ge¬
machten Versehens war dieser angegangen worden, dem Kurfürsten in der


Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Aurfürst Friedrich HI,

dafür den Bischof von Ermland, Grafen Zaluski, verantwortlich, indem er be¬
richtet, daß in dem Augenblicke, wo er im Begriffe gewesen sei, die Sichel
an die Ernte zu legen, sie ihm von dem Bischof von Ermland aus den
Händen entrissen worden sei, der seine Zurückberufung veranlaßt habe, um die
schon reife Frucht selbst zu pflücken und zu genießen. Dieser Bischof strebte
mit allen Mitteln danach, das Bistum Samland, das bei der Umwandlung
des preußischen Ordenslandes in ein weltliches Herzogtum evangelisch geworden
war, wieder mit dem apostolischen Stuhle zu vereinigen. Zu diesem Zwecke
hatte er eine Jesuitenmission ins Land gerufen, die die eifrigste Propaganda
im Samland betrieb. Seine Reise nach Rom, die er als neuernannter Bischof
von Ermland unternahm, benutzte er dazu, den Papst für die Kronfrage zu
gewinnen, indem er dem päpstlichen Stuhle Hoffnung machte, daß der Kur¬
fürst mit der Zeit die katholische Religion annehmen werde. Aus Rom zurück¬
gekehrt machte Graf Zaluski dem brandenburgischen Residenten am polnischen
Hofe zu Warschau im Vertrauen die Mitteilung, daß er den Papst und das
ganze Kollegium der Kardinäle für die Unterstützung in der Kronfrage bei den
katholischen Großmächten gewonnen Hütte. Er versprach auch die schriftlichen
Dokumente zu zeigen, die er darüber in Händen habe, sobald er zu einer per¬
sönlichen Zusammenkunft nur irgendwie Gelegenheit haben würde. Bald darauf
ließ er vernehmen, daß man in Rom dem neuen Herrscher nur dann den Titel
einer geheiligten Majestät geben werde, wenn er durch einen Bischof gesalbt
werde. Der Bischof des Erinlandes hegte dabei die Hoffnung, daß er selbst
mit der Vollziehung der Krönung beauftragt werden könnte. Durch solchen
Dienst hoffte er dann sein Ziel zu erreichen und als Bischof von Samland
anerkennt zu werden.

Aber auch die verlockenden Anerbietungen des Bischofs von Ermland
führten nicht zu dem von ihm erstrebten Ziele. Auch ihm gegenüber zeigten
sich sowohl der Kurfürst als seine Räte von einem Zugeständnis an die
römische Kirche weit entfernt. Man begnügte sich damit, sich seiner zu be¬
dienen, um durch ihn die Zustimmung des Königs von Polen, unter dessen
Oberhoheit das Herzogtum Preußen stand, für die Erhebung des Herzogtums
zum Königreiche zu gewinnen. Aus diesem Grunde suchte man ihn solange
wie möglich hinzuhalten, ohne ihm die noch bis kurz vor der Krönung ge¬
hegten Hoffnungen völlig zu nehmen. Dagegen ist die gelegentliche Äußerung
des Bischofs von Ermland, daß die Krönung von einem Bischof vollzogen
werden müsse, vielleicht der nächste Anlaß dazu gewesen, daß Kurfürst Friedrich
die bei der Krönung mitwirkenden Hofprediger vorher zu Bischöfen ernannte.

Auch noch von einem zweiten Jesuiten ist in die schwebenden Kronver¬
handlungen eingegriffen worden. Durch ein zufälliges Versehen erhielt der
Jesuitenpater Friedrich Vincenz Baron von Lüdinghausen, genannt Wolfs, Ge¬
legenheit, sich in diese Angelegenheit zu mischen. Infolge eines bei der Ent¬
zifferung eines chiffrierten Berichts des Gesandten Bartholdi in Wien ge¬
machten Versehens war dieser angegangen worden, dem Kurfürsten in der


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[0648] Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Aurfürst Friedrich HI, dafür den Bischof von Ermland, Grafen Zaluski, verantwortlich, indem er be¬ richtet, daß in dem Augenblicke, wo er im Begriffe gewesen sei, die Sichel an die Ernte zu legen, sie ihm von dem Bischof von Ermland aus den Händen entrissen worden sei, der seine Zurückberufung veranlaßt habe, um die schon reife Frucht selbst zu pflücken und zu genießen. Dieser Bischof strebte mit allen Mitteln danach, das Bistum Samland, das bei der Umwandlung des preußischen Ordenslandes in ein weltliches Herzogtum evangelisch geworden war, wieder mit dem apostolischen Stuhle zu vereinigen. Zu diesem Zwecke hatte er eine Jesuitenmission ins Land gerufen, die die eifrigste Propaganda im Samland betrieb. Seine Reise nach Rom, die er als neuernannter Bischof von Ermland unternahm, benutzte er dazu, den Papst für die Kronfrage zu gewinnen, indem er dem päpstlichen Stuhle Hoffnung machte, daß der Kur¬ fürst mit der Zeit die katholische Religion annehmen werde. Aus Rom zurück¬ gekehrt machte Graf Zaluski dem brandenburgischen Residenten am polnischen Hofe zu Warschau im Vertrauen die Mitteilung, daß er den Papst und das ganze Kollegium der Kardinäle für die Unterstützung in der Kronfrage bei den katholischen Großmächten gewonnen Hütte. Er versprach auch die schriftlichen Dokumente zu zeigen, die er darüber in Händen habe, sobald er zu einer per¬ sönlichen Zusammenkunft nur irgendwie Gelegenheit haben würde. Bald darauf ließ er vernehmen, daß man in Rom dem neuen Herrscher nur dann den Titel einer geheiligten Majestät geben werde, wenn er durch einen Bischof gesalbt werde. Der Bischof des Erinlandes hegte dabei die Hoffnung, daß er selbst mit der Vollziehung der Krönung beauftragt werden könnte. Durch solchen Dienst hoffte er dann sein Ziel zu erreichen und als Bischof von Samland anerkennt zu werden. Aber auch die verlockenden Anerbietungen des Bischofs von Ermland führten nicht zu dem von ihm erstrebten Ziele. Auch ihm gegenüber zeigten sich sowohl der Kurfürst als seine Räte von einem Zugeständnis an die römische Kirche weit entfernt. Man begnügte sich damit, sich seiner zu be¬ dienen, um durch ihn die Zustimmung des Königs von Polen, unter dessen Oberhoheit das Herzogtum Preußen stand, für die Erhebung des Herzogtums zum Königreiche zu gewinnen. Aus diesem Grunde suchte man ihn solange wie möglich hinzuhalten, ohne ihm die noch bis kurz vor der Krönung ge¬ hegten Hoffnungen völlig zu nehmen. Dagegen ist die gelegentliche Äußerung des Bischofs von Ermland, daß die Krönung von einem Bischof vollzogen werden müsse, vielleicht der nächste Anlaß dazu gewesen, daß Kurfürst Friedrich die bei der Krönung mitwirkenden Hofprediger vorher zu Bischöfen ernannte. Auch noch von einem zweiten Jesuiten ist in die schwebenden Kronver¬ handlungen eingegriffen worden. Durch ein zufälliges Versehen erhielt der Jesuitenpater Friedrich Vincenz Baron von Lüdinghausen, genannt Wolfs, Ge¬ legenheit, sich in diese Angelegenheit zu mischen. Infolge eines bei der Ent¬ zifferung eines chiffrierten Berichts des Gesandten Bartholdi in Wien ge¬ machten Versehens war dieser angegangen worden, dem Kurfürsten in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/648>, abgerufen am 28.09.2024.