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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich III.

friedigendern Erklärung des Kurfürsten und der von ihm gegebnen Zusicherung,
die Rechte Polens nicht verletzen zu wollen, ist diese Zustimmung auch erfolgt.
Um sich aber auch der der übrigen Mächte zu versichern, ließ König August
dem Kurfürsten den erwähnten Rat erteilen, die Erhebung Preußens zum
Königreiche beim Papste zu erwirken. König August Hütte es wohl aus be¬
sondern Gründen gern gesehen, wenn sich der Kurfürst von Brandenburg dem
Papste zu Dank verpflichtet hätte. Hatte doch Kursachsen durch den Glaubens¬
wechsel des Kurfürsten bei den deutschen Evangelischen die einflußreiche Stellung
eingebüßt, die es bisher als Führer des deutschen Protestantismus eingenommen
hatte, und diese war nun noch mehr als bisher auf das brandenburgische Kur¬
haus übergegangen. Eine Verminderung dieses Einflusses durch Verpflich¬
tungen, die Kurfürst Friedrich dem römischen Stuhle gegenüber zu übernehmen
genötigt worden wäre, hätte darum der polnisch-sächsischen Politik nur zum
Vorteil gereichen können.

Der Vermittler, dessen sich der König von Polen zu diesem Rate bediente,
war sein Beichtvater, der Jesuitenpater Moritz Vota. Durch seine Gelehr¬
samkeit und durch die ihm in ungewöhnlichem Maße eigne Kunst, durch
glänzende Unterhaltung zu fesseln, hatte er es verstanden, sich das Ver¬
trauen der geistreichen Kurfürstin Sophie Charlotte, der Gemahlin Friedrichs,
zu erwerben. Der Geheime Rat und Minister des Kurfürsten, Paul von
Fuchs, nannte ihn ein Nachschlagebuch der ganzen alten und neuern Ge¬
schichte. Durch Leibniz war er mit der Kurfürstin bekannt und an ihrem Hofe
eingeführt worden. Schon im Dezember 1699 weilte er zu längerm Aufent¬
halt in Berlin, und er benutzte diese Zeit, um den Boden für eine Bekehrung
der Kurfürstin vorzubereiten. Er that dies nicht in der Art eines plumpen
Ketzerbekehrers, sondern er wirkte unter dem Vorwande einer Wiedervereinigung
der getrennten Kirchen mit scheinbar milder Versöhnlichkeit. Aber thatsächlich
war es doch sein heißester Wunsch, den Kurfürsten selbst und seine Gemahlin
für die katholische Kirche zu gewinnen. Für die Erreichung dieses Ziels bot
er dem Kurfürsten seine Dienste für die Erhebung Preußens zum Königreich
an. Ja er hat sich später gerühmt, in dem Kurfürsten den Gedanken der
neuen Krone zuerst angeregt zu haben. Er wußte sich dabei ein doppeltes
Ansehen zu geben, indem er zugleich seinen Einfluß in Rom bei dem Papst
und in Warschau beim König von Polen in gewandter Weise zur Erwerbung
und Erhaltung der Hofgunst in die Wagschale zu legen verstand. Schließlich
reichte er in Berlin,, als die von dem Kurfürsten in Wien mit dem Kaiser in
betreff der Königswürde gepflognen Verhandlungen noch immer auf Schwierig¬
keiten stießen, ein umfangreiches Gutachten ein, worin er als das empfehlens¬
werteste und sicherste Mittel, zur Königskrone zu gelangen, die Mitwirkung
des Papstes empfahl. Er versuchte den Nachweis, daß dieser Weg leichter und
besser zum Ziele führen würde, als der in Wien betretne, da der Kaiser keine
Hoheit über das herzogliche Preußen habe, und es infolgedessen nicht zum
Königreiche erheben könne.. Auch würde die aus der Hand des Kaisers ge-


Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich III.

friedigendern Erklärung des Kurfürsten und der von ihm gegebnen Zusicherung,
die Rechte Polens nicht verletzen zu wollen, ist diese Zustimmung auch erfolgt.
Um sich aber auch der der übrigen Mächte zu versichern, ließ König August
dem Kurfürsten den erwähnten Rat erteilen, die Erhebung Preußens zum
Königreiche beim Papste zu erwirken. König August Hütte es wohl aus be¬
sondern Gründen gern gesehen, wenn sich der Kurfürst von Brandenburg dem
Papste zu Dank verpflichtet hätte. Hatte doch Kursachsen durch den Glaubens¬
wechsel des Kurfürsten bei den deutschen Evangelischen die einflußreiche Stellung
eingebüßt, die es bisher als Führer des deutschen Protestantismus eingenommen
hatte, und diese war nun noch mehr als bisher auf das brandenburgische Kur¬
haus übergegangen. Eine Verminderung dieses Einflusses durch Verpflich¬
tungen, die Kurfürst Friedrich dem römischen Stuhle gegenüber zu übernehmen
genötigt worden wäre, hätte darum der polnisch-sächsischen Politik nur zum
Vorteil gereichen können.

Der Vermittler, dessen sich der König von Polen zu diesem Rate bediente,
war sein Beichtvater, der Jesuitenpater Moritz Vota. Durch seine Gelehr¬
samkeit und durch die ihm in ungewöhnlichem Maße eigne Kunst, durch
glänzende Unterhaltung zu fesseln, hatte er es verstanden, sich das Ver¬
trauen der geistreichen Kurfürstin Sophie Charlotte, der Gemahlin Friedrichs,
zu erwerben. Der Geheime Rat und Minister des Kurfürsten, Paul von
Fuchs, nannte ihn ein Nachschlagebuch der ganzen alten und neuern Ge¬
schichte. Durch Leibniz war er mit der Kurfürstin bekannt und an ihrem Hofe
eingeführt worden. Schon im Dezember 1699 weilte er zu längerm Aufent¬
halt in Berlin, und er benutzte diese Zeit, um den Boden für eine Bekehrung
der Kurfürstin vorzubereiten. Er that dies nicht in der Art eines plumpen
Ketzerbekehrers, sondern er wirkte unter dem Vorwande einer Wiedervereinigung
der getrennten Kirchen mit scheinbar milder Versöhnlichkeit. Aber thatsächlich
war es doch sein heißester Wunsch, den Kurfürsten selbst und seine Gemahlin
für die katholische Kirche zu gewinnen. Für die Erreichung dieses Ziels bot
er dem Kurfürsten seine Dienste für die Erhebung Preußens zum Königreich
an. Ja er hat sich später gerühmt, in dem Kurfürsten den Gedanken der
neuen Krone zuerst angeregt zu haben. Er wußte sich dabei ein doppeltes
Ansehen zu geben, indem er zugleich seinen Einfluß in Rom bei dem Papst
und in Warschau beim König von Polen in gewandter Weise zur Erwerbung
und Erhaltung der Hofgunst in die Wagschale zu legen verstand. Schließlich
reichte er in Berlin,, als die von dem Kurfürsten in Wien mit dem Kaiser in
betreff der Königswürde gepflognen Verhandlungen noch immer auf Schwierig¬
keiten stießen, ein umfangreiches Gutachten ein, worin er als das empfehlens¬
werteste und sicherste Mittel, zur Königskrone zu gelangen, die Mitwirkung
des Papstes empfahl. Er versuchte den Nachweis, daß dieser Weg leichter und
besser zum Ziele führen würde, als der in Wien betretne, da der Kaiser keine
Hoheit über das herzogliche Preußen habe, und es infolgedessen nicht zum
Königreiche erheben könne.. Auch würde die aus der Hand des Kaisers ge-


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[0646] Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich III. friedigendern Erklärung des Kurfürsten und der von ihm gegebnen Zusicherung, die Rechte Polens nicht verletzen zu wollen, ist diese Zustimmung auch erfolgt. Um sich aber auch der der übrigen Mächte zu versichern, ließ König August dem Kurfürsten den erwähnten Rat erteilen, die Erhebung Preußens zum Königreiche beim Papste zu erwirken. König August Hütte es wohl aus be¬ sondern Gründen gern gesehen, wenn sich der Kurfürst von Brandenburg dem Papste zu Dank verpflichtet hätte. Hatte doch Kursachsen durch den Glaubens¬ wechsel des Kurfürsten bei den deutschen Evangelischen die einflußreiche Stellung eingebüßt, die es bisher als Führer des deutschen Protestantismus eingenommen hatte, und diese war nun noch mehr als bisher auf das brandenburgische Kur¬ haus übergegangen. Eine Verminderung dieses Einflusses durch Verpflich¬ tungen, die Kurfürst Friedrich dem römischen Stuhle gegenüber zu übernehmen genötigt worden wäre, hätte darum der polnisch-sächsischen Politik nur zum Vorteil gereichen können. Der Vermittler, dessen sich der König von Polen zu diesem Rate bediente, war sein Beichtvater, der Jesuitenpater Moritz Vota. Durch seine Gelehr¬ samkeit und durch die ihm in ungewöhnlichem Maße eigne Kunst, durch glänzende Unterhaltung zu fesseln, hatte er es verstanden, sich das Ver¬ trauen der geistreichen Kurfürstin Sophie Charlotte, der Gemahlin Friedrichs, zu erwerben. Der Geheime Rat und Minister des Kurfürsten, Paul von Fuchs, nannte ihn ein Nachschlagebuch der ganzen alten und neuern Ge¬ schichte. Durch Leibniz war er mit der Kurfürstin bekannt und an ihrem Hofe eingeführt worden. Schon im Dezember 1699 weilte er zu längerm Aufent¬ halt in Berlin, und er benutzte diese Zeit, um den Boden für eine Bekehrung der Kurfürstin vorzubereiten. Er that dies nicht in der Art eines plumpen Ketzerbekehrers, sondern er wirkte unter dem Vorwande einer Wiedervereinigung der getrennten Kirchen mit scheinbar milder Versöhnlichkeit. Aber thatsächlich war es doch sein heißester Wunsch, den Kurfürsten selbst und seine Gemahlin für die katholische Kirche zu gewinnen. Für die Erreichung dieses Ziels bot er dem Kurfürsten seine Dienste für die Erhebung Preußens zum Königreich an. Ja er hat sich später gerühmt, in dem Kurfürsten den Gedanken der neuen Krone zuerst angeregt zu haben. Er wußte sich dabei ein doppeltes Ansehen zu geben, indem er zugleich seinen Einfluß in Rom bei dem Papst und in Warschau beim König von Polen in gewandter Weise zur Erwerbung und Erhaltung der Hofgunst in die Wagschale zu legen verstand. Schließlich reichte er in Berlin,, als die von dem Kurfürsten in Wien mit dem Kaiser in betreff der Königswürde gepflognen Verhandlungen noch immer auf Schwierig¬ keiten stießen, ein umfangreiches Gutachten ein, worin er als das empfehlens¬ werteste und sicherste Mittel, zur Königskrone zu gelangen, die Mitwirkung des Papstes empfahl. Er versuchte den Nachweis, daß dieser Weg leichter und besser zum Ziele führen würde, als der in Wien betretne, da der Kaiser keine Hoheit über das herzogliche Preußen habe, und es infolgedessen nicht zum Königreiche erheben könne.. Auch würde die aus der Hand des Kaisers ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/646>, abgerufen am 28.09.2024.