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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Auf klassischem Boden

beurteilt werden würde, wenn ein, nun sagen wir, ein noch nicht ganz alter Mann
sein Porträt malen lassen würde, Sie haben da zum Beispiel so einen blonden
Menschen im Porträt hängen, den schätze ich Mitte zwanzig. Was hatte der für
einen Vorwand, sich malen zu lassen?

Gar keinen, ich fand ihn so malerisch, daß ich ihn bat, mir zu sitzen.

Also blond muß mau sein?

Sie lachte: Das ist nicht Bedingung. Ich habe schon andre als blonde Köpfe
malerisch aufgefaßt gesehen.

Ja sehen Sie, Auffassung möchte ich eben einmal haben. Die Photographien,
die meine Mutter jährlich von mir hat machen lassen, sind mir so langweilig.
Auffassung sagt man ja wohl, wenn irgend etwas mehr als die bloße Larve auf
einem Bilde ist?

Das ist gar nicht übel gesagt.

Aber nicht in allen Fällen leicht gethan? fragte er.

Es ist das Aufregendste an der Sache, es Habens noch andre erlebt als ich.
Wenn sie so ein Ding fertig hatten, dachten sie: So, wenn ich jetzt anfangen
könnte, dann wüßte ich, wie es zu machen wäre. So jedenfalls nicht, wie es
da ist.

Was thut mau dann in einem solchen Fall?

Man grämt sich eben.

Wissen Sie, ich könnte ein Porträt von mir zum Beispiel meiner Mutter
schenken, was meinen Sie, geht das wohl?

Das ist jedenfalls schon vorgekommen und als standesgemäß aufgenommen
worden.

So, das freut mich. Wie würden Sie mich denn etwa nehmen?

Das muß ich mir erst überlegen, sagte Will, aufmerksam den Blick auf Kurtchen
gerichtet. -- Wie bald soll es deun angefangen werden?

So bald wie möglich; wenn es sein kann, morgen.

Dann wird es am besten sein, ein paar Skizzen zu machen und dann zu
wählen.

Sie wandte sich eifrig zur Wand, wo bemalte und unbemalte Bretter und
Pappen lehnten, um eine auszusuchen. Kurtchen, der zusah, hielt Plötzlich ihre Hand
fest, mit der sie eine zur Seite stellen wollte.

Halt, lassen Sie doch mal sehen! Das hat fast ein bischen Ähnlichkeit mit
den Bredows.

Sie lachte. Ein Geständnis der Begehrlichkeit!

Im Ernst, sieht es den Bredows nicht etwas ähnlich?

Ja, Frida und Trude! Ich habe versucht, sie mir aus dem Gedächtnis zu
skizzieren.

Merkwürdiger Geschmack.

Finden Sie sie nicht wunderschön?

Nein, gewiß nicht!

Nun ja, Sie sind nicht Maler und haben sich deswegen noch nicht ent¬
schlossen, auf die dunkeln Wimpern zu verzichten, wie die Barbierpuppen sie haben.

Sein Sie doch nicht so grob.

Gegen einen zukünftigen Kunden, meinen Sie? Das ist eigentlich richtig. --
Aber ich finde gerade diesen einheitlichen Ton schön, wie die Bredows ihn haben, dieses
ununterbrochne Leuchten. Sehen Sie sich doch diesen Hautton an, und wie er
beim Haaransatz fast ohne Kontrast in eine andre Art von Leuchten übergeht. --
Und dann gleich zwei von derselben Art, sich so ähnlich und doch unterschieden!
Diese beiden auf einem Bild, die Köpfe nah aneinander, daß all der Glanz von


Auf klassischem Boden

beurteilt werden würde, wenn ein, nun sagen wir, ein noch nicht ganz alter Mann
sein Porträt malen lassen würde, Sie haben da zum Beispiel so einen blonden
Menschen im Porträt hängen, den schätze ich Mitte zwanzig. Was hatte der für
einen Vorwand, sich malen zu lassen?

Gar keinen, ich fand ihn so malerisch, daß ich ihn bat, mir zu sitzen.

Also blond muß mau sein?

Sie lachte: Das ist nicht Bedingung. Ich habe schon andre als blonde Köpfe
malerisch aufgefaßt gesehen.

Ja sehen Sie, Auffassung möchte ich eben einmal haben. Die Photographien,
die meine Mutter jährlich von mir hat machen lassen, sind mir so langweilig.
Auffassung sagt man ja wohl, wenn irgend etwas mehr als die bloße Larve auf
einem Bilde ist?

Das ist gar nicht übel gesagt.

Aber nicht in allen Fällen leicht gethan? fragte er.

Es ist das Aufregendste an der Sache, es Habens noch andre erlebt als ich.
Wenn sie so ein Ding fertig hatten, dachten sie: So, wenn ich jetzt anfangen
könnte, dann wüßte ich, wie es zu machen wäre. So jedenfalls nicht, wie es
da ist.

Was thut mau dann in einem solchen Fall?

Man grämt sich eben.

Wissen Sie, ich könnte ein Porträt von mir zum Beispiel meiner Mutter
schenken, was meinen Sie, geht das wohl?

Das ist jedenfalls schon vorgekommen und als standesgemäß aufgenommen
worden.

So, das freut mich. Wie würden Sie mich denn etwa nehmen?

Das muß ich mir erst überlegen, sagte Will, aufmerksam den Blick auf Kurtchen
gerichtet. — Wie bald soll es deun angefangen werden?

So bald wie möglich; wenn es sein kann, morgen.

Dann wird es am besten sein, ein paar Skizzen zu machen und dann zu
wählen.

Sie wandte sich eifrig zur Wand, wo bemalte und unbemalte Bretter und
Pappen lehnten, um eine auszusuchen. Kurtchen, der zusah, hielt Plötzlich ihre Hand
fest, mit der sie eine zur Seite stellen wollte.

Halt, lassen Sie doch mal sehen! Das hat fast ein bischen Ähnlichkeit mit
den Bredows.

Sie lachte. Ein Geständnis der Begehrlichkeit!

Im Ernst, sieht es den Bredows nicht etwas ähnlich?

Ja, Frida und Trude! Ich habe versucht, sie mir aus dem Gedächtnis zu
skizzieren.

Merkwürdiger Geschmack.

Finden Sie sie nicht wunderschön?

Nein, gewiß nicht!

Nun ja, Sie sind nicht Maler und haben sich deswegen noch nicht ent¬
schlossen, auf die dunkeln Wimpern zu verzichten, wie die Barbierpuppen sie haben.

Sein Sie doch nicht so grob.

Gegen einen zukünftigen Kunden, meinen Sie? Das ist eigentlich richtig. —
Aber ich finde gerade diesen einheitlichen Ton schön, wie die Bredows ihn haben, dieses
ununterbrochne Leuchten. Sehen Sie sich doch diesen Hautton an, und wie er
beim Haaransatz fast ohne Kontrast in eine andre Art von Leuchten übergeht. —
Und dann gleich zwei von derselben Art, sich so ähnlich und doch unterschieden!
Diese beiden auf einem Bild, die Köpfe nah aneinander, daß all der Glanz von


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[0581] Auf klassischem Boden beurteilt werden würde, wenn ein, nun sagen wir, ein noch nicht ganz alter Mann sein Porträt malen lassen würde, Sie haben da zum Beispiel so einen blonden Menschen im Porträt hängen, den schätze ich Mitte zwanzig. Was hatte der für einen Vorwand, sich malen zu lassen? Gar keinen, ich fand ihn so malerisch, daß ich ihn bat, mir zu sitzen. Also blond muß mau sein? Sie lachte: Das ist nicht Bedingung. Ich habe schon andre als blonde Köpfe malerisch aufgefaßt gesehen. Ja sehen Sie, Auffassung möchte ich eben einmal haben. Die Photographien, die meine Mutter jährlich von mir hat machen lassen, sind mir so langweilig. Auffassung sagt man ja wohl, wenn irgend etwas mehr als die bloße Larve auf einem Bilde ist? Das ist gar nicht übel gesagt. Aber nicht in allen Fällen leicht gethan? fragte er. Es ist das Aufregendste an der Sache, es Habens noch andre erlebt als ich. Wenn sie so ein Ding fertig hatten, dachten sie: So, wenn ich jetzt anfangen könnte, dann wüßte ich, wie es zu machen wäre. So jedenfalls nicht, wie es da ist. Was thut mau dann in einem solchen Fall? Man grämt sich eben. Wissen Sie, ich könnte ein Porträt von mir zum Beispiel meiner Mutter schenken, was meinen Sie, geht das wohl? Das ist jedenfalls schon vorgekommen und als standesgemäß aufgenommen worden. So, das freut mich. Wie würden Sie mich denn etwa nehmen? Das muß ich mir erst überlegen, sagte Will, aufmerksam den Blick auf Kurtchen gerichtet. — Wie bald soll es deun angefangen werden? So bald wie möglich; wenn es sein kann, morgen. Dann wird es am besten sein, ein paar Skizzen zu machen und dann zu wählen. Sie wandte sich eifrig zur Wand, wo bemalte und unbemalte Bretter und Pappen lehnten, um eine auszusuchen. Kurtchen, der zusah, hielt Plötzlich ihre Hand fest, mit der sie eine zur Seite stellen wollte. Halt, lassen Sie doch mal sehen! Das hat fast ein bischen Ähnlichkeit mit den Bredows. Sie lachte. Ein Geständnis der Begehrlichkeit! Im Ernst, sieht es den Bredows nicht etwas ähnlich? Ja, Frida und Trude! Ich habe versucht, sie mir aus dem Gedächtnis zu skizzieren. Merkwürdiger Geschmack. Finden Sie sie nicht wunderschön? Nein, gewiß nicht! Nun ja, Sie sind nicht Maler und haben sich deswegen noch nicht ent¬ schlossen, auf die dunkeln Wimpern zu verzichten, wie die Barbierpuppen sie haben. Sein Sie doch nicht so grob. Gegen einen zukünftigen Kunden, meinen Sie? Das ist eigentlich richtig. — Aber ich finde gerade diesen einheitlichen Ton schön, wie die Bredows ihn haben, dieses ununterbrochne Leuchten. Sehen Sie sich doch diesen Hautton an, und wie er beim Haaransatz fast ohne Kontrast in eine andre Art von Leuchten übergeht. — Und dann gleich zwei von derselben Art, sich so ähnlich und doch unterschieden! Diese beiden auf einem Bild, die Köpfe nah aneinander, daß all der Glanz von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/581>, abgerufen am 28.06.2024.