Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Auf klassischem Boden Ackerfeld -- Erscheinungen von monumentaler Wirkung! Aber im geschlossenen Man nehme nur einmal eine von diesen stimmungsvollen Windmühlen, die Niemand in der Gesellschaft hätte es gewagt, ihnen das körperliche Übergewicht Es war ganz famos, Mama. Sie saßen nun und begleiteten ihren Bericht Du kannst es glauben, Papa, wie im Krieg. Da ist doch etwas bei zu thun, rief Trude und machte bezeichnende Be¬ Na, ein Pferd hätte sich da ja auch nicht durchgefunden. Mein Kragenmantel wurde mir einfach abgerissen, das heißt, es faßte ihn Nur mit dem Unterschiede, daß wie ich ihn retten will und zupacke, da sitzt Und dabei war uns Hans wieder abhanden gekommen, und es schoben sich Ich habe denn gestanden, den Arm hoch wie eine Signalstcmge und habe mit Der Junker faßte die Tischkante und drängte nach hinten gegen die Stuhl¬ Und wir erst! Wir wollten doch wieder zu Hansen hin, aber mal sollten So wie nachher bei dem Eingangsthor. Wenn man da nicht gerade mitten Der arme Kerl, der die Zettel abzunehmen hatte, muß während der Zeit oder Grenzboten IV 1900 SS
Auf klassischem Boden Ackerfeld — Erscheinungen von monumentaler Wirkung! Aber im geschlossenen Man nehme nur einmal eine von diesen stimmungsvollen Windmühlen, die Niemand in der Gesellschaft hätte es gewagt, ihnen das körperliche Übergewicht Es war ganz famos, Mama. Sie saßen nun und begleiteten ihren Bericht Du kannst es glauben, Papa, wie im Krieg. Da ist doch etwas bei zu thun, rief Trude und machte bezeichnende Be¬ Na, ein Pferd hätte sich da ja auch nicht durchgefunden. Mein Kragenmantel wurde mir einfach abgerissen, das heißt, es faßte ihn Nur mit dem Unterschiede, daß wie ich ihn retten will und zupacke, da sitzt Und dabei war uns Hans wieder abhanden gekommen, und es schoben sich Ich habe denn gestanden, den Arm hoch wie eine Signalstcmge und habe mit Der Junker faßte die Tischkante und drängte nach hinten gegen die Stuhl¬ Und wir erst! Wir wollten doch wieder zu Hansen hin, aber mal sollten So wie nachher bei dem Eingangsthor. Wenn man da nicht gerade mitten Der arme Kerl, der die Zettel abzunehmen hatte, muß während der Zeit oder Grenzboten IV 1900 SS
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291552"/> <fw type="header" place="top"> Auf klassischem Boden</fw><lb/> <p xml:id="ID_1614" prev="#ID_1613"> Ackerfeld — Erscheinungen von monumentaler Wirkung! Aber im geschlossenen<lb/> Raum? beängstigend!</p><lb/> <p xml:id="ID_1615"> Man nehme nur einmal eine von diesen stimmungsvollen Windmühlen, die<lb/> sich auf Flachlandlandschaften so gut ausuehmeu, und bringe sie in einen noch so<lb/> großen Raum. Diese Umdrehungen, dieses Sausen zwischen den Flügeln, das da<lb/> draußen auf dem Sandhügel verhältnismäßig und durchaus friedlich erschien —<lb/> hier würde es verwirrend, riesenhaft, unmittelbar lebensgefährlich wirken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1616"> Niemand in der Gesellschaft hätte es gewagt, ihnen das körperliche Übergewicht<lb/> streitig zu machen. Aber auch das Gebiet der Unterhaltung siel ihnen einfach an¬<lb/> heim, weil ihre Stimmen den Raum hinlänglich ausfüllten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1617"> Es war ganz famos, Mama. Sie saßen nun und begleiteten ihren Bericht<lb/> mit dem Geklapper vou Gabel und Löffel.</p><lb/> <p xml:id="ID_1618"> Du kannst es glauben, Papa, wie im Krieg.</p><lb/> <p xml:id="ID_1619"> Da ist doch etwas bei zu thun, rief Trude und machte bezeichnende Be¬<lb/> wegungen mit dem Ellenbogen. Denke mal, so ne Masse Menschen, daß von<lb/> Droschkenfahren keine Rede sein konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1620"> Na, ein Pferd hätte sich da ja auch nicht durchgefunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1621"> Mein Kragenmantel wurde mir einfach abgerissen, das heißt, es faßte ihn<lb/> niemand an, sagte Frida. Er war mir heruntergerutscht, ich konnte nicht gleich<lb/> die Hand in die Hohe kriegen, um thu wieder znznhaken, der Zipfel kam zwischen<lb/> zwei italienische Weiber, und die wurden in dem Augenblick so aneinaudergequetscht<lb/> und zugleich weitergeschoben, daß er gleich eine ganze Strecke weit weg war, so<lb/> wie die Wäsche im Bach zu Hause, wenn die Spülweiber nicht aufpassen. Eben<lb/> war das Stück noch da, kommt so eine Portion Wasser angewogt, und gleich ist es<lb/> weg, aber auch gleich so weit, daß man es nicht mehr ablangen kann. Wie wenn<lb/> eine Welle ihn mitgenommen hätte, so war der Mantel weg.</p><lb/> <p xml:id="ID_1622"> Nur mit dem Unterschiede, daß wie ich ihn retten will und zupacke, da sitzt<lb/> er so fest zwischen den Menschen eingeklemmt, daß er mir thatsächlich in Fetzen<lb/> gegangen wäre, hätte ich ihn herausreiße» wollen. Ich habe nachdrängen müssen<lb/> und ihn mit beiden Händen losmachen, sagte der Junker.</p><lb/> <p xml:id="ID_1623"> Und dabei war uns Hans wieder abhanden gekommen, und es schoben sich<lb/> immer mehr Leute zwischen ihn und uns, und Hans hatte doch die Etntrittscheine<lb/> für die Peterskirche.</p><lb/> <p xml:id="ID_1624"> Ich habe denn gestanden, den Arm hoch wie eine Signalstcmge und habe mit<lb/> dem Lodenkragen gewinkt, damit die Mädels mich nicht aus den Augen verloren.<lb/> Aber wenn so eine Menschenwelle gegen mich drang, habe ich gegenstemmen müssen,<lb/> wie in der tollsten Strömung, so!</p><lb/> <p xml:id="ID_1625"> Der Junker faßte die Tischkante und drängte nach hinten gegen die Stuhl¬<lb/> lehne, bis der Stuhl mit seiner Last zu weichen begann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1626"> Und wir erst! Wir wollten doch wieder zu Hansen hin, aber mal sollten<lb/> wir nach rechts und mal nach links weiter geschoben werden, und zuletzt wären<lb/> wir beinah noch an ihm Vorbeigetrieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1627"> So wie nachher bei dem Eingangsthor. Wenn man da nicht gerade mitten<lb/> darauflos hielt, sodaß einen die Welle durchschob, dann wurde man seitwärts neben<lb/> dem Eingang an die Wand gequetscht, und da wieder fortkommen, wo der ganze<lb/> Petersplatz gerammelt voll Menschen gegendrängte, das wäre unmöglich gewesen.<lb/> Ich denke immer, die, die da angetrieben sind, die stehn jetzt noch da, gleich neben<lb/> dein Thor, ohne die Möglichkeit, sich zu rühren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1628"> Der arme Kerl, der die Zettel abzunehmen hatte, muß während der Zeit oder<lb/> gleich nachher verrückt geworden sein. Die Leute stürmten, als wenn es sich um die<lb/> Zerstörung Jerusalems handelte und nicht um eine Heiligsprechung.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1900 SS</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0475]
Auf klassischem Boden
Ackerfeld — Erscheinungen von monumentaler Wirkung! Aber im geschlossenen
Raum? beängstigend!
Man nehme nur einmal eine von diesen stimmungsvollen Windmühlen, die
sich auf Flachlandlandschaften so gut ausuehmeu, und bringe sie in einen noch so
großen Raum. Diese Umdrehungen, dieses Sausen zwischen den Flügeln, das da
draußen auf dem Sandhügel verhältnismäßig und durchaus friedlich erschien —
hier würde es verwirrend, riesenhaft, unmittelbar lebensgefährlich wirken.
Niemand in der Gesellschaft hätte es gewagt, ihnen das körperliche Übergewicht
streitig zu machen. Aber auch das Gebiet der Unterhaltung siel ihnen einfach an¬
heim, weil ihre Stimmen den Raum hinlänglich ausfüllten.
Es war ganz famos, Mama. Sie saßen nun und begleiteten ihren Bericht
mit dem Geklapper vou Gabel und Löffel.
Du kannst es glauben, Papa, wie im Krieg.
Da ist doch etwas bei zu thun, rief Trude und machte bezeichnende Be¬
wegungen mit dem Ellenbogen. Denke mal, so ne Masse Menschen, daß von
Droschkenfahren keine Rede sein konnte.
Na, ein Pferd hätte sich da ja auch nicht durchgefunden.
Mein Kragenmantel wurde mir einfach abgerissen, das heißt, es faßte ihn
niemand an, sagte Frida. Er war mir heruntergerutscht, ich konnte nicht gleich
die Hand in die Hohe kriegen, um thu wieder znznhaken, der Zipfel kam zwischen
zwei italienische Weiber, und die wurden in dem Augenblick so aneinaudergequetscht
und zugleich weitergeschoben, daß er gleich eine ganze Strecke weit weg war, so
wie die Wäsche im Bach zu Hause, wenn die Spülweiber nicht aufpassen. Eben
war das Stück noch da, kommt so eine Portion Wasser angewogt, und gleich ist es
weg, aber auch gleich so weit, daß man es nicht mehr ablangen kann. Wie wenn
eine Welle ihn mitgenommen hätte, so war der Mantel weg.
Nur mit dem Unterschiede, daß wie ich ihn retten will und zupacke, da sitzt
er so fest zwischen den Menschen eingeklemmt, daß er mir thatsächlich in Fetzen
gegangen wäre, hätte ich ihn herausreiße» wollen. Ich habe nachdrängen müssen
und ihn mit beiden Händen losmachen, sagte der Junker.
Und dabei war uns Hans wieder abhanden gekommen, und es schoben sich
immer mehr Leute zwischen ihn und uns, und Hans hatte doch die Etntrittscheine
für die Peterskirche.
Ich habe denn gestanden, den Arm hoch wie eine Signalstcmge und habe mit
dem Lodenkragen gewinkt, damit die Mädels mich nicht aus den Augen verloren.
Aber wenn so eine Menschenwelle gegen mich drang, habe ich gegenstemmen müssen,
wie in der tollsten Strömung, so!
Der Junker faßte die Tischkante und drängte nach hinten gegen die Stuhl¬
lehne, bis der Stuhl mit seiner Last zu weichen begann.
Und wir erst! Wir wollten doch wieder zu Hansen hin, aber mal sollten
wir nach rechts und mal nach links weiter geschoben werden, und zuletzt wären
wir beinah noch an ihm Vorbeigetrieben.
So wie nachher bei dem Eingangsthor. Wenn man da nicht gerade mitten
darauflos hielt, sodaß einen die Welle durchschob, dann wurde man seitwärts neben
dem Eingang an die Wand gequetscht, und da wieder fortkommen, wo der ganze
Petersplatz gerammelt voll Menschen gegendrängte, das wäre unmöglich gewesen.
Ich denke immer, die, die da angetrieben sind, die stehn jetzt noch da, gleich neben
dein Thor, ohne die Möglichkeit, sich zu rühren.
Der arme Kerl, der die Zettel abzunehmen hatte, muß während der Zeit oder
gleich nachher verrückt geworden sein. Die Leute stürmten, als wenn es sich um die
Zerstörung Jerusalems handelte und nicht um eine Heiligsprechung.
Grenzboten IV 1900 SS
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |