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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Kinderarbeit

35900; zu schauspielerischen und artistischen Leistungen, auch als Straßcnsünger
und Begleiter von Drehorgelspielern 835.

In sehr eingehenden Tabellen sind dann namentlich für die Industrie in
den einzelnen Gewerbzweigen die besondern Verrichtungen und Handreichungen
nachgewiesen, zu denen die Kinder herangezogen werden, und wie viele ihnen
obliegen. Es ist viel Kleinkram dabei, der nur den negativen Beweis erbringt,
daß in dem und jenem Gewerbe und in dem und jenem Bezirk die Kinderarbeit
überhaupt keine Rolle spielt, und daß man keine Veranlassung hat, sich zur
Zeit weiter darum zu kümmern. Aber die Hauptfelder der Kinderarbeit und
Kinderausbeutung treten daneben um so deutlicher hervor, und das ists, was die
Arbeit zu einer immerhin wertvollen Grundlage für weitere Untersuchungen,
Erwägungen und Entschließungen auf diesen Gebieten macht. In dem Rund¬
schreiben vom 9. Dezember 1897 war für später ausdrücklich in Aussicht ge¬
nommen, Erhebungen zu veranstalten, die sich uuter anderen anch auf das
Alter der beschäftigten Kinder, die Dauer und Lage der Arbeitszeit, die Be¬
schaffenheit der Arbeitsräume, die rechtliche Natur des Arbeitsverhältnisses und
die Höhe der Arbeitslöhne erstrecken sollten. Darüber und über vieles andre,
was vor scharfem Eingriffen im einzelne,: studiert werden muß, wenn nicht
Unheil angerichtet werden soll, kann natürlich nicht durch solch eine allgemeine
"Zählung" das nötige Licht gewonnen werden, sondern dazu sind eingehende
Sach- und Ortsenqueten nötig, die sich nnr für bestimmte, eng begrenzte Ge-
werbzweige oder geographische Bezirke erfolgreich durchführen lassen. Es
muß ja anerkannt werden, wenn es auch zum Teil nur auf Mißverständnis
beruhen mag, daß einzelne Bundesstaaten auch bei dieser allgemeinen Vor¬
erhebung durch die Schullehrer schon auf solche Details, wie Geschlecht, Alter,
tägliche Arbeitszeit, ja sogar auf die Arbeitslöhne einzugehn versucht haben,
aber verlangt war das vorläufig ganz verständigerweise nicht von ihnen, und
viel Wert haben die darüber erbrachten Nachweise auch nicht. Wenn also die
sozialdcmokmtische Presse darüber gelärmt hat, daß diese Details nicht schon
durchweg erfragt und nachgewiesen worden sind, so hat sie weder verstanden,
worum es sich bei dieser Erhebung handelte, noch wie solche Details zu er¬
heben sind, wenn nicht Unsinn herauskommen soll.

Wie der Staatssekretär des Innern im Reichstag schon am 20. Januar
1899 und dann nochmals am 10. Januar 1900 mitgeteilt hat, ist die gesamte
Darstellung vom Kaiserlichen Statistischen Amt noch im Jahre 1898 dem
Reichsamt des Innern vorgelegt worden, "woselbst -- wie es in der jetzt er¬
schienenen Veröffentlichung heißt -- inzwischen auf Grund der Erhebung Vor¬
schläge über die Regelung der gewerblichen Kinderarbeit außerhalb der Fabriken
und diesen gleichstehenden Anlagen ausgearbeitet und unter Zuziehung von
Vertretern des preußischen Handelsministeriums, Ministeriums des Innern und
des Kultusministeriums beraten worden sind." Ob damit Vorschläge für eine
kaiserliche Verordnung im Sinne des Artikels IX des Gesetzes vom 1. Juni
1891 zur endlichen Inkraftsetzung des Absatz 3 des § 154 und für kaiserliche


Kinderarbeit

35900; zu schauspielerischen und artistischen Leistungen, auch als Straßcnsünger
und Begleiter von Drehorgelspielern 835.

In sehr eingehenden Tabellen sind dann namentlich für die Industrie in
den einzelnen Gewerbzweigen die besondern Verrichtungen und Handreichungen
nachgewiesen, zu denen die Kinder herangezogen werden, und wie viele ihnen
obliegen. Es ist viel Kleinkram dabei, der nur den negativen Beweis erbringt,
daß in dem und jenem Gewerbe und in dem und jenem Bezirk die Kinderarbeit
überhaupt keine Rolle spielt, und daß man keine Veranlassung hat, sich zur
Zeit weiter darum zu kümmern. Aber die Hauptfelder der Kinderarbeit und
Kinderausbeutung treten daneben um so deutlicher hervor, und das ists, was die
Arbeit zu einer immerhin wertvollen Grundlage für weitere Untersuchungen,
Erwägungen und Entschließungen auf diesen Gebieten macht. In dem Rund¬
schreiben vom 9. Dezember 1897 war für später ausdrücklich in Aussicht ge¬
nommen, Erhebungen zu veranstalten, die sich uuter anderen anch auf das
Alter der beschäftigten Kinder, die Dauer und Lage der Arbeitszeit, die Be¬
schaffenheit der Arbeitsräume, die rechtliche Natur des Arbeitsverhältnisses und
die Höhe der Arbeitslöhne erstrecken sollten. Darüber und über vieles andre,
was vor scharfem Eingriffen im einzelne,: studiert werden muß, wenn nicht
Unheil angerichtet werden soll, kann natürlich nicht durch solch eine allgemeine
„Zählung" das nötige Licht gewonnen werden, sondern dazu sind eingehende
Sach- und Ortsenqueten nötig, die sich nnr für bestimmte, eng begrenzte Ge-
werbzweige oder geographische Bezirke erfolgreich durchführen lassen. Es
muß ja anerkannt werden, wenn es auch zum Teil nur auf Mißverständnis
beruhen mag, daß einzelne Bundesstaaten auch bei dieser allgemeinen Vor¬
erhebung durch die Schullehrer schon auf solche Details, wie Geschlecht, Alter,
tägliche Arbeitszeit, ja sogar auf die Arbeitslöhne einzugehn versucht haben,
aber verlangt war das vorläufig ganz verständigerweise nicht von ihnen, und
viel Wert haben die darüber erbrachten Nachweise auch nicht. Wenn also die
sozialdcmokmtische Presse darüber gelärmt hat, daß diese Details nicht schon
durchweg erfragt und nachgewiesen worden sind, so hat sie weder verstanden,
worum es sich bei dieser Erhebung handelte, noch wie solche Details zu er¬
heben sind, wenn nicht Unsinn herauskommen soll.

Wie der Staatssekretär des Innern im Reichstag schon am 20. Januar
1899 und dann nochmals am 10. Januar 1900 mitgeteilt hat, ist die gesamte
Darstellung vom Kaiserlichen Statistischen Amt noch im Jahre 1898 dem
Reichsamt des Innern vorgelegt worden, „woselbst — wie es in der jetzt er¬
schienenen Veröffentlichung heißt — inzwischen auf Grund der Erhebung Vor¬
schläge über die Regelung der gewerblichen Kinderarbeit außerhalb der Fabriken
und diesen gleichstehenden Anlagen ausgearbeitet und unter Zuziehung von
Vertretern des preußischen Handelsministeriums, Ministeriums des Innern und
des Kultusministeriums beraten worden sind." Ob damit Vorschläge für eine
kaiserliche Verordnung im Sinne des Artikels IX des Gesetzes vom 1. Juni
1891 zur endlichen Inkraftsetzung des Absatz 3 des § 154 und für kaiserliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/390>, abgerufen am 20.09.2024.