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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Herbsttage in der Lisel

Auch der Schreiber dieser Zeilen hatte sich, durch die Berichte andrer
veranlaßt, schon vor Jahren das stille Gelübde abgelegt, wenigstens einen Teil
der Eifel zu besuchen. Er hat es nicht bereut, in den vom Wetter so be¬
günstigten Septembertagen dieses Jahres endlich seinen Vorsatz ausgeführt zu
haben. Wenn er in diesen Blättern seine unterwegs gemachten Beobachtungen
mitteilt, so geschieht dies, um dem schönen Eifellcmde und seinen Bewohnern
eine Dankesschuld für eine Reihe genußreicher Tage abzutragen und dem in
so mancher .Hinsicht beachtenswerten Landstriche auch außerhalb der Rheinprovinz
Freunde zu erwerben.

Es war ein köstlicher Herbstmorgen, als mich das Dampfroß dem Städtchen
Atman, dem Ausgangspunkte meiner Wanderung entgegentrug. Im Rhein-
thale braute noch der Frühnebel, aber als der Zug bei Remagen in das Ahr-
thal einbog, brach die Sonne durch und beleuchtete die Einzelheiten der Land¬
schaft deutlich genug, aber doch noch so, daß sie von dem für diese Gegend
bezeichnenden, immer gutes Wetter verheißenden zartblauem Dufte überschleiert
waren. Die Weinberge zur Rechten waren mir nie zuvor so sauber und wohl-
gepflegt erschienen wie heute. Das hatte freilich seinen triftigen Grund. Die
Aussichten auf einen reichen Herbst waren seit der Rebenblüte gut gewesen,
Regen und Sonne hatten ihre Schuldigkeit gethan, Saucrwurm und Pilz¬
krankheit, die Zerstörer so vieler Hoffnungen, waren ausgeblieben, und der
Winzer konnte hier wie an der Mosel und im Rheingau einem nahezu "vollen
Herbst" entgegensehen. Für das Ahrthal, dessen Bewohner bis nach Altenahr
hin fast ausschließlich vom Weinbau leben, hat der Ertrag ihrer Berge neuer¬
dings doppelten Wert, da die allerorten begründeten Winzervereine nicht nur
für eine rationellere Kultur des Nebstocks Sorge tragen, sondern auch dem Ahr-
weine, der früher eine vorwiegend lokale Bedeutung hatte, ein immer weiteres
Absatzgebiet erschließen und selbst dem kleinsten Winzer die Verwertung seiner
"Creseenz" ermöglichen.

An der steilen, von Ruinen einer Burg gekrönten Basaltkuppe der Lands-
kron, dann an der bei Heppingen liegenden ausgedehnten Gebäudegruppe des
Apollinarisbrnnuens vorübereilend erreicht der Zug den freundlichen, mächtig
aufstrebenden Badeort Neuenahr, und wenig Minuten später das uralte Winzer-
und Gerberstädtchen Ahrweiler, das seine Befestigungsmauern und Thortürme
aus dem dreizehnten Jahrhundert bis in unsre Zeit herübergerettet hat. Das
im Jahre 1629 gegründete Franziskanerkloster Kalvarienberg auf dem Berg¬
vorsprunge zur Linken, heute ein von Ursulinerinnen geleitetes Töchterpensionat,
ist im letzten Sommer sehr vergrößert und in monumentaler Weise ausgebaut
worden, wie überhaupt in letzter Zeit die geistlichen Orden der Rheinprovinz
eine auffallend rege Bauthätigkeit" entwickeln. Überall wachsen neue Klöster
wie Pilze empor.'

Wo sich das Thal der rauschenden, an Forellen reichen Ahr plötzlich ver¬
engt, liegt unter schroffen Schieferfelsen das weinberühmte und vielbesuugue
Walporzheim. Das Heilige und Profane ist hier, ähnlich wie in des Rhein-


Herbsttage in der Lisel

Auch der Schreiber dieser Zeilen hatte sich, durch die Berichte andrer
veranlaßt, schon vor Jahren das stille Gelübde abgelegt, wenigstens einen Teil
der Eifel zu besuchen. Er hat es nicht bereut, in den vom Wetter so be¬
günstigten Septembertagen dieses Jahres endlich seinen Vorsatz ausgeführt zu
haben. Wenn er in diesen Blättern seine unterwegs gemachten Beobachtungen
mitteilt, so geschieht dies, um dem schönen Eifellcmde und seinen Bewohnern
eine Dankesschuld für eine Reihe genußreicher Tage abzutragen und dem in
so mancher .Hinsicht beachtenswerten Landstriche auch außerhalb der Rheinprovinz
Freunde zu erwerben.

Es war ein köstlicher Herbstmorgen, als mich das Dampfroß dem Städtchen
Atman, dem Ausgangspunkte meiner Wanderung entgegentrug. Im Rhein-
thale braute noch der Frühnebel, aber als der Zug bei Remagen in das Ahr-
thal einbog, brach die Sonne durch und beleuchtete die Einzelheiten der Land¬
schaft deutlich genug, aber doch noch so, daß sie von dem für diese Gegend
bezeichnenden, immer gutes Wetter verheißenden zartblauem Dufte überschleiert
waren. Die Weinberge zur Rechten waren mir nie zuvor so sauber und wohl-
gepflegt erschienen wie heute. Das hatte freilich seinen triftigen Grund. Die
Aussichten auf einen reichen Herbst waren seit der Rebenblüte gut gewesen,
Regen und Sonne hatten ihre Schuldigkeit gethan, Saucrwurm und Pilz¬
krankheit, die Zerstörer so vieler Hoffnungen, waren ausgeblieben, und der
Winzer konnte hier wie an der Mosel und im Rheingau einem nahezu „vollen
Herbst" entgegensehen. Für das Ahrthal, dessen Bewohner bis nach Altenahr
hin fast ausschließlich vom Weinbau leben, hat der Ertrag ihrer Berge neuer¬
dings doppelten Wert, da die allerorten begründeten Winzervereine nicht nur
für eine rationellere Kultur des Nebstocks Sorge tragen, sondern auch dem Ahr-
weine, der früher eine vorwiegend lokale Bedeutung hatte, ein immer weiteres
Absatzgebiet erschließen und selbst dem kleinsten Winzer die Verwertung seiner
„Creseenz" ermöglichen.

An der steilen, von Ruinen einer Burg gekrönten Basaltkuppe der Lands-
kron, dann an der bei Heppingen liegenden ausgedehnten Gebäudegruppe des
Apollinarisbrnnuens vorübereilend erreicht der Zug den freundlichen, mächtig
aufstrebenden Badeort Neuenahr, und wenig Minuten später das uralte Winzer-
und Gerberstädtchen Ahrweiler, das seine Befestigungsmauern und Thortürme
aus dem dreizehnten Jahrhundert bis in unsre Zeit herübergerettet hat. Das
im Jahre 1629 gegründete Franziskanerkloster Kalvarienberg auf dem Berg¬
vorsprunge zur Linken, heute ein von Ursulinerinnen geleitetes Töchterpensionat,
ist im letzten Sommer sehr vergrößert und in monumentaler Weise ausgebaut
worden, wie überhaupt in letzter Zeit die geistlichen Orden der Rheinprovinz
eine auffallend rege Bauthätigkeit" entwickeln. Überall wachsen neue Klöster
wie Pilze empor.'

Wo sich das Thal der rauschenden, an Forellen reichen Ahr plötzlich ver¬
engt, liegt unter schroffen Schieferfelsen das weinberühmte und vielbesuugue
Walporzheim. Das Heilige und Profane ist hier, ähnlich wie in des Rhein-


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[0369] Herbsttage in der Lisel Auch der Schreiber dieser Zeilen hatte sich, durch die Berichte andrer veranlaßt, schon vor Jahren das stille Gelübde abgelegt, wenigstens einen Teil der Eifel zu besuchen. Er hat es nicht bereut, in den vom Wetter so be¬ günstigten Septembertagen dieses Jahres endlich seinen Vorsatz ausgeführt zu haben. Wenn er in diesen Blättern seine unterwegs gemachten Beobachtungen mitteilt, so geschieht dies, um dem schönen Eifellcmde und seinen Bewohnern eine Dankesschuld für eine Reihe genußreicher Tage abzutragen und dem in so mancher .Hinsicht beachtenswerten Landstriche auch außerhalb der Rheinprovinz Freunde zu erwerben. Es war ein köstlicher Herbstmorgen, als mich das Dampfroß dem Städtchen Atman, dem Ausgangspunkte meiner Wanderung entgegentrug. Im Rhein- thale braute noch der Frühnebel, aber als der Zug bei Remagen in das Ahr- thal einbog, brach die Sonne durch und beleuchtete die Einzelheiten der Land¬ schaft deutlich genug, aber doch noch so, daß sie von dem für diese Gegend bezeichnenden, immer gutes Wetter verheißenden zartblauem Dufte überschleiert waren. Die Weinberge zur Rechten waren mir nie zuvor so sauber und wohl- gepflegt erschienen wie heute. Das hatte freilich seinen triftigen Grund. Die Aussichten auf einen reichen Herbst waren seit der Rebenblüte gut gewesen, Regen und Sonne hatten ihre Schuldigkeit gethan, Saucrwurm und Pilz¬ krankheit, die Zerstörer so vieler Hoffnungen, waren ausgeblieben, und der Winzer konnte hier wie an der Mosel und im Rheingau einem nahezu „vollen Herbst" entgegensehen. Für das Ahrthal, dessen Bewohner bis nach Altenahr hin fast ausschließlich vom Weinbau leben, hat der Ertrag ihrer Berge neuer¬ dings doppelten Wert, da die allerorten begründeten Winzervereine nicht nur für eine rationellere Kultur des Nebstocks Sorge tragen, sondern auch dem Ahr- weine, der früher eine vorwiegend lokale Bedeutung hatte, ein immer weiteres Absatzgebiet erschließen und selbst dem kleinsten Winzer die Verwertung seiner „Creseenz" ermöglichen. An der steilen, von Ruinen einer Burg gekrönten Basaltkuppe der Lands- kron, dann an der bei Heppingen liegenden ausgedehnten Gebäudegruppe des Apollinarisbrnnuens vorübereilend erreicht der Zug den freundlichen, mächtig aufstrebenden Badeort Neuenahr, und wenig Minuten später das uralte Winzer- und Gerberstädtchen Ahrweiler, das seine Befestigungsmauern und Thortürme aus dem dreizehnten Jahrhundert bis in unsre Zeit herübergerettet hat. Das im Jahre 1629 gegründete Franziskanerkloster Kalvarienberg auf dem Berg¬ vorsprunge zur Linken, heute ein von Ursulinerinnen geleitetes Töchterpensionat, ist im letzten Sommer sehr vergrößert und in monumentaler Weise ausgebaut worden, wie überhaupt in letzter Zeit die geistlichen Orden der Rheinprovinz eine auffallend rege Bauthätigkeit" entwickeln. Überall wachsen neue Klöster wie Pilze empor.' Wo sich das Thal der rauschenden, an Forellen reichen Ahr plötzlich ver¬ engt, liegt unter schroffen Schieferfelsen das weinberühmte und vielbesuugue Walporzheim. Das Heilige und Profane ist hier, ähnlich wie in des Rhein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/369>, abgerufen am 29.06.2024.