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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Herbsttage in der Lisel

Die kleine Abschweifung nuf das etymologische Gebiet möge man mir
schon deshalb verzeihen, weil sie mir Gelegenheit bietet, Dronkes zu gedenken.
Ihm und dem von ihm im Jahre 1888 begründeten und bis zu seinem kürz¬
lich erfolgten Tode geleiteten Eifelverein verdankt die Eifel vor allem ihre
Erschließung und volkswirtschaftliche Hebung. Dronte hat recht eigentlich den
bösen Bann, der auf dem Lande zwischen Rhein, Mosel, Luxemburg und
Belgien lag, gebrochen, er hat das Dornröschen aus jahrhundertelangem
Schlafe geweckt, dessen Schönheit heute schon tausende Wandrer erfreut und
beglückt. Zu Anfang der achtziger Jahre machte sich, man darf fast sagen,
mit elementarer Gewalt eine Bewegung zu Gunsten der Eifel geltend, die
nicht nur die Aufmerksamkeit privater Kreise, sondern, was weit bedeutsamer
ist, auch die der preußischen Regierung auf das bis dahin unleugbar stark
vernachlässigte Gebiet lenkte und eine Reihe zweckentsprechend ins Werk ge¬
setzter Maßnahmen anbahnte, deren Ergebnisse heute schon deutlich wahrnehmbar
sind. Auch die rheinische Presse nahm sich mit Eifer des Landes an; so ge¬
bührt der "Kölnischen Zeitung" das Verdienst, die Ursachen des thatsächlich
vorhandnen Notstands schonungslos aufgedeckt und Winke zur Abhilfe erteilt
zu haben. In der richtigen Erkenntnis, daß die sprichwörtliche Armut der
Eifelbevölkerung nicht so sehr auf ungünstige klimatische und Bodenverhältnisse
als auf den Mangel an Verkehrswegen, die eine Verwertung der Landes-
produkte ermöglichten, zurückzuführen sei, hat die Regierung dann bald be¬
gonnen, Landstraßen und Schienenwege zu bauen. Auch die Wiederaufforstung
des Ödlands, die Verbesserung des Ackerbodens und der Wiesen, die Negluug
der Wasserlüufe und die Hebung der altberühmten, noch immer bedeutenden
Zucht des Eifeler Rindviehs werden seitdem mit staatlichen, kommunalen und
privaten Mitteln betrieben. Weniger Erfolg hatten bisher die Versuche, dem
Bergbau neuen Aufschwung zu geben, ja man hat sich entschließen müssen,
den Betrieb zweier der größten Werke, der Mechernicher und Bleialfer Gruben,
die schon seit der Römerzeit und seit dem sechzehnten Jahrhundert ausgebeutet
wurden, wegen allzugroßer Armut der Erzgüuge gänzlich einzustellen. Dafür
bemühn sich jedoch die sehr rührigen Ortsgruppen des Eifelvereins, durch An¬
legung von Wegen, Promenaden und Brücken, durch Errichtung von Wegweisern
und Sitzbänken, durch Überwachung der Gasthöfe, durch Erhaltung der hei¬
mischen Altertümer und nicht zum wenigsten durch Vorträge und litterarische
Publikationen den wenn auch nicht Gold so doch Silber führenden Tonristen-
strom in die Thäler der Eifel zu leiten.

So ist die Eifel gleichsam über Nacht "in Mode" gekommen. Der
Wandrer, der die füllen Bergthäler durchzieht, wird nicht mehr wie ehedem
als eine Erscheinung aus einer andern Welt mißtrauisch oder neugierig ange¬
staunt; man begrüßt ihn überall mit Zuvorkommenheit und Freundlichkeit, denn
man weiß, daß er zu Hause dem wiederentdeckten alten romantischen Lande
neue Freunde werben wird, die vielleicht schon im nächsten Jahre seinen spüre"
folgen.


Herbsttage in der Lisel

Die kleine Abschweifung nuf das etymologische Gebiet möge man mir
schon deshalb verzeihen, weil sie mir Gelegenheit bietet, Dronkes zu gedenken.
Ihm und dem von ihm im Jahre 1888 begründeten und bis zu seinem kürz¬
lich erfolgten Tode geleiteten Eifelverein verdankt die Eifel vor allem ihre
Erschließung und volkswirtschaftliche Hebung. Dronte hat recht eigentlich den
bösen Bann, der auf dem Lande zwischen Rhein, Mosel, Luxemburg und
Belgien lag, gebrochen, er hat das Dornröschen aus jahrhundertelangem
Schlafe geweckt, dessen Schönheit heute schon tausende Wandrer erfreut und
beglückt. Zu Anfang der achtziger Jahre machte sich, man darf fast sagen,
mit elementarer Gewalt eine Bewegung zu Gunsten der Eifel geltend, die
nicht nur die Aufmerksamkeit privater Kreise, sondern, was weit bedeutsamer
ist, auch die der preußischen Regierung auf das bis dahin unleugbar stark
vernachlässigte Gebiet lenkte und eine Reihe zweckentsprechend ins Werk ge¬
setzter Maßnahmen anbahnte, deren Ergebnisse heute schon deutlich wahrnehmbar
sind. Auch die rheinische Presse nahm sich mit Eifer des Landes an; so ge¬
bührt der „Kölnischen Zeitung" das Verdienst, die Ursachen des thatsächlich
vorhandnen Notstands schonungslos aufgedeckt und Winke zur Abhilfe erteilt
zu haben. In der richtigen Erkenntnis, daß die sprichwörtliche Armut der
Eifelbevölkerung nicht so sehr auf ungünstige klimatische und Bodenverhältnisse
als auf den Mangel an Verkehrswegen, die eine Verwertung der Landes-
produkte ermöglichten, zurückzuführen sei, hat die Regierung dann bald be¬
gonnen, Landstraßen und Schienenwege zu bauen. Auch die Wiederaufforstung
des Ödlands, die Verbesserung des Ackerbodens und der Wiesen, die Negluug
der Wasserlüufe und die Hebung der altberühmten, noch immer bedeutenden
Zucht des Eifeler Rindviehs werden seitdem mit staatlichen, kommunalen und
privaten Mitteln betrieben. Weniger Erfolg hatten bisher die Versuche, dem
Bergbau neuen Aufschwung zu geben, ja man hat sich entschließen müssen,
den Betrieb zweier der größten Werke, der Mechernicher und Bleialfer Gruben,
die schon seit der Römerzeit und seit dem sechzehnten Jahrhundert ausgebeutet
wurden, wegen allzugroßer Armut der Erzgüuge gänzlich einzustellen. Dafür
bemühn sich jedoch die sehr rührigen Ortsgruppen des Eifelvereins, durch An¬
legung von Wegen, Promenaden und Brücken, durch Errichtung von Wegweisern
und Sitzbänken, durch Überwachung der Gasthöfe, durch Erhaltung der hei¬
mischen Altertümer und nicht zum wenigsten durch Vorträge und litterarische
Publikationen den wenn auch nicht Gold so doch Silber führenden Tonristen-
strom in die Thäler der Eifel zu leiten.

So ist die Eifel gleichsam über Nacht „in Mode" gekommen. Der
Wandrer, der die füllen Bergthäler durchzieht, wird nicht mehr wie ehedem
als eine Erscheinung aus einer andern Welt mißtrauisch oder neugierig ange¬
staunt; man begrüßt ihn überall mit Zuvorkommenheit und Freundlichkeit, denn
man weiß, daß er zu Hause dem wiederentdeckten alten romantischen Lande
neue Freunde werben wird, die vielleicht schon im nächsten Jahre seinen spüre«
folgen.


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[0368] Herbsttage in der Lisel Die kleine Abschweifung nuf das etymologische Gebiet möge man mir schon deshalb verzeihen, weil sie mir Gelegenheit bietet, Dronkes zu gedenken. Ihm und dem von ihm im Jahre 1888 begründeten und bis zu seinem kürz¬ lich erfolgten Tode geleiteten Eifelverein verdankt die Eifel vor allem ihre Erschließung und volkswirtschaftliche Hebung. Dronte hat recht eigentlich den bösen Bann, der auf dem Lande zwischen Rhein, Mosel, Luxemburg und Belgien lag, gebrochen, er hat das Dornröschen aus jahrhundertelangem Schlafe geweckt, dessen Schönheit heute schon tausende Wandrer erfreut und beglückt. Zu Anfang der achtziger Jahre machte sich, man darf fast sagen, mit elementarer Gewalt eine Bewegung zu Gunsten der Eifel geltend, die nicht nur die Aufmerksamkeit privater Kreise, sondern, was weit bedeutsamer ist, auch die der preußischen Regierung auf das bis dahin unleugbar stark vernachlässigte Gebiet lenkte und eine Reihe zweckentsprechend ins Werk ge¬ setzter Maßnahmen anbahnte, deren Ergebnisse heute schon deutlich wahrnehmbar sind. Auch die rheinische Presse nahm sich mit Eifer des Landes an; so ge¬ bührt der „Kölnischen Zeitung" das Verdienst, die Ursachen des thatsächlich vorhandnen Notstands schonungslos aufgedeckt und Winke zur Abhilfe erteilt zu haben. In der richtigen Erkenntnis, daß die sprichwörtliche Armut der Eifelbevölkerung nicht so sehr auf ungünstige klimatische und Bodenverhältnisse als auf den Mangel an Verkehrswegen, die eine Verwertung der Landes- produkte ermöglichten, zurückzuführen sei, hat die Regierung dann bald be¬ gonnen, Landstraßen und Schienenwege zu bauen. Auch die Wiederaufforstung des Ödlands, die Verbesserung des Ackerbodens und der Wiesen, die Negluug der Wasserlüufe und die Hebung der altberühmten, noch immer bedeutenden Zucht des Eifeler Rindviehs werden seitdem mit staatlichen, kommunalen und privaten Mitteln betrieben. Weniger Erfolg hatten bisher die Versuche, dem Bergbau neuen Aufschwung zu geben, ja man hat sich entschließen müssen, den Betrieb zweier der größten Werke, der Mechernicher und Bleialfer Gruben, die schon seit der Römerzeit und seit dem sechzehnten Jahrhundert ausgebeutet wurden, wegen allzugroßer Armut der Erzgüuge gänzlich einzustellen. Dafür bemühn sich jedoch die sehr rührigen Ortsgruppen des Eifelvereins, durch An¬ legung von Wegen, Promenaden und Brücken, durch Errichtung von Wegweisern und Sitzbänken, durch Überwachung der Gasthöfe, durch Erhaltung der hei¬ mischen Altertümer und nicht zum wenigsten durch Vorträge und litterarische Publikationen den wenn auch nicht Gold so doch Silber führenden Tonristen- strom in die Thäler der Eifel zu leiten. So ist die Eifel gleichsam über Nacht „in Mode" gekommen. Der Wandrer, der die füllen Bergthäler durchzieht, wird nicht mehr wie ehedem als eine Erscheinung aus einer andern Welt mißtrauisch oder neugierig ange¬ staunt; man begrüßt ihn überall mit Zuvorkommenheit und Freundlichkeit, denn man weiß, daß er zu Hause dem wiederentdeckten alten romantischen Lande neue Freunde werben wird, die vielleicht schon im nächsten Jahre seinen spüre« folgen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/368>, abgerufen am 29.06.2024.