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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Latifundien und Bauerngut

in den Stand setzte, unter einer wohlwollenden Regierung die Banernverordnung
von 1849 zu schaffen, der 1860 eine Ergänzung folgte. Es seien hier nur
die Ergebnisse angedeutet, wie sie heute vorliegen. Es sind folgende:

Nachdem die Bauernverordnung von 1819 den Schutz des Bauernlaudes
gegen das Legen oder Sprengen von Bauernhöfen aufgehoben hatte, waren
manche Bauernhöfe eingegangen. Um einer weitern Aufsaugung der Bauern¬
höfe vorzubeugen, griff man wieder ans die alte Abgrenzung zurück, indem
man auf Grund der Regulierung von 1804 Hofesland von Banernlaud,
Rittergut vou Bauerngut schied. Die Bauernverordnnng von 1849 sagt (8 126):
"Das Gehorchsland (Bauernland) bleibt nach wie vor Gutsareal und Eigen¬
tum dessen jedesmaligen Gutsbesitzers; indessen ist das Dispositionsrccht
dieses letzter", hinsichtlich des Gehorchslandes, in der Art gesetzlich beschränkt,
daß er keinen Teil desselben jemals und unter irgend welchen Umständen
direkt oder anders als dnrch Verpachtung oder Verkauf an Vauer-Gemeinde-
mitglieder in Nutzung nehmen darf." Dieses Verbot der direkten Nutzung des
Bauernlnndes dnrch den Gutsherrn ging so weit, daß, wenn sich für einen
Bauernhof weder ein Käufer noch ein Pächter fand, der Gutsherr zwar den
Hof während der nächsten sechs Jahre direkt nutzen durfte, nach Ablauf der
sechs Jahre aber ihn völlig unbenutzt lassen mußte, bis sich ein Bauer zu
Pacht oder Kauf fand lH 132). Die Verpachtung durfte nicht für weniger
als sechs Jahre geschehn (Z 143); sie konnte auf Geld oder Frondienst ge¬
stellt sein. Der Frondienst war als bloß transitorische Form erlaubt und
wurde durch die Baueruverorduuug vou 1860 völlig verboten.

Diese Gesetze schufen deu "roten Strich," der seitdem das Bauernland vor
jedem Auffangen durch Gutsherrn oder Kapitalismus schützt. Alles Land
scheidet sich in zwei, genauer drei Kategorien. Erstens das Bauerulaud; es ist
hente zu etwa 85 Prozent in volles Eigentum des Bauern durch Kauf über¬
gegangen. Der Bauernhof darf nicht unter ein bestimmtes Minimum hinab, das
auf den Unterhalt einer Familie berechnet ist, zerstückelt werden; er darf ebenso¬
wenig über em bestimmtes Maximum hinnus durch Landkauf oder Pachtung
vergrößert werden. Das Maximum entspricht bellte einem Geldwert von etwa
40000 Mark.

Eine zweite Kategorie des Landes stellt die Quote dar. Als man 1849
das Bauernlnud uach der Regulierung von 1804 abgrenzte, war ein Teil des
Bauernlandes schon in der Nutzung der Gutsherren und sollte ihnen nun wieder
entzogen werden; auch beduche die nach Aufhebung der Frone notwendige
Änderung der gutsherrlichen Landwirtschaft einer Erweiterung der Grenzen,
innerhalb deren'sie sich frei einrichten konnte. Deshalb wurde ein Teil des
von Bauern geuutztcu Landes nicht zum eigentlichem Bauerulande geschlagen,
sondern dein Gutsherrn zur freien Benutzung überlassen, der dieses Land ver¬
kaufen, verpachten, aber auch zur Abrundung der Hofeswirtschaft ganz einziehn
durfte. Das war die Quote, die heute uoch fast ganz als Pachtlnud oder als
Eigentum durch Kauf in bäuerlicher Nutzung ist.


Latifundien und Bauerngut

in den Stand setzte, unter einer wohlwollenden Regierung die Banernverordnung
von 1849 zu schaffen, der 1860 eine Ergänzung folgte. Es seien hier nur
die Ergebnisse angedeutet, wie sie heute vorliegen. Es sind folgende:

Nachdem die Bauernverordnung von 1819 den Schutz des Bauernlaudes
gegen das Legen oder Sprengen von Bauernhöfen aufgehoben hatte, waren
manche Bauernhöfe eingegangen. Um einer weitern Aufsaugung der Bauern¬
höfe vorzubeugen, griff man wieder ans die alte Abgrenzung zurück, indem
man auf Grund der Regulierung von 1804 Hofesland von Banernlaud,
Rittergut vou Bauerngut schied. Die Bauernverordnnng von 1849 sagt (8 126):
„Das Gehorchsland (Bauernland) bleibt nach wie vor Gutsareal und Eigen¬
tum dessen jedesmaligen Gutsbesitzers; indessen ist das Dispositionsrccht
dieses letzter», hinsichtlich des Gehorchslandes, in der Art gesetzlich beschränkt,
daß er keinen Teil desselben jemals und unter irgend welchen Umständen
direkt oder anders als dnrch Verpachtung oder Verkauf an Vauer-Gemeinde-
mitglieder in Nutzung nehmen darf." Dieses Verbot der direkten Nutzung des
Bauernlnndes dnrch den Gutsherrn ging so weit, daß, wenn sich für einen
Bauernhof weder ein Käufer noch ein Pächter fand, der Gutsherr zwar den
Hof während der nächsten sechs Jahre direkt nutzen durfte, nach Ablauf der
sechs Jahre aber ihn völlig unbenutzt lassen mußte, bis sich ein Bauer zu
Pacht oder Kauf fand lH 132). Die Verpachtung durfte nicht für weniger
als sechs Jahre geschehn (Z 143); sie konnte auf Geld oder Frondienst ge¬
stellt sein. Der Frondienst war als bloß transitorische Form erlaubt und
wurde durch die Baueruverorduuug vou 1860 völlig verboten.

Diese Gesetze schufen deu „roten Strich," der seitdem das Bauernland vor
jedem Auffangen durch Gutsherrn oder Kapitalismus schützt. Alles Land
scheidet sich in zwei, genauer drei Kategorien. Erstens das Bauerulaud; es ist
hente zu etwa 85 Prozent in volles Eigentum des Bauern durch Kauf über¬
gegangen. Der Bauernhof darf nicht unter ein bestimmtes Minimum hinab, das
auf den Unterhalt einer Familie berechnet ist, zerstückelt werden; er darf ebenso¬
wenig über em bestimmtes Maximum hinnus durch Landkauf oder Pachtung
vergrößert werden. Das Maximum entspricht bellte einem Geldwert von etwa
40000 Mark.

Eine zweite Kategorie des Landes stellt die Quote dar. Als man 1849
das Bauernlnud uach der Regulierung von 1804 abgrenzte, war ein Teil des
Bauernlandes schon in der Nutzung der Gutsherren und sollte ihnen nun wieder
entzogen werden; auch beduche die nach Aufhebung der Frone notwendige
Änderung der gutsherrlichen Landwirtschaft einer Erweiterung der Grenzen,
innerhalb deren'sie sich frei einrichten konnte. Deshalb wurde ein Teil des
von Bauern geuutztcu Landes nicht zum eigentlichem Bauerulande geschlagen,
sondern dein Gutsherrn zur freien Benutzung überlassen, der dieses Land ver¬
kaufen, verpachten, aber auch zur Abrundung der Hofeswirtschaft ganz einziehn
durfte. Das war die Quote, die heute uoch fast ganz als Pachtlnud oder als
Eigentum durch Kauf in bäuerlicher Nutzung ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/293>, abgerufen am 29.06.2024.