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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Getreidezölle "ut Handelsverträge

auf die sie durch die hohe" Getreidepreise Anfang der siebziger Jahre hinauf¬
geschraubt waren. Da nun allgemein zugestanden wird, daß eine Hcmptursnche
der neuern Agmrkrisis auf die übertrieben hohen Preise des Grundwerth wie
der Pacht zurückzuführen ist, so muß man sagen, daß die Gesundung der Ver¬
hältnisse wesentlich durch die Getreidezölle zurückgehalten ist, ... Die land¬
wirtschaftliche Produktion kann durch Zölle nicht so gefördert werden wie die
der Industrie. Die Emanzipation vom Ausland wird dadurch überhaupt nicht
erheblich und bei weitem uicht so zu erwarten sein wie in der Industrie, weil
die Ackerfläche nur wenig vermehrt werden kann, und die Steigerung der Ernte¬
erträge nur langsam und nicht allein durch mehr Kapitalaufwand, sondern
vor allem durch höhere Intelligenz und überhaupt nur innerhalb enger Grenzen
möglich ist."

Die Ernteflächen waren übrigens -- was hier eingeschaltet sein möge --
im Deutschen Reiche folgende (in Hektar):

Weizen u. SpelzRoggenHaferGerste
18782217090593492737430701620483
1885229383158418413 786 8271742386
18902 327 02658203173 9040201664188
18972 2472875 966 7763 9990521666014
18982097 3895 945 1913996 5211660196
und die Ernteerträge im Durchschnitt derJahre (in Tonnen):
AZeizen u. SpelzRoggenHaferGerste
1878/802878 517581779745157022177411
1881/852 876 67257639344176S922194743
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18!>73 259 9966 93250648414462242015
18983 714479753270657806992514024
Durchschnitt 1880/98311583161817374586 7882 260610

Danach sind die Ernteslncheiso ziemlich gleich groß geblieben,
es die deutsche Landwirtschaft verstanden hat, in den neunziger Jahren die
Ernteerträge erfreulich zu steigern, ohne daß dadurch bekanntlich der thatsäch¬
liche Bedarf gedeckt und die Getreideeinfuhr eingeschränkt worden ist.

Conrad gelangt durch diese Betrachtungen, die uns im ganzen trotz der
Möglichkeit gewisser Einwände im einzelnen unanfechtbar erscheinen, keineswegs
etwa zu einer Verurteilung der Getreidezölle an sich. Er sagt vielmehr aus¬
drücklich, daß ihre Einführung nötig gewesen wäre, und daß ihre Aufrecht-
erhaltung heute uoch nötig sei. Das, was sich für die hier behandelte Frage
daraus ergiebt, ist eben die wesentliche Verschiedenheit der Getreide- und der
Jndttstriezölle im Verhältnis zur Handelsvertragspolitik, oder bestimmter gesagt:
daß die Getreidezölle, wenn und solange sie nötig sind, überhaupt nicht zum
Gegenstand von Handelsverträgen gemacht werden sollten. Unsre Landwirte
haben deshalb ganz recht, wenn sie Feinde eiuer Handelsvertragspolitik sind,'


Grenzbotsn IV 1900 21
Getreidezölle »ut Handelsverträge

auf die sie durch die hohe» Getreidepreise Anfang der siebziger Jahre hinauf¬
geschraubt waren. Da nun allgemein zugestanden wird, daß eine Hcmptursnche
der neuern Agmrkrisis auf die übertrieben hohen Preise des Grundwerth wie
der Pacht zurückzuführen ist, so muß man sagen, daß die Gesundung der Ver¬
hältnisse wesentlich durch die Getreidezölle zurückgehalten ist, ... Die land¬
wirtschaftliche Produktion kann durch Zölle nicht so gefördert werden wie die
der Industrie. Die Emanzipation vom Ausland wird dadurch überhaupt nicht
erheblich und bei weitem uicht so zu erwarten sein wie in der Industrie, weil
die Ackerfläche nur wenig vermehrt werden kann, und die Steigerung der Ernte¬
erträge nur langsam und nicht allein durch mehr Kapitalaufwand, sondern
vor allem durch höhere Intelligenz und überhaupt nur innerhalb enger Grenzen
möglich ist."

Die Ernteflächen waren übrigens — was hier eingeschaltet sein möge —
im Deutschen Reiche folgende (in Hektar):

Weizen u. SpelzRoggenHaferGerste
18782217090593492737430701620483
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Durchschnitt 1880/98311583161817374586 7882 260610

Danach sind die Ernteslncheiso ziemlich gleich groß geblieben,
es die deutsche Landwirtschaft verstanden hat, in den neunziger Jahren die
Ernteerträge erfreulich zu steigern, ohne daß dadurch bekanntlich der thatsäch¬
liche Bedarf gedeckt und die Getreideeinfuhr eingeschränkt worden ist.

Conrad gelangt durch diese Betrachtungen, die uns im ganzen trotz der
Möglichkeit gewisser Einwände im einzelnen unanfechtbar erscheinen, keineswegs
etwa zu einer Verurteilung der Getreidezölle an sich. Er sagt vielmehr aus¬
drücklich, daß ihre Einführung nötig gewesen wäre, und daß ihre Aufrecht-
erhaltung heute uoch nötig sei. Das, was sich für die hier behandelte Frage
daraus ergiebt, ist eben die wesentliche Verschiedenheit der Getreide- und der
Jndttstriezölle im Verhältnis zur Handelsvertragspolitik, oder bestimmter gesagt:
daß die Getreidezölle, wenn und solange sie nötig sind, überhaupt nicht zum
Gegenstand von Handelsverträgen gemacht werden sollten. Unsre Landwirte
haben deshalb ganz recht, wenn sie Feinde eiuer Handelsvertragspolitik sind,'


Grenzbotsn IV 1900 21
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[0183] Getreidezölle »ut Handelsverträge auf die sie durch die hohe» Getreidepreise Anfang der siebziger Jahre hinauf¬ geschraubt waren. Da nun allgemein zugestanden wird, daß eine Hcmptursnche der neuern Agmrkrisis auf die übertrieben hohen Preise des Grundwerth wie der Pacht zurückzuführen ist, so muß man sagen, daß die Gesundung der Ver¬ hältnisse wesentlich durch die Getreidezölle zurückgehalten ist, ... Die land¬ wirtschaftliche Produktion kann durch Zölle nicht so gefördert werden wie die der Industrie. Die Emanzipation vom Ausland wird dadurch überhaupt nicht erheblich und bei weitem uicht so zu erwarten sein wie in der Industrie, weil die Ackerfläche nur wenig vermehrt werden kann, und die Steigerung der Ernte¬ erträge nur langsam und nicht allein durch mehr Kapitalaufwand, sondern vor allem durch höhere Intelligenz und überhaupt nur innerhalb enger Grenzen möglich ist." Die Ernteflächen waren übrigens — was hier eingeschaltet sein möge — im Deutschen Reiche folgende (in Hektar): Weizen u. SpelzRoggenHaferGerste 18782217090593492737430701620483 1885229383158418413 786 8271742386 18902 327 02658203173 9040201664188 18972 2472875 966 7763 9990521666014 18982097 3895 945 1913996 5211660196 und die Ernteerträge im Durchschnitt derJahre (in Tonnen): AZeizen u. SpelzRoggenHaferGerste 1878/802878 517581779745157022177411 1881/852 876 67257639344176S922194743 1886/903 051765584456545831102 205030 1891/9532813126 54833547594862345940 18903 3312037 23232049682722317 334 18!>73 259 9966 93250648414462242015 18983 714479753270657806992514024 Durchschnitt 1880/98311583161817374586 7882 260610 Danach sind die Ernteslncheiso ziemlich gleich groß geblieben, es die deutsche Landwirtschaft verstanden hat, in den neunziger Jahren die Ernteerträge erfreulich zu steigern, ohne daß dadurch bekanntlich der thatsäch¬ liche Bedarf gedeckt und die Getreideeinfuhr eingeschränkt worden ist. Conrad gelangt durch diese Betrachtungen, die uns im ganzen trotz der Möglichkeit gewisser Einwände im einzelnen unanfechtbar erscheinen, keineswegs etwa zu einer Verurteilung der Getreidezölle an sich. Er sagt vielmehr aus¬ drücklich, daß ihre Einführung nötig gewesen wäre, und daß ihre Aufrecht- erhaltung heute uoch nötig sei. Das, was sich für die hier behandelte Frage daraus ergiebt, ist eben die wesentliche Verschiedenheit der Getreide- und der Jndttstriezölle im Verhältnis zur Handelsvertragspolitik, oder bestimmter gesagt: daß die Getreidezölle, wenn und solange sie nötig sind, überhaupt nicht zum Gegenstand von Handelsverträgen gemacht werden sollten. Unsre Landwirte haben deshalb ganz recht, wenn sie Feinde eiuer Handelsvertragspolitik sind,' Grenzbotsn IV 1900 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/183>, abgerufen am 26.06.2024.