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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Zur Frauenfrage

füllen als der Mann, so sei es eine unabweisliche Forderung der Gerechtigkeit,
ihr die Pforten zu diesen Berufsarten zu öffnen und ihr die Beschreidung eines
Bildungswegs zu ermöglichen, der sie zu denselben Bildungszielen führe, wie
sie den Männern vorgesteckt und erreichbar seien.

Dies sind -- ohne jede Übertreibung und Karikatur -- die Ziele, die die
moderne Frauenbewegung, auch die gemäßigte, zunächst auf ihr Programm
gesetzt hat. Sie involvieren augenscheinlich die Forderung der Zugänglichkeit
aller oder doch gewisser Münnerberufe für die Frau. Sie fordern für diese
nicht bloß den freien Zugang zur Universität, sondern nach Abschluß der aka¬
demischen Studien zu den für die Männer der öffentlichen Berufe und Ämter
vorgeschriebnen Prüfungen. Sie reklamieren für die Frau die Öffentlichkeit,
und ihre logische Konsequenz führt schließlich mit unausweichlicher Notwendig¬
keit zu den, aktiven und dem passiven Wahlrecht der Frauen in den politischen,
kirchlichen und kommunalen Organisationen, d. h. sie münden aus in die un¬
natürliche und widernatürliche Utopie der vollen Emanzipation der Frauen.

In diesen logischen Konsequenzen des Programms der modernen Frauen¬
bewegung liegt schon dessen Kritik. Aber die Stärke der Frauen liegt nicht
im Ziehen der logischen Konsequenz. Mirza Schafft) mag wohl ein wenig zu
weit gehn, wenn er singt:


Frauensinn ist wohl zu beugen,
Aber nicht zu überzeugen:
Logik giebts für keine Frau.

Soweit wird er aber wohl Recht haben, daß die Frauen ihre Forderungen
weit mehr mit dem Gefühl und mit dem Herzen als mit dem Verstände be¬
gründen, und daß sie logische Konsequenzen sehr häufig, auch wo sie auf der
Hand liegen, nicht sehen wollen. Dadurch werden wir Männer aber nicht der
Pflicht überhoben, die Forderungen der Frauen unter die Lupe des Verstandes
zu nehmen.

Die sittliche Gleichwertigkeit der Frau in allen Ehren! Ihre sittliche
Würde steht eher höher als niedriger im Vergleich mit der des Mannes. Aber
ihre ganze geistige Anlage, ihr Intellekt, ihr Denken und ihr Wollen ist der
Naturanlage des Mannes nicht gleichartig. Und darum hat sie im allgemeinen
eine andre physische, psychische und geistige Entwicklung als der Mann. Von
Natur sind ihr andre Funktionen, andre Aufgaben, andre Ziele zugewiesen.
Und mit dieser natürlichen Grundverschiedenheit muß man rechnen. Ignoriert
man sie bei der Gestaltung des weiblichen Bildungsgangs, so muß die Sache
schief gehn. MwrÄin kurea Mpsllas, onem usans rsourrst.

Das Mädchengymnasium ist eine Versündigung wider die weibliche Natur.
Das Mädchengymnasium hat uur Sinn -- und es wird jn auch nur zu diesem
Zwecke gefordert --, wenn es die Schülerinnen genau unter denselben Voraus¬
setzungen ausbildet und ihnen genau dasselbe Maß von geistiger und intellek¬
tueller Reife verleiht, wie das Gymnasium für die männliche Jugend den


Zur Frauenfrage

füllen als der Mann, so sei es eine unabweisliche Forderung der Gerechtigkeit,
ihr die Pforten zu diesen Berufsarten zu öffnen und ihr die Beschreidung eines
Bildungswegs zu ermöglichen, der sie zu denselben Bildungszielen führe, wie
sie den Männern vorgesteckt und erreichbar seien.

Dies sind — ohne jede Übertreibung und Karikatur — die Ziele, die die
moderne Frauenbewegung, auch die gemäßigte, zunächst auf ihr Programm
gesetzt hat. Sie involvieren augenscheinlich die Forderung der Zugänglichkeit
aller oder doch gewisser Münnerberufe für die Frau. Sie fordern für diese
nicht bloß den freien Zugang zur Universität, sondern nach Abschluß der aka¬
demischen Studien zu den für die Männer der öffentlichen Berufe und Ämter
vorgeschriebnen Prüfungen. Sie reklamieren für die Frau die Öffentlichkeit,
und ihre logische Konsequenz führt schließlich mit unausweichlicher Notwendig¬
keit zu den, aktiven und dem passiven Wahlrecht der Frauen in den politischen,
kirchlichen und kommunalen Organisationen, d. h. sie münden aus in die un¬
natürliche und widernatürliche Utopie der vollen Emanzipation der Frauen.

In diesen logischen Konsequenzen des Programms der modernen Frauen¬
bewegung liegt schon dessen Kritik. Aber die Stärke der Frauen liegt nicht
im Ziehen der logischen Konsequenz. Mirza Schafft) mag wohl ein wenig zu
weit gehn, wenn er singt:


Frauensinn ist wohl zu beugen,
Aber nicht zu überzeugen:
Logik giebts für keine Frau.

Soweit wird er aber wohl Recht haben, daß die Frauen ihre Forderungen
weit mehr mit dem Gefühl und mit dem Herzen als mit dem Verstände be¬
gründen, und daß sie logische Konsequenzen sehr häufig, auch wo sie auf der
Hand liegen, nicht sehen wollen. Dadurch werden wir Männer aber nicht der
Pflicht überhoben, die Forderungen der Frauen unter die Lupe des Verstandes
zu nehmen.

Die sittliche Gleichwertigkeit der Frau in allen Ehren! Ihre sittliche
Würde steht eher höher als niedriger im Vergleich mit der des Mannes. Aber
ihre ganze geistige Anlage, ihr Intellekt, ihr Denken und ihr Wollen ist der
Naturanlage des Mannes nicht gleichartig. Und darum hat sie im allgemeinen
eine andre physische, psychische und geistige Entwicklung als der Mann. Von
Natur sind ihr andre Funktionen, andre Aufgaben, andre Ziele zugewiesen.
Und mit dieser natürlichen Grundverschiedenheit muß man rechnen. Ignoriert
man sie bei der Gestaltung des weiblichen Bildungsgangs, so muß die Sache
schief gehn. MwrÄin kurea Mpsllas, onem usans rsourrst.

Das Mädchengymnasium ist eine Versündigung wider die weibliche Natur.
Das Mädchengymnasium hat uur Sinn — und es wird jn auch nur zu diesem
Zwecke gefordert —, wenn es die Schülerinnen genau unter denselben Voraus¬
setzungen ausbildet und ihnen genau dasselbe Maß von geistiger und intellek¬
tueller Reife verleiht, wie das Gymnasium für die männliche Jugend den


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[0083] Zur Frauenfrage füllen als der Mann, so sei es eine unabweisliche Forderung der Gerechtigkeit, ihr die Pforten zu diesen Berufsarten zu öffnen und ihr die Beschreidung eines Bildungswegs zu ermöglichen, der sie zu denselben Bildungszielen führe, wie sie den Männern vorgesteckt und erreichbar seien. Dies sind — ohne jede Übertreibung und Karikatur — die Ziele, die die moderne Frauenbewegung, auch die gemäßigte, zunächst auf ihr Programm gesetzt hat. Sie involvieren augenscheinlich die Forderung der Zugänglichkeit aller oder doch gewisser Münnerberufe für die Frau. Sie fordern für diese nicht bloß den freien Zugang zur Universität, sondern nach Abschluß der aka¬ demischen Studien zu den für die Männer der öffentlichen Berufe und Ämter vorgeschriebnen Prüfungen. Sie reklamieren für die Frau die Öffentlichkeit, und ihre logische Konsequenz führt schließlich mit unausweichlicher Notwendig¬ keit zu den, aktiven und dem passiven Wahlrecht der Frauen in den politischen, kirchlichen und kommunalen Organisationen, d. h. sie münden aus in die un¬ natürliche und widernatürliche Utopie der vollen Emanzipation der Frauen. In diesen logischen Konsequenzen des Programms der modernen Frauen¬ bewegung liegt schon dessen Kritik. Aber die Stärke der Frauen liegt nicht im Ziehen der logischen Konsequenz. Mirza Schafft) mag wohl ein wenig zu weit gehn, wenn er singt: Frauensinn ist wohl zu beugen, Aber nicht zu überzeugen: Logik giebts für keine Frau. Soweit wird er aber wohl Recht haben, daß die Frauen ihre Forderungen weit mehr mit dem Gefühl und mit dem Herzen als mit dem Verstände be¬ gründen, und daß sie logische Konsequenzen sehr häufig, auch wo sie auf der Hand liegen, nicht sehen wollen. Dadurch werden wir Männer aber nicht der Pflicht überhoben, die Forderungen der Frauen unter die Lupe des Verstandes zu nehmen. Die sittliche Gleichwertigkeit der Frau in allen Ehren! Ihre sittliche Würde steht eher höher als niedriger im Vergleich mit der des Mannes. Aber ihre ganze geistige Anlage, ihr Intellekt, ihr Denken und ihr Wollen ist der Naturanlage des Mannes nicht gleichartig. Und darum hat sie im allgemeinen eine andre physische, psychische und geistige Entwicklung als der Mann. Von Natur sind ihr andre Funktionen, andre Aufgaben, andre Ziele zugewiesen. Und mit dieser natürlichen Grundverschiedenheit muß man rechnen. Ignoriert man sie bei der Gestaltung des weiblichen Bildungsgangs, so muß die Sache schief gehn. MwrÄin kurea Mpsllas, onem usans rsourrst. Das Mädchengymnasium ist eine Versündigung wider die weibliche Natur. Das Mädchengymnasium hat uur Sinn — und es wird jn auch nur zu diesem Zwecke gefordert —, wenn es die Schülerinnen genau unter denselben Voraus¬ setzungen ausbildet und ihnen genau dasselbe Maß von geistiger und intellek¬ tueller Reife verleiht, wie das Gymnasium für die männliche Jugend den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/83>, abgerufen am 03.07.2024.