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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Das Kloster Ivalaam im Ladogasee

Mönchsweihen empfange" und sich den harten Ordensvorschriften unterwerfen,
so haben diese meist schweres Leid erfahren und entsagen nur einem Leben, das
ihnen nichts mehr bieten kann.

Man kann behaupten, daß alles in Walanm, von den Heiligenbildern
und dem Kirchengernt bis zu dem kunstvoll geschmiedeten Gitter, das das ganze
Kloster umgiebt, Erzeugnisse des Gewerbfleißes der arbeitsamen Mönche sind.
Reiche Nutzgärten, bepflanzt mit schattenspendenden Bäumen, bedecken Hunderte
von Hektaren Landes. Die darin erzeugten Früchte genügen nicht nur für
den Jahresbedarf des Klosters, sondern von dem Überfluß erhalten noch viele
Bedürftige in weitem Umkreis reiche Gaben. Brotkvrn hingegen ernten die
Klosterleute trotz der bedeutenden Fluren nicht genug; denn das Klima ist zu
rauh. Daher müssen Roggen und Weizen für die Klosterbäckereien ausgekauft
werden. Längs des nach Süden hin liegenden Seeufers, um Fuß eines un¬
geheuern Granitkegels, der gegen die rauhen Nord- und Ostwinde Schutz ge¬
währt, ist ein Garten mit wundervollen Obstbäumen angelegt. Beim Anblick
der herrlichen Früchte kann man kaum glauben, daß diese im hohen Norden
unter einem meist bewölkten Himmel in dem Gebiete winterlicher Schnee-
stürme gewachsen sind. Dieser Garten wurde von dem Pater Gabriel auf
nacktem Felsgestein in zwanzigjähriger harter Arbeit angelegt, indem er nach
und nach eigenhändig Schwemmerde auf das Gestein trug. Für seine Früchte
hat das Kloster Walamn auf verschiednen Garten- und Obstbauausstellungen
Medaillen und ehrende Anerkennungen erhalten. An einer andern geschützten
Stelle liegt noch ein botanischer Garten, worin besonders Arzneipflanzen ge¬
baut werden.

Aus den reichen und ausgedehnten Waldungen werden ganz ungewöhnlich
hohe Erträge erzielt. Die großen Stämme wandern auf die Bauplätze, während
das Krummholz als Brennmaterial verwandt wird. Auch die Baumstümpfe und
Wurzeln verkommen nicht unbenutzt; sie werden ausgerodet, und aus ihnen
wird Teer bereitet; außerdem gewinnt man daraus Terpentinöl oder Holz¬
kohlen für den Gebrauch in den verschiednen Werkstätten des Klosters. Das
Teerschwelen ist übrigens eine der schmutzigsten Arbeiten, und deshalb wird
fast jeder neu eintretende Mönch, um ihn mit den Mühsalen, die seiner warten,
bekannt zu machen, während der ersten Zeit in die Teerschwclerei geschickt.
Eigentümlich ist es, daß die Klosterleutc von Walamn nicht nur den Wald
hegen und pflegen, sondern auch alles schützen, was darin lebt. Hirsche, Hasen,
Birk- und Haselhühner leben ungestört vor den Nachstellungen des Jägers in
den weiten Forsten und entfliehn nicht beim Herannahen eines Menschen.

Die vortreffliche Thonerde, die an den Ufern des Ladogasees überall ge¬
graben werden kann, hat den Mönchen die Möglichkeit verschafft, besondre Ge¬
werbe zu betreiben. So giebt es dort eine Töpferei, in der von den Brüdern
irdenes Hausgerät, Töpfe, Krüge usw. angefertigt werden. Da alle Gebäude
des Klosters massiv gebaut werdeu, so entstand, um das nötige Baumaterial
zu beschaffen, in dem Walde an der südlichen Einbuchtung des Sees eine eigne


Grenzboten II 1900 66
Das Kloster Ivalaam im Ladogasee

Mönchsweihen empfange« und sich den harten Ordensvorschriften unterwerfen,
so haben diese meist schweres Leid erfahren und entsagen nur einem Leben, das
ihnen nichts mehr bieten kann.

Man kann behaupten, daß alles in Walanm, von den Heiligenbildern
und dem Kirchengernt bis zu dem kunstvoll geschmiedeten Gitter, das das ganze
Kloster umgiebt, Erzeugnisse des Gewerbfleißes der arbeitsamen Mönche sind.
Reiche Nutzgärten, bepflanzt mit schattenspendenden Bäumen, bedecken Hunderte
von Hektaren Landes. Die darin erzeugten Früchte genügen nicht nur für
den Jahresbedarf des Klosters, sondern von dem Überfluß erhalten noch viele
Bedürftige in weitem Umkreis reiche Gaben. Brotkvrn hingegen ernten die
Klosterleute trotz der bedeutenden Fluren nicht genug; denn das Klima ist zu
rauh. Daher müssen Roggen und Weizen für die Klosterbäckereien ausgekauft
werden. Längs des nach Süden hin liegenden Seeufers, um Fuß eines un¬
geheuern Granitkegels, der gegen die rauhen Nord- und Ostwinde Schutz ge¬
währt, ist ein Garten mit wundervollen Obstbäumen angelegt. Beim Anblick
der herrlichen Früchte kann man kaum glauben, daß diese im hohen Norden
unter einem meist bewölkten Himmel in dem Gebiete winterlicher Schnee-
stürme gewachsen sind. Dieser Garten wurde von dem Pater Gabriel auf
nacktem Felsgestein in zwanzigjähriger harter Arbeit angelegt, indem er nach
und nach eigenhändig Schwemmerde auf das Gestein trug. Für seine Früchte
hat das Kloster Walamn auf verschiednen Garten- und Obstbauausstellungen
Medaillen und ehrende Anerkennungen erhalten. An einer andern geschützten
Stelle liegt noch ein botanischer Garten, worin besonders Arzneipflanzen ge¬
baut werden.

Aus den reichen und ausgedehnten Waldungen werden ganz ungewöhnlich
hohe Erträge erzielt. Die großen Stämme wandern auf die Bauplätze, während
das Krummholz als Brennmaterial verwandt wird. Auch die Baumstümpfe und
Wurzeln verkommen nicht unbenutzt; sie werden ausgerodet, und aus ihnen
wird Teer bereitet; außerdem gewinnt man daraus Terpentinöl oder Holz¬
kohlen für den Gebrauch in den verschiednen Werkstätten des Klosters. Das
Teerschwelen ist übrigens eine der schmutzigsten Arbeiten, und deshalb wird
fast jeder neu eintretende Mönch, um ihn mit den Mühsalen, die seiner warten,
bekannt zu machen, während der ersten Zeit in die Teerschwclerei geschickt.
Eigentümlich ist es, daß die Klosterleutc von Walamn nicht nur den Wald
hegen und pflegen, sondern auch alles schützen, was darin lebt. Hirsche, Hasen,
Birk- und Haselhühner leben ungestört vor den Nachstellungen des Jägers in
den weiten Forsten und entfliehn nicht beim Herannahen eines Menschen.

Die vortreffliche Thonerde, die an den Ufern des Ladogasees überall ge¬
graben werden kann, hat den Mönchen die Möglichkeit verschafft, besondre Ge¬
werbe zu betreiben. So giebt es dort eine Töpferei, in der von den Brüdern
irdenes Hausgerät, Töpfe, Krüge usw. angefertigt werden. Da alle Gebäude
des Klosters massiv gebaut werdeu, so entstand, um das nötige Baumaterial
zu beschaffen, in dem Walde an der südlichen Einbuchtung des Sees eine eigne


Grenzboten II 1900 66
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[0529] Das Kloster Ivalaam im Ladogasee Mönchsweihen empfange« und sich den harten Ordensvorschriften unterwerfen, so haben diese meist schweres Leid erfahren und entsagen nur einem Leben, das ihnen nichts mehr bieten kann. Man kann behaupten, daß alles in Walanm, von den Heiligenbildern und dem Kirchengernt bis zu dem kunstvoll geschmiedeten Gitter, das das ganze Kloster umgiebt, Erzeugnisse des Gewerbfleißes der arbeitsamen Mönche sind. Reiche Nutzgärten, bepflanzt mit schattenspendenden Bäumen, bedecken Hunderte von Hektaren Landes. Die darin erzeugten Früchte genügen nicht nur für den Jahresbedarf des Klosters, sondern von dem Überfluß erhalten noch viele Bedürftige in weitem Umkreis reiche Gaben. Brotkvrn hingegen ernten die Klosterleute trotz der bedeutenden Fluren nicht genug; denn das Klima ist zu rauh. Daher müssen Roggen und Weizen für die Klosterbäckereien ausgekauft werden. Längs des nach Süden hin liegenden Seeufers, um Fuß eines un¬ geheuern Granitkegels, der gegen die rauhen Nord- und Ostwinde Schutz ge¬ währt, ist ein Garten mit wundervollen Obstbäumen angelegt. Beim Anblick der herrlichen Früchte kann man kaum glauben, daß diese im hohen Norden unter einem meist bewölkten Himmel in dem Gebiete winterlicher Schnee- stürme gewachsen sind. Dieser Garten wurde von dem Pater Gabriel auf nacktem Felsgestein in zwanzigjähriger harter Arbeit angelegt, indem er nach und nach eigenhändig Schwemmerde auf das Gestein trug. Für seine Früchte hat das Kloster Walamn auf verschiednen Garten- und Obstbauausstellungen Medaillen und ehrende Anerkennungen erhalten. An einer andern geschützten Stelle liegt noch ein botanischer Garten, worin besonders Arzneipflanzen ge¬ baut werden. Aus den reichen und ausgedehnten Waldungen werden ganz ungewöhnlich hohe Erträge erzielt. Die großen Stämme wandern auf die Bauplätze, während das Krummholz als Brennmaterial verwandt wird. Auch die Baumstümpfe und Wurzeln verkommen nicht unbenutzt; sie werden ausgerodet, und aus ihnen wird Teer bereitet; außerdem gewinnt man daraus Terpentinöl oder Holz¬ kohlen für den Gebrauch in den verschiednen Werkstätten des Klosters. Das Teerschwelen ist übrigens eine der schmutzigsten Arbeiten, und deshalb wird fast jeder neu eintretende Mönch, um ihn mit den Mühsalen, die seiner warten, bekannt zu machen, während der ersten Zeit in die Teerschwclerei geschickt. Eigentümlich ist es, daß die Klosterleutc von Walamn nicht nur den Wald hegen und pflegen, sondern auch alles schützen, was darin lebt. Hirsche, Hasen, Birk- und Haselhühner leben ungestört vor den Nachstellungen des Jägers in den weiten Forsten und entfliehn nicht beim Herannahen eines Menschen. Die vortreffliche Thonerde, die an den Ufern des Ladogasees überall ge¬ graben werden kann, hat den Mönchen die Möglichkeit verschafft, besondre Ge¬ werbe zu betreiben. So giebt es dort eine Töpferei, in der von den Brüdern irdenes Hausgerät, Töpfe, Krüge usw. angefertigt werden. Da alle Gebäude des Klosters massiv gebaut werdeu, so entstand, um das nötige Baumaterial zu beschaffen, in dem Walde an der südlichen Einbuchtung des Sees eine eigne Grenzboten II 1900 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/529>, abgerufen am 22.07.2024.