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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Auf Sizilien

Sehr ähnlich, aber von zierlichem Formen ist der Rest der Baltia vecchia
(Badiazza) am Südende der Stadt und am AbHange des Burgbergs, Doch
daS ansehnlichste Bauwerk Taorminns ist der Dom, eine turmlose dreischiffige
romanische Basilika mit Querschiff, vou außen nach normannischer Weise eigen¬
tümlich festungsartig, glatte Mauern mit Zinnen um die Westseite des hohen
Mittelschiffs, um die niedrigem Seitenschiffe und das wieder erhöhte Quer¬
schiff; im Innern tragen romanische Säulen modernisierte Rundbogen und eine
flache Decke; die Westfront zeigt ein einfaches Renaissanceportal und ein
schlichtes, kleines Nundfenster fast unmittelbar unter dem Zinnenkranze. Davor
auf dem kleinen Platze steht ein zierlicher Renaissanecbrnnnen mit doppelter
Schale; an den Stufen spielten Kinder und schwatzten Frauen, die das flutende
Naß in ganz antik geformten großen doppelhenkligen Krügen auffingen und auf
dem Kopfe von dannen trugen, und an der Brüstung dicht um AbHange lehnten
Männer, die Aussicht beschauend, die sich dort nach dem Meere hin öffnet.

Noch schöner ist sie von einem Vorsprunge aus ganz in der Nähe der
südlichen Stadtmauer dicht am Thore von Messina, über dessen Wölbung das
Wappen von Tnorminn prangt, zweimal drei Türme; dort öffnet sich der Blick
ans den Ätna, auf das tiefe Thal der Fiumara della Decima, auf den wasser¬
reichen Alkantara (Akesines) und die Stätte des alten Naxos, auf die Abhänge
der Berge, die trotz ihrer Steilheit aufs sorgfältigste mit Citronen, Orangen,
Wein und Oliven bebaut sind, und auf zahllose weiße Bauernhöfe mitten drin.
Kolossale Kakteen wuchern an den Felswänden, wo nichts andres fortkommt.
Etwas tiefer als der Dom, schon auf dem AbHange, liegt das ehemalige
Dominikanerkloster. Zwei schöne Kreuzgänge zeigen die edeln, seinen Formen
der Frührenaissance, auch die jetzige Form der Kirche stammt etwa aus dieser
Zeit, ein prächtig geschnitztes Chorgestühl, das Werk eines einzigen fleißigen
Mönchs, aus dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Doch heute wohnt
nur noch ein alter Dominikaner dort, der jeden Morgen in der Kirche die
Messe liest, denn das Kloster ist 1874 aufgehoben worden und seit 1896 in
ein Hotel verwandelt, das größte und schönste Taorminas. Es muß sich
prächtig dort wohnen in den tiefen Zimmern, an den hohen, luftigen Gängen,
angesichts des schönen großen Gartens, zumal da der Besitzer, ein Mitglied
der auf Sizilien sehr angesehenen Familie Ragusa, es an nichts hat fehlen
lassen, um die für ihren neuen Zweck schon an sich sehr geeigneten Räume
elegant und bequem auszustatten, und es saß sich bei einer Flasche weißen
San Domenico ganz reizend in einer sonnendurchleuchteten Veranda, die den
Blick auf das Meer und das Theater bot.

Diese Verwandlung des Klosters San Domenico in ein Hotel desselben
Namens hat etwas Typisches für Taormina. Die mittelalterliche Blüte und
Bedeutung der Stadt, für die noch die Kirchen und Klöster, die Paläste und
festen Mauern sprechen, ist längst vorüber, heute ist Taormina vor allem eine
Fremdenkolonie fast wie Capri, und in dieser herrschen die Deutschen, wie aus
Capri. Die im November freilich nicht sehr zahlreichen Gäste unsers Castello
a Mare, und was man sonst davon sah, waren mit wenig Ausnahmen alle


Auf Sizilien

Sehr ähnlich, aber von zierlichem Formen ist der Rest der Baltia vecchia
(Badiazza) am Südende der Stadt und am AbHange des Burgbergs, Doch
daS ansehnlichste Bauwerk Taorminns ist der Dom, eine turmlose dreischiffige
romanische Basilika mit Querschiff, vou außen nach normannischer Weise eigen¬
tümlich festungsartig, glatte Mauern mit Zinnen um die Westseite des hohen
Mittelschiffs, um die niedrigem Seitenschiffe und das wieder erhöhte Quer¬
schiff; im Innern tragen romanische Säulen modernisierte Rundbogen und eine
flache Decke; die Westfront zeigt ein einfaches Renaissanceportal und ein
schlichtes, kleines Nundfenster fast unmittelbar unter dem Zinnenkranze. Davor
auf dem kleinen Platze steht ein zierlicher Renaissanecbrnnnen mit doppelter
Schale; an den Stufen spielten Kinder und schwatzten Frauen, die das flutende
Naß in ganz antik geformten großen doppelhenkligen Krügen auffingen und auf
dem Kopfe von dannen trugen, und an der Brüstung dicht um AbHange lehnten
Männer, die Aussicht beschauend, die sich dort nach dem Meere hin öffnet.

Noch schöner ist sie von einem Vorsprunge aus ganz in der Nähe der
südlichen Stadtmauer dicht am Thore von Messina, über dessen Wölbung das
Wappen von Tnorminn prangt, zweimal drei Türme; dort öffnet sich der Blick
ans den Ätna, auf das tiefe Thal der Fiumara della Decima, auf den wasser¬
reichen Alkantara (Akesines) und die Stätte des alten Naxos, auf die Abhänge
der Berge, die trotz ihrer Steilheit aufs sorgfältigste mit Citronen, Orangen,
Wein und Oliven bebaut sind, und auf zahllose weiße Bauernhöfe mitten drin.
Kolossale Kakteen wuchern an den Felswänden, wo nichts andres fortkommt.
Etwas tiefer als der Dom, schon auf dem AbHange, liegt das ehemalige
Dominikanerkloster. Zwei schöne Kreuzgänge zeigen die edeln, seinen Formen
der Frührenaissance, auch die jetzige Form der Kirche stammt etwa aus dieser
Zeit, ein prächtig geschnitztes Chorgestühl, das Werk eines einzigen fleißigen
Mönchs, aus dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Doch heute wohnt
nur noch ein alter Dominikaner dort, der jeden Morgen in der Kirche die
Messe liest, denn das Kloster ist 1874 aufgehoben worden und seit 1896 in
ein Hotel verwandelt, das größte und schönste Taorminas. Es muß sich
prächtig dort wohnen in den tiefen Zimmern, an den hohen, luftigen Gängen,
angesichts des schönen großen Gartens, zumal da der Besitzer, ein Mitglied
der auf Sizilien sehr angesehenen Familie Ragusa, es an nichts hat fehlen
lassen, um die für ihren neuen Zweck schon an sich sehr geeigneten Räume
elegant und bequem auszustatten, und es saß sich bei einer Flasche weißen
San Domenico ganz reizend in einer sonnendurchleuchteten Veranda, die den
Blick auf das Meer und das Theater bot.

Diese Verwandlung des Klosters San Domenico in ein Hotel desselben
Namens hat etwas Typisches für Taormina. Die mittelalterliche Blüte und
Bedeutung der Stadt, für die noch die Kirchen und Klöster, die Paläste und
festen Mauern sprechen, ist längst vorüber, heute ist Taormina vor allem eine
Fremdenkolonie fast wie Capri, und in dieser herrschen die Deutschen, wie aus
Capri. Die im November freilich nicht sehr zahlreichen Gäste unsers Castello
a Mare, und was man sonst davon sah, waren mit wenig Ausnahmen alle


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[0500] Auf Sizilien Sehr ähnlich, aber von zierlichem Formen ist der Rest der Baltia vecchia (Badiazza) am Südende der Stadt und am AbHange des Burgbergs, Doch daS ansehnlichste Bauwerk Taorminns ist der Dom, eine turmlose dreischiffige romanische Basilika mit Querschiff, vou außen nach normannischer Weise eigen¬ tümlich festungsartig, glatte Mauern mit Zinnen um die Westseite des hohen Mittelschiffs, um die niedrigem Seitenschiffe und das wieder erhöhte Quer¬ schiff; im Innern tragen romanische Säulen modernisierte Rundbogen und eine flache Decke; die Westfront zeigt ein einfaches Renaissanceportal und ein schlichtes, kleines Nundfenster fast unmittelbar unter dem Zinnenkranze. Davor auf dem kleinen Platze steht ein zierlicher Renaissanecbrnnnen mit doppelter Schale; an den Stufen spielten Kinder und schwatzten Frauen, die das flutende Naß in ganz antik geformten großen doppelhenkligen Krügen auffingen und auf dem Kopfe von dannen trugen, und an der Brüstung dicht um AbHange lehnten Männer, die Aussicht beschauend, die sich dort nach dem Meere hin öffnet. Noch schöner ist sie von einem Vorsprunge aus ganz in der Nähe der südlichen Stadtmauer dicht am Thore von Messina, über dessen Wölbung das Wappen von Tnorminn prangt, zweimal drei Türme; dort öffnet sich der Blick ans den Ätna, auf das tiefe Thal der Fiumara della Decima, auf den wasser¬ reichen Alkantara (Akesines) und die Stätte des alten Naxos, auf die Abhänge der Berge, die trotz ihrer Steilheit aufs sorgfältigste mit Citronen, Orangen, Wein und Oliven bebaut sind, und auf zahllose weiße Bauernhöfe mitten drin. Kolossale Kakteen wuchern an den Felswänden, wo nichts andres fortkommt. Etwas tiefer als der Dom, schon auf dem AbHange, liegt das ehemalige Dominikanerkloster. Zwei schöne Kreuzgänge zeigen die edeln, seinen Formen der Frührenaissance, auch die jetzige Form der Kirche stammt etwa aus dieser Zeit, ein prächtig geschnitztes Chorgestühl, das Werk eines einzigen fleißigen Mönchs, aus dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Doch heute wohnt nur noch ein alter Dominikaner dort, der jeden Morgen in der Kirche die Messe liest, denn das Kloster ist 1874 aufgehoben worden und seit 1896 in ein Hotel verwandelt, das größte und schönste Taorminas. Es muß sich prächtig dort wohnen in den tiefen Zimmern, an den hohen, luftigen Gängen, angesichts des schönen großen Gartens, zumal da der Besitzer, ein Mitglied der auf Sizilien sehr angesehenen Familie Ragusa, es an nichts hat fehlen lassen, um die für ihren neuen Zweck schon an sich sehr geeigneten Räume elegant und bequem auszustatten, und es saß sich bei einer Flasche weißen San Domenico ganz reizend in einer sonnendurchleuchteten Veranda, die den Blick auf das Meer und das Theater bot. Diese Verwandlung des Klosters San Domenico in ein Hotel desselben Namens hat etwas Typisches für Taormina. Die mittelalterliche Blüte und Bedeutung der Stadt, für die noch die Kirchen und Klöster, die Paläste und festen Mauern sprechen, ist längst vorüber, heute ist Taormina vor allem eine Fremdenkolonie fast wie Capri, und in dieser herrschen die Deutschen, wie aus Capri. Die im November freilich nicht sehr zahlreichen Gäste unsers Castello a Mare, und was man sonst davon sah, waren mit wenig Ausnahmen alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/500>, abgerufen am 01.10.2024.