Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Da hat sich nun der Buchdruck jahrhundertelang abgemüht, schöne Titel¬ *) Deshalb sind die besten Titel die kürzesten, die, in denen der Inhalt des Buches mit
möglichst wenig Worten erschöpft, nicht durch langatmige Neben- und Untertitel zu einem In¬ haltsverzeichnis breitgetreten, der Name des Verfassers nicht mit allen möglichen Ämtern und Würden, Orden und Ehrenmitgliedschaften behängt ist, und in denen der Setzer auf das kind¬ liche Lehrlingsvergnügen verzichtet hat, zu jeder Zeile die Schrift aus einem andern Sctzerkasten Zu holen. Ein Titelblatt soll nicht der Musterkarte einer Schriftgießerei gleichen; die einzigen Unterschiede in den Schriften sollen Gradunterschiede sein. Alle Schriftmengerei ist barbarisch; sie gehört in die Annoncenblätter. Da hat sich nun der Buchdruck jahrhundertelang abgemüht, schöne Titel¬ *) Deshalb sind die besten Titel die kürzesten, die, in denen der Inhalt des Buches mit
möglichst wenig Worten erschöpft, nicht durch langatmige Neben- und Untertitel zu einem In¬ haltsverzeichnis breitgetreten, der Name des Verfassers nicht mit allen möglichen Ämtern und Würden, Orden und Ehrenmitgliedschaften behängt ist, und in denen der Setzer auf das kind¬ liche Lehrlingsvergnügen verzichtet hat, zu jeder Zeile die Schrift aus einem andern Sctzerkasten Zu holen. Ein Titelblatt soll nicht der Musterkarte einer Schriftgießerei gleichen; die einzigen Unterschiede in den Schriften sollen Gradunterschiede sein. Alle Schriftmengerei ist barbarisch; sie gehört in die Annoncenblätter. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290906"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341871_290410/figures/grenzboten_341871_290410_290906_002.jpg"/><lb/> <p xml:id="ID_1675" next="#ID_1676"> Da hat sich nun der Buchdruck jahrhundertelang abgemüht, schöne Titel¬<lb/> blätter zu setzen und die Kunst des Titelsatzes immer mehr zu vervollkommnen.<lb/> Ein gutes Titelblatt gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Buchsatzes.<lb/> Sie wird wohl in keiner Druckerei dem Setzer überlassen, der den Text des<lb/> Buches setzt, sondern es ist ein besondrer Setzer dazu da, der Accideuzsetzer,<lb/> der auch alle sonstigen Ziersätze herzustellen hat, zu deren Anordnung besondres<lb/> Geschick und besondrer Geschmack gehört. Und doch wissen sich bei manchen<lb/> Titelblättern selbst gewiegte Accidenzsetzer nicht zu helfen. Bei einem guten<lb/> Titelblatt kommt alles darauf an, daß mau es erstens so schnell wie möglich<lb/> überblicken kann. Der einzelne Buchtitel liegt mit hundert andern Buchtiteln<lb/> gemeinsam im Schaufenster oder auf der Ladentafcl. Da gilt es, so schnell<lb/> wie möglich, mit einem einzigen Blick, die drei wichtigsten Bestandteile jedes<lb/> Titels zu übersehen: Inhalt des Buches — Verfasser des Buches — Verleger<lb/> des Buches. Diese drei Bestandteile müssen so auf dem Titelblatt verteilt<lb/> sein, daß jeder für sich sofort ins Auge springt.'") Kann der Inhalt des<lb/> Buches nicht mit einer einzigen Zeile angegeben werden, gehören mehrere<lb/> dazu, so gilt es mit Recht für einen groben Fehler, dein Sinne nach Zu¬<lb/> sammengehöriges zu zerreißen und wonniglich gar Wortteilungen am Ende<lb/> einer Zeile vorzunehmen. Dabei sollen aber die Bestandteile des Titels auch<lb/> so auf der Titelfläche verteilt sein, daß sie ein angenehmes Bild ergeben. Das<lb/> ist die schwierigste Aufgabe. Wer selber Bücher hat drucken lassen, der wird<lb/> wissen, wieviel Versuche oft dazu gehören, bis etwas Befriedigendes erreicht<lb/> wird. Da wird hier ein wenig Durchschuß herausgenommen, dort ein wenig</p><lb/> <note xml:id="FID_68" place="foot"> *) Deshalb sind die besten Titel die kürzesten, die, in denen der Inhalt des Buches mit<lb/> möglichst wenig Worten erschöpft, nicht durch langatmige Neben- und Untertitel zu einem In¬<lb/> haltsverzeichnis breitgetreten, der Name des Verfassers nicht mit allen möglichen Ämtern und<lb/> Würden, Orden und Ehrenmitgliedschaften behängt ist, und in denen der Setzer auf das kind¬<lb/> liche Lehrlingsvergnügen verzichtet hat, zu jeder Zeile die Schrift aus einem andern Sctzerkasten<lb/> Zu holen. Ein Titelblatt soll nicht der Musterkarte einer Schriftgießerei gleichen; die einzigen<lb/> Unterschiede in den Schriften sollen Gradunterschiede sein. Alle Schriftmengerei ist barbarisch;<lb/> sie gehört in die Annoncenblätter.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
[Abbildung]
Da hat sich nun der Buchdruck jahrhundertelang abgemüht, schöne Titel¬
blätter zu setzen und die Kunst des Titelsatzes immer mehr zu vervollkommnen.
Ein gutes Titelblatt gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Buchsatzes.
Sie wird wohl in keiner Druckerei dem Setzer überlassen, der den Text des
Buches setzt, sondern es ist ein besondrer Setzer dazu da, der Accideuzsetzer,
der auch alle sonstigen Ziersätze herzustellen hat, zu deren Anordnung besondres
Geschick und besondrer Geschmack gehört. Und doch wissen sich bei manchen
Titelblättern selbst gewiegte Accidenzsetzer nicht zu helfen. Bei einem guten
Titelblatt kommt alles darauf an, daß mau es erstens so schnell wie möglich
überblicken kann. Der einzelne Buchtitel liegt mit hundert andern Buchtiteln
gemeinsam im Schaufenster oder auf der Ladentafcl. Da gilt es, so schnell
wie möglich, mit einem einzigen Blick, die drei wichtigsten Bestandteile jedes
Titels zu übersehen: Inhalt des Buches — Verfasser des Buches — Verleger
des Buches. Diese drei Bestandteile müssen so auf dem Titelblatt verteilt
sein, daß jeder für sich sofort ins Auge springt.'") Kann der Inhalt des
Buches nicht mit einer einzigen Zeile angegeben werden, gehören mehrere
dazu, so gilt es mit Recht für einen groben Fehler, dein Sinne nach Zu¬
sammengehöriges zu zerreißen und wonniglich gar Wortteilungen am Ende
einer Zeile vorzunehmen. Dabei sollen aber die Bestandteile des Titels auch
so auf der Titelfläche verteilt sein, daß sie ein angenehmes Bild ergeben. Das
ist die schwierigste Aufgabe. Wer selber Bücher hat drucken lassen, der wird
wissen, wieviel Versuche oft dazu gehören, bis etwas Befriedigendes erreicht
wird. Da wird hier ein wenig Durchschuß herausgenommen, dort ein wenig
*) Deshalb sind die besten Titel die kürzesten, die, in denen der Inhalt des Buches mit
möglichst wenig Worten erschöpft, nicht durch langatmige Neben- und Untertitel zu einem In¬
haltsverzeichnis breitgetreten, der Name des Verfassers nicht mit allen möglichen Ämtern und
Würden, Orden und Ehrenmitgliedschaften behängt ist, und in denen der Setzer auf das kind¬
liche Lehrlingsvergnügen verzichtet hat, zu jeder Zeile die Schrift aus einem andern Sctzerkasten
Zu holen. Ein Titelblatt soll nicht der Musterkarte einer Schriftgießerei gleichen; die einzigen
Unterschiede in den Schriften sollen Gradunterschiede sein. Alle Schriftmengerei ist barbarisch;
sie gehört in die Annoncenblätter.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |