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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Geschmacksverirrung im Buchdruck

geben, aber wenn es die Druckerei versuchen will, wird sie ungefähr zu meinem
Ergebnis kommen. Mit andern Worten: mit dieser Schrift kann nur ein
Folinut gedruckt werden. Da wir uns aber heute schlechterdings nicht mehr
mit Folianten herumplagen können und wollen, viele Leute schon über einen
Qunrtband als zu unbequem jammern, so kann man es nur als eine ar¬
chaistische Schrulle bezeichnen, eine solche Schrift neu anfertigen zu lassen und
sich einzubilden, man könne damit heutige Bücher drucken. Die verhältnis¬
mäßig kurzen Zeilen des vorliegenden Buches, auf denen durchschnittlich nur
12 bis 13 Silben in dieser Schriftgröße Platz haben, bringen überdies den
jedem Setzer bekannten Mißstand mit sich, daß der Satz nicht gleichmüßig ver¬
teilt werden kann. Um nllzuviele Wortbrechuugen um Ende der Zeilen zu
vermeiden, müssen die Wörter bald übermäßig auseinandergezogen, bald über¬
mäßig zusammengedrängt werden. Bald stehn zwischen den Wörtern breite
weiße Lücken, bald sind die Wörter so eng aneinandergerückt, daß eine ganze
Zeile fast wie ein einziges Wort aussieht. Das alles läßt sich vermeiden, wem?
die Zeilen eine größere Anzahl von Silben haben. Da kann sich der Setzer
leicht helfen und eine dem Auge wohlthuende Gleichmäßigkeit herstellen.

Dazu kommen aber nun andre Geschmacklosigkeiten. Das ganze Buch
vou Sommerlad ist mit verzierten Initialen förmlich übersät. Bei jedem so¬
genannten Alinea -- wo ein Abschnitt mit einer neuen Zeile beginnt -- ist
ein Zierlmchstabe angebracht, der über drei Zeilen breit ist und durchschnittlich
den Raum vou acht Silben wegnimmt -- eine ebenso große Platzverschwendung
wie Verunstaltung des Buches. Es ist selbstverständlich, daß derartiger "Buch¬
schmuck" -- ein Lieblingswort der Modernen! -- nur dann die Wirkung haben
kann, die er haben soll, wenn er sehr maßvoll verwandt wird. Die Zierbuch-
stabcn solle" wichtige Abschnitte eines Buches markieren; machen sie sich auf
allen Seiten breit, so zieren sie nicht, sie verunzieren das Buch.

Ferner: die Anmerkungen -- und das Buch ist so voll Anmerkungen,
daß man nach einer glatt gefüllten Textseite förmlich suchen muß -- sind rot
gedruckt! Wozu? Heben sie sich uicht schon dnrch die kleinere Schrift und
durch die langen Querstriche genügend vom Text ab? Das ist doch bloße
Spielerei.

Ferner: die Seitenzahlen, die jedes Kind an den obern Ecken der
Kolumnen sucht, sind an die untern Ecken verwiesen. Wozu? Auch das ist
bloße Spielerei.

Ferner: Überschriften, wie "Vorwort," "Inhaltsverzeichnis," siud nicht,
wie es sonst üblich ist, in die Mitte der Kolumne gesetzt und so, daß sie
etwas über dem Text stehn, sondern an die linke Seite, und zwar unmittel¬
bar an Texte klebend, und der Rest der Zeile ist -- mit Blümchen gefüllt!
Das ist mehr als Spielerei, es ist geradezu eine Abgeschmacktheit.

Südlich -- und uun kommt das Tollste --: das Titelblatt des Buches
ist mit einer Schrift, die dreimal so groß ist wie die Textschrift, in einen
schwarzen Titelrahmen rot gedruckt, und zwar in folgender Anordnung:


Geschmacksverirrung im Buchdruck

geben, aber wenn es die Druckerei versuchen will, wird sie ungefähr zu meinem
Ergebnis kommen. Mit andern Worten: mit dieser Schrift kann nur ein
Folinut gedruckt werden. Da wir uns aber heute schlechterdings nicht mehr
mit Folianten herumplagen können und wollen, viele Leute schon über einen
Qunrtband als zu unbequem jammern, so kann man es nur als eine ar¬
chaistische Schrulle bezeichnen, eine solche Schrift neu anfertigen zu lassen und
sich einzubilden, man könne damit heutige Bücher drucken. Die verhältnis¬
mäßig kurzen Zeilen des vorliegenden Buches, auf denen durchschnittlich nur
12 bis 13 Silben in dieser Schriftgröße Platz haben, bringen überdies den
jedem Setzer bekannten Mißstand mit sich, daß der Satz nicht gleichmüßig ver¬
teilt werden kann. Um nllzuviele Wortbrechuugen um Ende der Zeilen zu
vermeiden, müssen die Wörter bald übermäßig auseinandergezogen, bald über¬
mäßig zusammengedrängt werden. Bald stehn zwischen den Wörtern breite
weiße Lücken, bald sind die Wörter so eng aneinandergerückt, daß eine ganze
Zeile fast wie ein einziges Wort aussieht. Das alles läßt sich vermeiden, wem?
die Zeilen eine größere Anzahl von Silben haben. Da kann sich der Setzer
leicht helfen und eine dem Auge wohlthuende Gleichmäßigkeit herstellen.

Dazu kommen aber nun andre Geschmacklosigkeiten. Das ganze Buch
vou Sommerlad ist mit verzierten Initialen förmlich übersät. Bei jedem so¬
genannten Alinea — wo ein Abschnitt mit einer neuen Zeile beginnt — ist
ein Zierlmchstabe angebracht, der über drei Zeilen breit ist und durchschnittlich
den Raum vou acht Silben wegnimmt — eine ebenso große Platzverschwendung
wie Verunstaltung des Buches. Es ist selbstverständlich, daß derartiger „Buch¬
schmuck" — ein Lieblingswort der Modernen! — nur dann die Wirkung haben
kann, die er haben soll, wenn er sehr maßvoll verwandt wird. Die Zierbuch-
stabcn solle» wichtige Abschnitte eines Buches markieren; machen sie sich auf
allen Seiten breit, so zieren sie nicht, sie verunzieren das Buch.

Ferner: die Anmerkungen — und das Buch ist so voll Anmerkungen,
daß man nach einer glatt gefüllten Textseite förmlich suchen muß — sind rot
gedruckt! Wozu? Heben sie sich uicht schon dnrch die kleinere Schrift und
durch die langen Querstriche genügend vom Text ab? Das ist doch bloße
Spielerei.

Ferner: die Seitenzahlen, die jedes Kind an den obern Ecken der
Kolumnen sucht, sind an die untern Ecken verwiesen. Wozu? Auch das ist
bloße Spielerei.

Ferner: Überschriften, wie „Vorwort," „Inhaltsverzeichnis," siud nicht,
wie es sonst üblich ist, in die Mitte der Kolumne gesetzt und so, daß sie
etwas über dem Text stehn, sondern an die linke Seite, und zwar unmittel¬
bar an Texte klebend, und der Rest der Zeile ist — mit Blümchen gefüllt!
Das ist mehr als Spielerei, es ist geradezu eine Abgeschmacktheit.

Südlich — und uun kommt das Tollste —: das Titelblatt des Buches
ist mit einer Schrift, die dreimal so groß ist wie die Textschrift, in einen
schwarzen Titelrahmen rot gedruckt, und zwar in folgender Anordnung:


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[0494] Geschmacksverirrung im Buchdruck geben, aber wenn es die Druckerei versuchen will, wird sie ungefähr zu meinem Ergebnis kommen. Mit andern Worten: mit dieser Schrift kann nur ein Folinut gedruckt werden. Da wir uns aber heute schlechterdings nicht mehr mit Folianten herumplagen können und wollen, viele Leute schon über einen Qunrtband als zu unbequem jammern, so kann man es nur als eine ar¬ chaistische Schrulle bezeichnen, eine solche Schrift neu anfertigen zu lassen und sich einzubilden, man könne damit heutige Bücher drucken. Die verhältnis¬ mäßig kurzen Zeilen des vorliegenden Buches, auf denen durchschnittlich nur 12 bis 13 Silben in dieser Schriftgröße Platz haben, bringen überdies den jedem Setzer bekannten Mißstand mit sich, daß der Satz nicht gleichmüßig ver¬ teilt werden kann. Um nllzuviele Wortbrechuugen um Ende der Zeilen zu vermeiden, müssen die Wörter bald übermäßig auseinandergezogen, bald über¬ mäßig zusammengedrängt werden. Bald stehn zwischen den Wörtern breite weiße Lücken, bald sind die Wörter so eng aneinandergerückt, daß eine ganze Zeile fast wie ein einziges Wort aussieht. Das alles läßt sich vermeiden, wem? die Zeilen eine größere Anzahl von Silben haben. Da kann sich der Setzer leicht helfen und eine dem Auge wohlthuende Gleichmäßigkeit herstellen. Dazu kommen aber nun andre Geschmacklosigkeiten. Das ganze Buch vou Sommerlad ist mit verzierten Initialen förmlich übersät. Bei jedem so¬ genannten Alinea — wo ein Abschnitt mit einer neuen Zeile beginnt — ist ein Zierlmchstabe angebracht, der über drei Zeilen breit ist und durchschnittlich den Raum vou acht Silben wegnimmt — eine ebenso große Platzverschwendung wie Verunstaltung des Buches. Es ist selbstverständlich, daß derartiger „Buch¬ schmuck" — ein Lieblingswort der Modernen! — nur dann die Wirkung haben kann, die er haben soll, wenn er sehr maßvoll verwandt wird. Die Zierbuch- stabcn solle» wichtige Abschnitte eines Buches markieren; machen sie sich auf allen Seiten breit, so zieren sie nicht, sie verunzieren das Buch. Ferner: die Anmerkungen — und das Buch ist so voll Anmerkungen, daß man nach einer glatt gefüllten Textseite förmlich suchen muß — sind rot gedruckt! Wozu? Heben sie sich uicht schon dnrch die kleinere Schrift und durch die langen Querstriche genügend vom Text ab? Das ist doch bloße Spielerei. Ferner: die Seitenzahlen, die jedes Kind an den obern Ecken der Kolumnen sucht, sind an die untern Ecken verwiesen. Wozu? Auch das ist bloße Spielerei. Ferner: Überschriften, wie „Vorwort," „Inhaltsverzeichnis," siud nicht, wie es sonst üblich ist, in die Mitte der Kolumne gesetzt und so, daß sie etwas über dem Text stehn, sondern an die linke Seite, und zwar unmittel¬ bar an Texte klebend, und der Rest der Zeile ist — mit Blümchen gefüllt! Das ist mehr als Spielerei, es ist geradezu eine Abgeschmacktheit. Südlich — und uun kommt das Tollste —: das Titelblatt des Buches ist mit einer Schrift, die dreimal so groß ist wie die Textschrift, in einen schwarzen Titelrahmen rot gedruckt, und zwar in folgender Anordnung:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/494>, abgerufen am 24.08.2024.