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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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hallen und Nnterknnftsrüumen für Kranke, sowie vor allem die wundervolle
Tholos des jüngern Polyklet sind sehr sehenswert. Ein ähnlicher Heilgott
wie Asklepios, oder auch nur eine Art Heilheros war Amphiaraos; sein
Heiligtum bei Oropos. an der Nordküste von Attika, ist tief in einer idyllischen
Waldschlucht versteckt und weist neben zerstörten Tempeln und Hallen auch ein
gut erhaltues Theater auf, das dadurch wichtig ist, daß an ihm Anhaltspunkte
erhalten sind für die Art, wie freischwebende Göttergestalten mittels eines
Kraus durch eiuen Ausschnitt im obern Teile des Proskcnions sozusagen
herausgedreht wurden.

Hoffentlich stehn in Korinth, wo die amerikanische Schicke jetzt umfassende
Ausgrabungen vornimmt, noch wertvolle Funde bevor. Als wir hinkamen,
war außer der hübschen Qnellanlage der Peircne mit einer interessanten, weil
mehrmals erneuerten Fassade noch nicht viel neues zu scheu. Noch eine andre
zusammenhängende größere Stadtanlage ist zu nennen: die alte Stadt Thera
auf der gleichnamigen Insel, die der verdienstvolle schlesische Baron Hiller
von Gärtringen aufgedeckt hat, und die für die Forschung von hoher Wichtigkeit
ist, weniger wegen der schönen Königshalle und ähnlicher hellenistischer Bauten,
oder wegen der zahllosen, mehr oder weniger geistreichen Kritzeleien, die die
antiken Gymnasiasten an den Mauern des Gymnasions verbrochen haben, als
wegen der Stadtteile, die in die allerältesten Perioden der griechischen Welt
hinaufführen, in die Zeiten, wo die griechischen Schriftzeichen noch wesentlich
phönilisch sind, noch ohne die Zeichen, die die Griechen später hinzufügten.
Von besonderm Interesse ist die uralte Knltstüttc des Apollon Karnews,
die noch kein eigentlicher Tempel, sondern nur ein primitives kleines Gehöft
ist. ein offner L>of mit Zisterne, eine kleine Vorhalle (Prodomos) und em
schlichtes Gemach mit zwei kleinen, in den Felsen gearbeiteten Nebengemächern,
wohl geheimen SckMräumcn. Da diese Anlage dem neunten oder achten
Jahrhundert angehört.' so liefert sie den Beweis, daß man den ausgebckdeten
dorischen Tempelbau nicht allzu hoch hinauf datieren kann. Sehr imchtlg ist
ferner, daß man Reste von der Ansiedlung der Minyer gefunden hat, die vor
den Dorern hier heimisch waren, Thonwaren mit naturalistischer Bemalung,
vortreffliche Bronzearbeiten mit eingelegtem Gold, bunte Wandmalerer und
Stuck; da diese Dinge hoch mit dem Bimssteinsand einer vorgeschlichen
vulkanischen Eruption' bedeckt waren, so läßt sich infolge dieses glücklichen
Zufalls der Nachweis führen. daß man es mit Resten der vormykemschcn Zeit
SU thun hat. und daß man diese Periode, die der Übergang zwischen der
Zeit der zweiten und der sechsten Schicht von Troja ist, um 20V0 v. Chr.
ansetzen muß.

^
Von einzelnen Tempeln, deren gute Erhaltung oder geschichtliche Be¬
deutung unsern Besuch veranlaßte, neune ich den bekannten schonen Athena-
tempel auf Aigina, den Poseidontempcl auf Kap Suuion, und als besterhaltnen
die Perle aller griechischen Tempel, den Apollontempel von Bashal bei Phigalm.
der auch durch seine eigentümliche Bauart höchst lehrreich ist und mit seiner


hallen und Nnterknnftsrüumen für Kranke, sowie vor allem die wundervolle
Tholos des jüngern Polyklet sind sehr sehenswert. Ein ähnlicher Heilgott
wie Asklepios, oder auch nur eine Art Heilheros war Amphiaraos; sein
Heiligtum bei Oropos. an der Nordküste von Attika, ist tief in einer idyllischen
Waldschlucht versteckt und weist neben zerstörten Tempeln und Hallen auch ein
gut erhaltues Theater auf, das dadurch wichtig ist, daß an ihm Anhaltspunkte
erhalten sind für die Art, wie freischwebende Göttergestalten mittels eines
Kraus durch eiuen Ausschnitt im obern Teile des Proskcnions sozusagen
herausgedreht wurden.

Hoffentlich stehn in Korinth, wo die amerikanische Schicke jetzt umfassende
Ausgrabungen vornimmt, noch wertvolle Funde bevor. Als wir hinkamen,
war außer der hübschen Qnellanlage der Peircne mit einer interessanten, weil
mehrmals erneuerten Fassade noch nicht viel neues zu scheu. Noch eine andre
zusammenhängende größere Stadtanlage ist zu nennen: die alte Stadt Thera
auf der gleichnamigen Insel, die der verdienstvolle schlesische Baron Hiller
von Gärtringen aufgedeckt hat, und die für die Forschung von hoher Wichtigkeit
ist, weniger wegen der schönen Königshalle und ähnlicher hellenistischer Bauten,
oder wegen der zahllosen, mehr oder weniger geistreichen Kritzeleien, die die
antiken Gymnasiasten an den Mauern des Gymnasions verbrochen haben, als
wegen der Stadtteile, die in die allerältesten Perioden der griechischen Welt
hinaufführen, in die Zeiten, wo die griechischen Schriftzeichen noch wesentlich
phönilisch sind, noch ohne die Zeichen, die die Griechen später hinzufügten.
Von besonderm Interesse ist die uralte Knltstüttc des Apollon Karnews,
die noch kein eigentlicher Tempel, sondern nur ein primitives kleines Gehöft
ist. ein offner L>of mit Zisterne, eine kleine Vorhalle (Prodomos) und em
schlichtes Gemach mit zwei kleinen, in den Felsen gearbeiteten Nebengemächern,
wohl geheimen SckMräumcn. Da diese Anlage dem neunten oder achten
Jahrhundert angehört.' so liefert sie den Beweis, daß man den ausgebckdeten
dorischen Tempelbau nicht allzu hoch hinauf datieren kann. Sehr imchtlg ist
ferner, daß man Reste von der Ansiedlung der Minyer gefunden hat, die vor
den Dorern hier heimisch waren, Thonwaren mit naturalistischer Bemalung,
vortreffliche Bronzearbeiten mit eingelegtem Gold, bunte Wandmalerer und
Stuck; da diese Dinge hoch mit dem Bimssteinsand einer vorgeschlichen
vulkanischen Eruption' bedeckt waren, so läßt sich infolge dieses glücklichen
Zufalls der Nachweis führen. daß man es mit Resten der vormykemschcn Zeit
SU thun hat. und daß man diese Periode, die der Übergang zwischen der
Zeit der zweiten und der sechsten Schicht von Troja ist, um 20V0 v. Chr.
ansetzen muß.

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Von einzelnen Tempeln, deren gute Erhaltung oder geschichtliche Be¬
deutung unsern Besuch veranlaßte, neune ich den bekannten schonen Athena-
tempel auf Aigina, den Poseidontempcl auf Kap Suuion, und als besterhaltnen
die Perle aller griechischen Tempel, den Apollontempel von Bashal bei Phigalm.
der auch durch seine eigentümliche Bauart höchst lehrreich ist und mit seiner


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[0485] hallen und Nnterknnftsrüumen für Kranke, sowie vor allem die wundervolle Tholos des jüngern Polyklet sind sehr sehenswert. Ein ähnlicher Heilgott wie Asklepios, oder auch nur eine Art Heilheros war Amphiaraos; sein Heiligtum bei Oropos. an der Nordküste von Attika, ist tief in einer idyllischen Waldschlucht versteckt und weist neben zerstörten Tempeln und Hallen auch ein gut erhaltues Theater auf, das dadurch wichtig ist, daß an ihm Anhaltspunkte erhalten sind für die Art, wie freischwebende Göttergestalten mittels eines Kraus durch eiuen Ausschnitt im obern Teile des Proskcnions sozusagen herausgedreht wurden. Hoffentlich stehn in Korinth, wo die amerikanische Schicke jetzt umfassende Ausgrabungen vornimmt, noch wertvolle Funde bevor. Als wir hinkamen, war außer der hübschen Qnellanlage der Peircne mit einer interessanten, weil mehrmals erneuerten Fassade noch nicht viel neues zu scheu. Noch eine andre zusammenhängende größere Stadtanlage ist zu nennen: die alte Stadt Thera auf der gleichnamigen Insel, die der verdienstvolle schlesische Baron Hiller von Gärtringen aufgedeckt hat, und die für die Forschung von hoher Wichtigkeit ist, weniger wegen der schönen Königshalle und ähnlicher hellenistischer Bauten, oder wegen der zahllosen, mehr oder weniger geistreichen Kritzeleien, die die antiken Gymnasiasten an den Mauern des Gymnasions verbrochen haben, als wegen der Stadtteile, die in die allerältesten Perioden der griechischen Welt hinaufführen, in die Zeiten, wo die griechischen Schriftzeichen noch wesentlich phönilisch sind, noch ohne die Zeichen, die die Griechen später hinzufügten. Von besonderm Interesse ist die uralte Knltstüttc des Apollon Karnews, die noch kein eigentlicher Tempel, sondern nur ein primitives kleines Gehöft ist. ein offner L>of mit Zisterne, eine kleine Vorhalle (Prodomos) und em schlichtes Gemach mit zwei kleinen, in den Felsen gearbeiteten Nebengemächern, wohl geheimen SckMräumcn. Da diese Anlage dem neunten oder achten Jahrhundert angehört.' so liefert sie den Beweis, daß man den ausgebckdeten dorischen Tempelbau nicht allzu hoch hinauf datieren kann. Sehr imchtlg ist ferner, daß man Reste von der Ansiedlung der Minyer gefunden hat, die vor den Dorern hier heimisch waren, Thonwaren mit naturalistischer Bemalung, vortreffliche Bronzearbeiten mit eingelegtem Gold, bunte Wandmalerer und Stuck; da diese Dinge hoch mit dem Bimssteinsand einer vorgeschlichen vulkanischen Eruption' bedeckt waren, so läßt sich infolge dieses glücklichen Zufalls der Nachweis führen. daß man es mit Resten der vormykemschcn Zeit SU thun hat. und daß man diese Periode, die der Übergang zwischen der Zeit der zweiten und der sechsten Schicht von Troja ist, um 20V0 v. Chr. ansetzen muß. ^ Von einzelnen Tempeln, deren gute Erhaltung oder geschichtliche Be¬ deutung unsern Besuch veranlaßte, neune ich den bekannten schonen Athena- tempel auf Aigina, den Poseidontempcl auf Kap Suuion, und als besterhaltnen die Perle aller griechischen Tempel, den Apollontempel von Bashal bei Phigalm. der auch durch seine eigentümliche Bauart höchst lehrreich ist und mit seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/485>, abgerufen am 03.07.2024.