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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Archäologische Stndienfcchrten nach Griechenland und Kleinasien

Lage inmitten der wildromantischen Landschaft des arkadischen Gebirges kaum
seinesgleichen hat. Sehr schön ist auch die Lage des benachbarten Heiligtums
der Despoina in Lykosnm; auch die beiden Tempel von Rhamnus ein der
Nordostküste von Attika sind hervorzuheben, während die Tempel von Megalo-
polis, Tegea, Argos (das Heraion), Karthnin auf Keos, Eretria auf Euböa,
Paros und Poros in einem sehr traurigen Zustande sind; nur die nackten
Fundamente sind vorhanden, und selbst Dörpfelds Jnterpretationskunst wußte
uicht viel damit anzufangen. Dagegen waren die Theater von Megalopvlis
und von Eretria ausgezeichnet erhalten; bei dem zu Eretria ist besonders
merkwürdig der unterirdische Gang, der vom Proskeuion nach der Mitte der
Orchcstrn führte, um Erscheimmgeu cris der Unterwelt zu ermöglichen. Auch
das elliptische Theater in Thorikos (an der Ostspitze von Attika) und das schone
römische Theater auf Melos verdienen evvühnt zu werden.

Endlich komme ich zu den Orten, wo Denkmäler der mykenischen Periode
vorhanden sind. Ich nenne die mykenische Königsburg auf der Insel Melos, die
über den Resten einer prähistorischen Obsidianmesscrfabrik errichtet wurde -- wir
fanden Hunderte von fertigen und unfertigen oder zerbrochnen Messerchen --,
was wieder für die Zeitbestimmung von Wert ist; ferner die Grabstätten von
Thorikos, die den mykenischen analog sind; das Beste ist und bleibt aber
Tiryns und Mykenä selbst, vor allem Tiryns, dessen Königsburg ein vortreff¬
liches und klares Bild von der Behausung eines homerischen Helden liefert.
Die Burgen von Mykenä und Troja sind längst nicht so übersichtlich, be¬
stätigen aber in jeder Hinsicht das in Tiryns Gefundue. In Mykenä inter¬
essieren besonders die schönen großen Kuppelgräber, die Dörpfeld auf die
Atriden zurückführt, während er das Heroon in der mykenischen Burg mit
seinen goldreichen Schachtgräbern der Zeit der Perseiden meent.

Damit wäre in der Hauptsache der Überblick über die Dörpfeldsche Führung
des vorigen Jahres beendet; Athen selbst und seine Umgebung will ich ganz
beiseite lassen, obwohl auch hier regelmäßige Vortrage sowohl Dörpfelds
wie auch andrer Herren stattfinden; aber erstlich ist ja allgemein bekannt,
welche Schütze sowohl im Nationalmuseum wie auch im Akropolismusenm auf¬
gehäuft sind, und sodann ist allein die Akropolis eine solche unergründliche
Quelle reichsten Genusses und zugleich eine so zauberhafte Sphinx an wechsel¬
voller Schönheit, daß hier die bloße Schilderung immer ohnmächtig bleiben
wird. Ich kann nur sagen, daß ich ans manchen Ausflug in der Umgebung
Athens verzichtet habe, nur um immer wieder zu allen möglichen Tageszeiten
zur Akropolis hinanfzupilgern, und ich weiß nicht, was ich mehr preisen soll,
die trotz aller Zerstörung unsagbare Schönheit ihrer architektonischen Trümmer,
oder die Herrlichkeit des Landschaftsbildes, das sich mit den edeln Linien des
attischen Landes darbietet. Auch der Blick von verschiednen Punkten der
Stadt auf die Burg ist fesselnd, denn sie erscheint immer wieder anders und
neu und sieht viel imposanter und hochragender ans, als man nach der be¬
scheidnen absoluten Höhe eigentlich erwarten sollte. Was sich aber ganz der


Archäologische Stndienfcchrten nach Griechenland und Kleinasien

Lage inmitten der wildromantischen Landschaft des arkadischen Gebirges kaum
seinesgleichen hat. Sehr schön ist auch die Lage des benachbarten Heiligtums
der Despoina in Lykosnm; auch die beiden Tempel von Rhamnus ein der
Nordostküste von Attika sind hervorzuheben, während die Tempel von Megalo-
polis, Tegea, Argos (das Heraion), Karthnin auf Keos, Eretria auf Euböa,
Paros und Poros in einem sehr traurigen Zustande sind; nur die nackten
Fundamente sind vorhanden, und selbst Dörpfelds Jnterpretationskunst wußte
uicht viel damit anzufangen. Dagegen waren die Theater von Megalopvlis
und von Eretria ausgezeichnet erhalten; bei dem zu Eretria ist besonders
merkwürdig der unterirdische Gang, der vom Proskeuion nach der Mitte der
Orchcstrn führte, um Erscheimmgeu cris der Unterwelt zu ermöglichen. Auch
das elliptische Theater in Thorikos (an der Ostspitze von Attika) und das schone
römische Theater auf Melos verdienen evvühnt zu werden.

Endlich komme ich zu den Orten, wo Denkmäler der mykenischen Periode
vorhanden sind. Ich nenne die mykenische Königsburg auf der Insel Melos, die
über den Resten einer prähistorischen Obsidianmesscrfabrik errichtet wurde — wir
fanden Hunderte von fertigen und unfertigen oder zerbrochnen Messerchen —,
was wieder für die Zeitbestimmung von Wert ist; ferner die Grabstätten von
Thorikos, die den mykenischen analog sind; das Beste ist und bleibt aber
Tiryns und Mykenä selbst, vor allem Tiryns, dessen Königsburg ein vortreff¬
liches und klares Bild von der Behausung eines homerischen Helden liefert.
Die Burgen von Mykenä und Troja sind längst nicht so übersichtlich, be¬
stätigen aber in jeder Hinsicht das in Tiryns Gefundue. In Mykenä inter¬
essieren besonders die schönen großen Kuppelgräber, die Dörpfeld auf die
Atriden zurückführt, während er das Heroon in der mykenischen Burg mit
seinen goldreichen Schachtgräbern der Zeit der Perseiden meent.

Damit wäre in der Hauptsache der Überblick über die Dörpfeldsche Führung
des vorigen Jahres beendet; Athen selbst und seine Umgebung will ich ganz
beiseite lassen, obwohl auch hier regelmäßige Vortrage sowohl Dörpfelds
wie auch andrer Herren stattfinden; aber erstlich ist ja allgemein bekannt,
welche Schütze sowohl im Nationalmuseum wie auch im Akropolismusenm auf¬
gehäuft sind, und sodann ist allein die Akropolis eine solche unergründliche
Quelle reichsten Genusses und zugleich eine so zauberhafte Sphinx an wechsel¬
voller Schönheit, daß hier die bloße Schilderung immer ohnmächtig bleiben
wird. Ich kann nur sagen, daß ich ans manchen Ausflug in der Umgebung
Athens verzichtet habe, nur um immer wieder zu allen möglichen Tageszeiten
zur Akropolis hinanfzupilgern, und ich weiß nicht, was ich mehr preisen soll,
die trotz aller Zerstörung unsagbare Schönheit ihrer architektonischen Trümmer,
oder die Herrlichkeit des Landschaftsbildes, das sich mit den edeln Linien des
attischen Landes darbietet. Auch der Blick von verschiednen Punkten der
Stadt auf die Burg ist fesselnd, denn sie erscheint immer wieder anders und
neu und sieht viel imposanter und hochragender ans, als man nach der be¬
scheidnen absoluten Höhe eigentlich erwarten sollte. Was sich aber ganz der


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[0486] Archäologische Stndienfcchrten nach Griechenland und Kleinasien Lage inmitten der wildromantischen Landschaft des arkadischen Gebirges kaum seinesgleichen hat. Sehr schön ist auch die Lage des benachbarten Heiligtums der Despoina in Lykosnm; auch die beiden Tempel von Rhamnus ein der Nordostküste von Attika sind hervorzuheben, während die Tempel von Megalo- polis, Tegea, Argos (das Heraion), Karthnin auf Keos, Eretria auf Euböa, Paros und Poros in einem sehr traurigen Zustande sind; nur die nackten Fundamente sind vorhanden, und selbst Dörpfelds Jnterpretationskunst wußte uicht viel damit anzufangen. Dagegen waren die Theater von Megalopvlis und von Eretria ausgezeichnet erhalten; bei dem zu Eretria ist besonders merkwürdig der unterirdische Gang, der vom Proskeuion nach der Mitte der Orchcstrn führte, um Erscheimmgeu cris der Unterwelt zu ermöglichen. Auch das elliptische Theater in Thorikos (an der Ostspitze von Attika) und das schone römische Theater auf Melos verdienen evvühnt zu werden. Endlich komme ich zu den Orten, wo Denkmäler der mykenischen Periode vorhanden sind. Ich nenne die mykenische Königsburg auf der Insel Melos, die über den Resten einer prähistorischen Obsidianmesscrfabrik errichtet wurde — wir fanden Hunderte von fertigen und unfertigen oder zerbrochnen Messerchen —, was wieder für die Zeitbestimmung von Wert ist; ferner die Grabstätten von Thorikos, die den mykenischen analog sind; das Beste ist und bleibt aber Tiryns und Mykenä selbst, vor allem Tiryns, dessen Königsburg ein vortreff¬ liches und klares Bild von der Behausung eines homerischen Helden liefert. Die Burgen von Mykenä und Troja sind längst nicht so übersichtlich, be¬ stätigen aber in jeder Hinsicht das in Tiryns Gefundue. In Mykenä inter¬ essieren besonders die schönen großen Kuppelgräber, die Dörpfeld auf die Atriden zurückführt, während er das Heroon in der mykenischen Burg mit seinen goldreichen Schachtgräbern der Zeit der Perseiden meent. Damit wäre in der Hauptsache der Überblick über die Dörpfeldsche Führung des vorigen Jahres beendet; Athen selbst und seine Umgebung will ich ganz beiseite lassen, obwohl auch hier regelmäßige Vortrage sowohl Dörpfelds wie auch andrer Herren stattfinden; aber erstlich ist ja allgemein bekannt, welche Schütze sowohl im Nationalmuseum wie auch im Akropolismusenm auf¬ gehäuft sind, und sodann ist allein die Akropolis eine solche unergründliche Quelle reichsten Genusses und zugleich eine so zauberhafte Sphinx an wechsel¬ voller Schönheit, daß hier die bloße Schilderung immer ohnmächtig bleiben wird. Ich kann nur sagen, daß ich ans manchen Ausflug in der Umgebung Athens verzichtet habe, nur um immer wieder zu allen möglichen Tageszeiten zur Akropolis hinanfzupilgern, und ich weiß nicht, was ich mehr preisen soll, die trotz aller Zerstörung unsagbare Schönheit ihrer architektonischen Trümmer, oder die Herrlichkeit des Landschaftsbildes, das sich mit den edeln Linien des attischen Landes darbietet. Auch der Blick von verschiednen Punkten der Stadt auf die Burg ist fesselnd, denn sie erscheint immer wieder anders und neu und sieht viel imposanter und hochragender ans, als man nach der be¬ scheidnen absoluten Höhe eigentlich erwarten sollte. Was sich aber ganz der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/486>, abgerufen am 22.07.2024.