Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ibsens romantische Stücke

vor die Kirche setzen, mit den Jnsignien seines Amtes schmücke", um wider die
Hölle gerüstet zu sein. Er läßt sich die Absolution erteilen und läßt dann
Mönche beten um Verzeihung für die Sünden, die er noch nach der Absolution
zu begehn gedenkt. Er schilt die faulen Burschen, die nicht laut, nicht eifrig
genug beten. Dabei spinnt er unermüdlich seine Ränke weiter. Er erzählt
Stute, wie er der Ränkeschmied geworden sei. Er hat König werden wollen,
aber er war feig und lief aus der Schlacht davon. Nun blieb ihm nur noch
eins übrig: Priester zu werden und als Zerstörer Macht zu üben. Sein Leib¬
arzt brütet über einem xsrxstuuin mobile; ein solches xerpswum inobils will
er selbst werden, will bis in die fernsten Zeiten dadurch fortwirken, daß er
einen unausrottbaren Zwietrachtsamen streut. Stute beschwört ihn, den Brief des
Priesters herauszugeben. Nachdem Nikolas Stute durch Zögern und Aus¬
weichen genug gepeinigt hat, giebt er ihm den Brief, sagt aber, es sei das
Verzeichnis seiner Feinde, an denen ihn Stille räche,? soll. Dann, in einer
geheuchelter Anwandlung von Versöhnlichkeit, heißt er ihn, das Papier ins
Feuer werfe", und nachdem es verbrannt ist, sagt er, daß es die Beichte des
Priesters gewesen sei, deren Inhalt er selbst nicht kennt. Nun bleibt Stute
zeitlebens im Ungewissen über sein Recht, und auch in Hnkons Seele kann der
Giftsame des Zweifels gestreut werden. Wie Nikolas das Ende unmittelbar
nahe fühlt, weicht alle Furcht vou ihm. Was die da oben von einem fordern,
der die volle Kraft für sein Lebenswerk empfangen hat, haben sie von ihm zu
erwarten kein Recht. Solange es ihm vorkam, als habe er Pflichten, sei er
von Gewissensbissen gepeinigt worden. "Jetzt ist das vorüber, ich fühle wieder
Mark im Knochengerüste der Seele. Ich habe nichts verbrochen! An mir
wurde gesündigt, ich bin der Ankläger!" Wie er verscheidet, ertönt höllisches
Gelächter aus allen Winkeln der Kirche. In der Gestalt eines Klosterbruders
erscheint er mit Grüßen aus der Hölle dem Prätendenten auf der Flucht und
sucht ihn zur Ermordung von Hakons Söhnchen zu bestimmen. Um der Seele
seines Sohnes Peter willen widersteht Stute der Versuchung. Da spricht der
unreine Geist:

Verflucht! Bis dahin wars herrlich gegangen!
Ich glaubt ihn im eignen Netze gefangen,
Doch ein Lichtstrahl von oben herunterfiel,
Den ich nicht gekannt. So verlor ich das Spiel.
Seis drum, zur Eile fühl ich nicht Drang,
Das >im'p<Mum modils ist ja im Gang.
Für Jahrhunderte ist ja verbrieft meine Macht,
Verbrieft über Leugner des Lichts in den Landen.
Gehn Normegs Völker gedankenlos hin,
Willenlos handelnd, verdunkelt den Sinn,
Sind verschrumpft ihre Herzen, liegt vorm Auge die Binde,
Schwach, wie ein schwankendes Schilfrohr im Winde --
Sind sie nur über das eine im Reinen,
Daß alles, was groß, werd beworfen mit Steinen,

Ibsens romantische Stücke

vor die Kirche setzen, mit den Jnsignien seines Amtes schmücke», um wider die
Hölle gerüstet zu sein. Er läßt sich die Absolution erteilen und läßt dann
Mönche beten um Verzeihung für die Sünden, die er noch nach der Absolution
zu begehn gedenkt. Er schilt die faulen Burschen, die nicht laut, nicht eifrig
genug beten. Dabei spinnt er unermüdlich seine Ränke weiter. Er erzählt
Stute, wie er der Ränkeschmied geworden sei. Er hat König werden wollen,
aber er war feig und lief aus der Schlacht davon. Nun blieb ihm nur noch
eins übrig: Priester zu werden und als Zerstörer Macht zu üben. Sein Leib¬
arzt brütet über einem xsrxstuuin mobile; ein solches xerpswum inobils will
er selbst werden, will bis in die fernsten Zeiten dadurch fortwirken, daß er
einen unausrottbaren Zwietrachtsamen streut. Stute beschwört ihn, den Brief des
Priesters herauszugeben. Nachdem Nikolas Stute durch Zögern und Aus¬
weichen genug gepeinigt hat, giebt er ihm den Brief, sagt aber, es sei das
Verzeichnis seiner Feinde, an denen ihn Stille räche,? soll. Dann, in einer
geheuchelter Anwandlung von Versöhnlichkeit, heißt er ihn, das Papier ins
Feuer werfe», und nachdem es verbrannt ist, sagt er, daß es die Beichte des
Priesters gewesen sei, deren Inhalt er selbst nicht kennt. Nun bleibt Stute
zeitlebens im Ungewissen über sein Recht, und auch in Hnkons Seele kann der
Giftsame des Zweifels gestreut werden. Wie Nikolas das Ende unmittelbar
nahe fühlt, weicht alle Furcht vou ihm. Was die da oben von einem fordern,
der die volle Kraft für sein Lebenswerk empfangen hat, haben sie von ihm zu
erwarten kein Recht. Solange es ihm vorkam, als habe er Pflichten, sei er
von Gewissensbissen gepeinigt worden. „Jetzt ist das vorüber, ich fühle wieder
Mark im Knochengerüste der Seele. Ich habe nichts verbrochen! An mir
wurde gesündigt, ich bin der Ankläger!" Wie er verscheidet, ertönt höllisches
Gelächter aus allen Winkeln der Kirche. In der Gestalt eines Klosterbruders
erscheint er mit Grüßen aus der Hölle dem Prätendenten auf der Flucht und
sucht ihn zur Ermordung von Hakons Söhnchen zu bestimmen. Um der Seele
seines Sohnes Peter willen widersteht Stute der Versuchung. Da spricht der
unreine Geist:

Verflucht! Bis dahin wars herrlich gegangen!
Ich glaubt ihn im eignen Netze gefangen,
Doch ein Lichtstrahl von oben herunterfiel,
Den ich nicht gekannt. So verlor ich das Spiel.
Seis drum, zur Eile fühl ich nicht Drang,
Das >im'p<Mum modils ist ja im Gang.
Für Jahrhunderte ist ja verbrieft meine Macht,
Verbrieft über Leugner des Lichts in den Landen.
Gehn Normegs Völker gedankenlos hin,
Willenlos handelnd, verdunkelt den Sinn,
Sind verschrumpft ihre Herzen, liegt vorm Auge die Binde,
Schwach, wie ein schwankendes Schilfrohr im Winde —
Sind sie nur über das eine im Reinen,
Daß alles, was groß, werd beworfen mit Steinen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290855"/>
          <fw type="header" place="top"> Ibsens romantische Stücke</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1518" prev="#ID_1517"> vor die Kirche setzen, mit den Jnsignien seines Amtes schmücke», um wider die<lb/>
Hölle gerüstet zu sein. Er läßt sich die Absolution erteilen und läßt dann<lb/>
Mönche beten um Verzeihung für die Sünden, die er noch nach der Absolution<lb/>
zu begehn gedenkt. Er schilt die faulen Burschen, die nicht laut, nicht eifrig<lb/>
genug beten. Dabei spinnt er unermüdlich seine Ränke weiter. Er erzählt<lb/>
Stute, wie er der Ränkeschmied geworden sei. Er hat König werden wollen,<lb/>
aber er war feig und lief aus der Schlacht davon. Nun blieb ihm nur noch<lb/>
eins übrig: Priester zu werden und als Zerstörer Macht zu üben. Sein Leib¬<lb/>
arzt brütet über einem xsrxstuuin mobile; ein solches xerpswum inobils will<lb/>
er selbst werden, will bis in die fernsten Zeiten dadurch fortwirken, daß er<lb/>
einen unausrottbaren Zwietrachtsamen streut. Stute beschwört ihn, den Brief des<lb/>
Priesters herauszugeben. Nachdem Nikolas Stute durch Zögern und Aus¬<lb/>
weichen genug gepeinigt hat, giebt er ihm den Brief, sagt aber, es sei das<lb/>
Verzeichnis seiner Feinde, an denen ihn Stille räche,? soll. Dann, in einer<lb/>
geheuchelter Anwandlung von Versöhnlichkeit, heißt er ihn, das Papier ins<lb/>
Feuer werfe», und nachdem es verbrannt ist, sagt er, daß es die Beichte des<lb/>
Priesters gewesen sei, deren Inhalt er selbst nicht kennt. Nun bleibt Stute<lb/>
zeitlebens im Ungewissen über sein Recht, und auch in Hnkons Seele kann der<lb/>
Giftsame des Zweifels gestreut werden. Wie Nikolas das Ende unmittelbar<lb/>
nahe fühlt, weicht alle Furcht vou ihm. Was die da oben von einem fordern,<lb/>
der die volle Kraft für sein Lebenswerk empfangen hat, haben sie von ihm zu<lb/>
erwarten kein Recht. Solange es ihm vorkam, als habe er Pflichten, sei er<lb/>
von Gewissensbissen gepeinigt worden. &#x201E;Jetzt ist das vorüber, ich fühle wieder<lb/>
Mark im Knochengerüste der Seele. Ich habe nichts verbrochen! An mir<lb/>
wurde gesündigt, ich bin der Ankläger!" Wie er verscheidet, ertönt höllisches<lb/>
Gelächter aus allen Winkeln der Kirche. In der Gestalt eines Klosterbruders<lb/>
erscheint er mit Grüßen aus der Hölle dem Prätendenten auf der Flucht und<lb/>
sucht ihn zur Ermordung von Hakons Söhnchen zu bestimmen. Um der Seele<lb/>
seines Sohnes Peter willen widersteht Stute der Versuchung. Da spricht der<lb/>
unreine Geist:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_5" type="poem">
            <l> Verflucht!  Bis dahin wars herrlich gegangen!<lb/>
Ich glaubt ihn im eignen Netze gefangen,<lb/>
Doch ein Lichtstrahl von oben herunterfiel,<lb/>
Den ich nicht gekannt.  So verlor ich das Spiel.</l>
            <l> Seis drum, zur Eile fühl ich nicht Drang,<lb/>
Das &gt;im'p&lt;Mum modils ist ja im Gang.<lb/>
Für Jahrhunderte ist ja verbrieft meine Macht,<lb/>
Verbrieft über Leugner des Lichts in den Landen.</l>
            <l> Gehn Normegs Völker gedankenlos hin,<lb/>
Willenlos handelnd, verdunkelt den Sinn,<lb/>
Sind verschrumpft ihre Herzen, liegt vorm Auge die Binde,<lb/>
Schwach, wie ein schwankendes Schilfrohr im Winde &#x2014;</l>
            <l> Sind sie nur über das eine im Reinen,<lb/>
Daß alles, was groß, werd beworfen mit Steinen,</l>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0444] Ibsens romantische Stücke vor die Kirche setzen, mit den Jnsignien seines Amtes schmücke», um wider die Hölle gerüstet zu sein. Er läßt sich die Absolution erteilen und läßt dann Mönche beten um Verzeihung für die Sünden, die er noch nach der Absolution zu begehn gedenkt. Er schilt die faulen Burschen, die nicht laut, nicht eifrig genug beten. Dabei spinnt er unermüdlich seine Ränke weiter. Er erzählt Stute, wie er der Ränkeschmied geworden sei. Er hat König werden wollen, aber er war feig und lief aus der Schlacht davon. Nun blieb ihm nur noch eins übrig: Priester zu werden und als Zerstörer Macht zu üben. Sein Leib¬ arzt brütet über einem xsrxstuuin mobile; ein solches xerpswum inobils will er selbst werden, will bis in die fernsten Zeiten dadurch fortwirken, daß er einen unausrottbaren Zwietrachtsamen streut. Stute beschwört ihn, den Brief des Priesters herauszugeben. Nachdem Nikolas Stute durch Zögern und Aus¬ weichen genug gepeinigt hat, giebt er ihm den Brief, sagt aber, es sei das Verzeichnis seiner Feinde, an denen ihn Stille räche,? soll. Dann, in einer geheuchelter Anwandlung von Versöhnlichkeit, heißt er ihn, das Papier ins Feuer werfe», und nachdem es verbrannt ist, sagt er, daß es die Beichte des Priesters gewesen sei, deren Inhalt er selbst nicht kennt. Nun bleibt Stute zeitlebens im Ungewissen über sein Recht, und auch in Hnkons Seele kann der Giftsame des Zweifels gestreut werden. Wie Nikolas das Ende unmittelbar nahe fühlt, weicht alle Furcht vou ihm. Was die da oben von einem fordern, der die volle Kraft für sein Lebenswerk empfangen hat, haben sie von ihm zu erwarten kein Recht. Solange es ihm vorkam, als habe er Pflichten, sei er von Gewissensbissen gepeinigt worden. „Jetzt ist das vorüber, ich fühle wieder Mark im Knochengerüste der Seele. Ich habe nichts verbrochen! An mir wurde gesündigt, ich bin der Ankläger!" Wie er verscheidet, ertönt höllisches Gelächter aus allen Winkeln der Kirche. In der Gestalt eines Klosterbruders erscheint er mit Grüßen aus der Hölle dem Prätendenten auf der Flucht und sucht ihn zur Ermordung von Hakons Söhnchen zu bestimmen. Um der Seele seines Sohnes Peter willen widersteht Stute der Versuchung. Da spricht der unreine Geist: Verflucht! Bis dahin wars herrlich gegangen! Ich glaubt ihn im eignen Netze gefangen, Doch ein Lichtstrahl von oben herunterfiel, Den ich nicht gekannt. So verlor ich das Spiel. Seis drum, zur Eile fühl ich nicht Drang, Das >im'p<Mum modils ist ja im Gang. Für Jahrhunderte ist ja verbrieft meine Macht, Verbrieft über Leugner des Lichts in den Landen. Gehn Normegs Völker gedankenlos hin, Willenlos handelnd, verdunkelt den Sinn, Sind verschrumpft ihre Herzen, liegt vorm Auge die Binde, Schwach, wie ein schwankendes Schilfrohr im Winde — Sind sie nur über das eine im Reinen, Daß alles, was groß, werd beworfen mit Steinen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/444
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/444>, abgerufen am 22.07.2024.