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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Lurenknege

Auch die schlüge, die sie am 10,, 11. und 15. Dezember 1899 erlitten,
reichten noch nicht zu ihrer Belehrung nus. Im Lr. ^. vom 23. Dezember
ist zu lesen: "Unsre Hilfsquellen an Geld, Leuten, Patriotismus "ud Grips
lZi-ip sind thatsächlich unbeschränkt." Ist das nicht eine einfache Übertragung
des bekannten Jingolieds in eine ebenso geschmacklose Prosa, die wuchtig wirken
will? -- Und weiter: "Was die bisherige Führung dieses Kriegs betrifft, so
haben wir nichts zu bedauern und noch weniger uns über irgend etwas zu
schämen." Der erbliche Mut der britische,? Soldaten habe nur die Führer
dazu verleitet, die Wissenschaft beiseite zu setzen.

Auch die ^. ii. S. vom 30. Dezember ist der Ansicht, daß England
in Bezug auf deu Burenkrieg nichts zu bereue" habe. Das Blatt ist stolz
darauf, daß England überall das weitere Vordringen der Buren gelähmt habe.
Welche Bescheidenheit nach den großmäuliger Worten der Wochen vorher!
Auch in diesem Punkte begegnet es dem Lr. ^. von demselben Tage, daß er
mit einer gewissen Verachtung des Gegners darauf hinweist, "daß dieser nur
wenig englisches Gebiet in Besitz habe." Im übrigen hält er an der alten
Forderung fest, "daß die Buren nach Eroberung ihres Landes eine gehörige
Buße zahle" müssen. Denn daß der Krieg anders als mit unserm völligen
Triumph ende" kaun, steht außer jedem Zweifel." Auch meint der Lr. L..,
daß ein langer Krieg nicht nach dem Sinne der Buren sei; uach der Einnahme
Bloemfonteius würden sich die Freistaatler ohne weiteres vorn Kriege zurück-
ziehn. Heute wissen wir, daß das nicht der Fall ist, wenn auch ein Teil von
>buen durch die englische"? Erfolge vorübergehend entmutigt gewesen zu sein
scheint. -- Alle englischen Blätter sind aber nach wie vor über die unbedingte
Überlegenheit des englischen Soldaten über den hinterwäldlerischen Buren einig;
die Mißerfolge bei Stormberg, MagcrSfontein und Colenso erklärten sich einfach
daraus, daß die Burenstellungen dort g1in"8t imprö^tubis, so gut wie unein¬
nehmbar, gewesen seien. Aber warum packten denn die englischen Generale
dort so unverständig an?




Das war so ungefähr die Stimmung, in der die Ära Roberts-Kitchener
einsetzte. Vielleicht aber doch etwas weniger hochmütig und vertrauensvoll.
Den" nnr ein moralisch niedergebeugtes Volk jubelt den Männern, von denen
es einen Umschwung der Lage erwartet, so zu, wie dies in den letzten De¬
zember- und den ersten Januartagen in England geschah. Es wurde völlig
verkannt, daß die bis dahin erfahrnen Mißerfolge in dem ganzen System
Organisation, Ausbildung, Taktik -- wurzelten und nicht in den leitenden
Persönlichkeiten allein. Was diese angeht, so kaun man der englischen Re¬
gierung el"e gewisse Hochachtung dafür nicht vorenthalten, daß sie die nugliick-
licheu Generale a" der Spitze ihrer Truppen ließ. In südlichen Staaten
wären sie sicherlich dem Volksunwillen geopfert worden. In Bezug auf Methuen,
dessen unvernünftige Bnlldoggtaktik am Modder besondre Erbitterung hervor-


Militärische Randglossen zum Lurenknege

Auch die schlüge, die sie am 10,, 11. und 15. Dezember 1899 erlitten,
reichten noch nicht zu ihrer Belehrung nus. Im Lr. ^. vom 23. Dezember
ist zu lesen: „Unsre Hilfsquellen an Geld, Leuten, Patriotismus »ud Grips
lZi-ip sind thatsächlich unbeschränkt." Ist das nicht eine einfache Übertragung
des bekannten Jingolieds in eine ebenso geschmacklose Prosa, die wuchtig wirken
will? — Und weiter: „Was die bisherige Führung dieses Kriegs betrifft, so
haben wir nichts zu bedauern und noch weniger uns über irgend etwas zu
schämen." Der erbliche Mut der britische,? Soldaten habe nur die Führer
dazu verleitet, die Wissenschaft beiseite zu setzen.

Auch die ^. ii. S. vom 30. Dezember ist der Ansicht, daß England
in Bezug auf deu Burenkrieg nichts zu bereue» habe. Das Blatt ist stolz
darauf, daß England überall das weitere Vordringen der Buren gelähmt habe.
Welche Bescheidenheit nach den großmäuliger Worten der Wochen vorher!
Auch in diesem Punkte begegnet es dem Lr. ^. von demselben Tage, daß er
mit einer gewissen Verachtung des Gegners darauf hinweist, „daß dieser nur
wenig englisches Gebiet in Besitz habe." Im übrigen hält er an der alten
Forderung fest, „daß die Buren nach Eroberung ihres Landes eine gehörige
Buße zahle» müssen. Denn daß der Krieg anders als mit unserm völligen
Triumph ende» kaun, steht außer jedem Zweifel." Auch meint der Lr. L..,
daß ein langer Krieg nicht nach dem Sinne der Buren sei; uach der Einnahme
Bloemfonteius würden sich die Freistaatler ohne weiteres vorn Kriege zurück-
ziehn. Heute wissen wir, daß das nicht der Fall ist, wenn auch ein Teil von
>buen durch die englische«? Erfolge vorübergehend entmutigt gewesen zu sein
scheint. — Alle englischen Blätter sind aber nach wie vor über die unbedingte
Überlegenheit des englischen Soldaten über den hinterwäldlerischen Buren einig;
die Mißerfolge bei Stormberg, MagcrSfontein und Colenso erklärten sich einfach
daraus, daß die Burenstellungen dort g1in»8t imprö^tubis, so gut wie unein¬
nehmbar, gewesen seien. Aber warum packten denn die englischen Generale
dort so unverständig an?




Das war so ungefähr die Stimmung, in der die Ära Roberts-Kitchener
einsetzte. Vielleicht aber doch etwas weniger hochmütig und vertrauensvoll.
Den» nnr ein moralisch niedergebeugtes Volk jubelt den Männern, von denen
es einen Umschwung der Lage erwartet, so zu, wie dies in den letzten De¬
zember- und den ersten Januartagen in England geschah. Es wurde völlig
verkannt, daß die bis dahin erfahrnen Mißerfolge in dem ganzen System
Organisation, Ausbildung, Taktik — wurzelten und nicht in den leitenden
Persönlichkeiten allein. Was diese angeht, so kaun man der englischen Re¬
gierung el»e gewisse Hochachtung dafür nicht vorenthalten, daß sie die nugliick-
licheu Generale a» der Spitze ihrer Truppen ließ. In südlichen Staaten
wären sie sicherlich dem Volksunwillen geopfert worden. In Bezug auf Methuen,
dessen unvernünftige Bnlldoggtaktik am Modder besondre Erbitterung hervor-


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[0387] Militärische Randglossen zum Lurenknege Auch die schlüge, die sie am 10,, 11. und 15. Dezember 1899 erlitten, reichten noch nicht zu ihrer Belehrung nus. Im Lr. ^. vom 23. Dezember ist zu lesen: „Unsre Hilfsquellen an Geld, Leuten, Patriotismus »ud Grips lZi-ip sind thatsächlich unbeschränkt." Ist das nicht eine einfache Übertragung des bekannten Jingolieds in eine ebenso geschmacklose Prosa, die wuchtig wirken will? — Und weiter: „Was die bisherige Führung dieses Kriegs betrifft, so haben wir nichts zu bedauern und noch weniger uns über irgend etwas zu schämen." Der erbliche Mut der britische,? Soldaten habe nur die Führer dazu verleitet, die Wissenschaft beiseite zu setzen. Auch die ^. ii. S. vom 30. Dezember ist der Ansicht, daß England in Bezug auf deu Burenkrieg nichts zu bereue» habe. Das Blatt ist stolz darauf, daß England überall das weitere Vordringen der Buren gelähmt habe. Welche Bescheidenheit nach den großmäuliger Worten der Wochen vorher! Auch in diesem Punkte begegnet es dem Lr. ^. von demselben Tage, daß er mit einer gewissen Verachtung des Gegners darauf hinweist, „daß dieser nur wenig englisches Gebiet in Besitz habe." Im übrigen hält er an der alten Forderung fest, „daß die Buren nach Eroberung ihres Landes eine gehörige Buße zahle» müssen. Denn daß der Krieg anders als mit unserm völligen Triumph ende» kaun, steht außer jedem Zweifel." Auch meint der Lr. L.., daß ein langer Krieg nicht nach dem Sinne der Buren sei; uach der Einnahme Bloemfonteius würden sich die Freistaatler ohne weiteres vorn Kriege zurück- ziehn. Heute wissen wir, daß das nicht der Fall ist, wenn auch ein Teil von >buen durch die englische«? Erfolge vorübergehend entmutigt gewesen zu sein scheint. — Alle englischen Blätter sind aber nach wie vor über die unbedingte Überlegenheit des englischen Soldaten über den hinterwäldlerischen Buren einig; die Mißerfolge bei Stormberg, MagcrSfontein und Colenso erklärten sich einfach daraus, daß die Burenstellungen dort g1in»8t imprö^tubis, so gut wie unein¬ nehmbar, gewesen seien. Aber warum packten denn die englischen Generale dort so unverständig an? Das war so ungefähr die Stimmung, in der die Ära Roberts-Kitchener einsetzte. Vielleicht aber doch etwas weniger hochmütig und vertrauensvoll. Den» nnr ein moralisch niedergebeugtes Volk jubelt den Männern, von denen es einen Umschwung der Lage erwartet, so zu, wie dies in den letzten De¬ zember- und den ersten Januartagen in England geschah. Es wurde völlig verkannt, daß die bis dahin erfahrnen Mißerfolge in dem ganzen System Organisation, Ausbildung, Taktik — wurzelten und nicht in den leitenden Persönlichkeiten allein. Was diese angeht, so kaun man der englischen Re¬ gierung el»e gewisse Hochachtung dafür nicht vorenthalten, daß sie die nugliick- licheu Generale a» der Spitze ihrer Truppen ließ. In südlichen Staaten wären sie sicherlich dem Volksunwillen geopfert worden. In Bezug auf Methuen, dessen unvernünftige Bnlldoggtaktik am Modder besondre Erbitterung hervor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/387>, abgerufen am 22.07.2024.