Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Militärische Randglossen zum Buronkriege

wir nur in der II. 8. vom 23. Dezember gefunden: dort wird das An¬
rennen gegen Verschanzungen, die ein Offizier mit einem guten Feldstecher
hätte erkennen müssen, als eine ganz unverantwortliche Handlungsweise be¬
zeichnet; ans englischer Seite sei zu Tage getreten: "eine völlige und obendrein
hoffnungslose Unkenntnis über Zahl, Stellung und Maßnahmen des Feindes.
Wo waren der Generalstab, wo die Patrouillen, wo das aufklärende Luft¬
schiff?" -- Der Lr. L.. (vom 16. Dezember) ist von härteren Holze geschnitzt.
Einen Tag nach der Niederlage Butters bei Colenso, aber bevor die Nachricht
darüber in London bekannt geworden war, schreibt er stolz: "Wir haben nicht
nötig, nach irgendwo hin um Hilfe auszuschnnn." Und in derselben Nummer
läßt sich der allezeit zufriedne und hoffnungsreiche Generalmajor Beugough,
der unfreiwillige Humorist unter den Kriegskritikern, in der folgenden naiven
Weise vernehmen: General Butter null die Buren nicht bloß zurückwerfen,
sondern ihnen eine grausame Niederlage beibringen. Butter hält Jonbert fest,
bis die beiden westlichen Kolonnen in die Linie einrücken! -- Dabei war
einen Tag, bevor das Blatt erschien, also wohl gerade, als diese Ergüsse ge¬
druckt wurden, der arme Butter auf das "grausamste" am Tngela geschlagen
worden. Wochenlang hatte er, sehr zum Unmut der heißblütigen Burenver-
tilger daheim, im Lager bei Frere gezögert, dann sich nach Chievcleh vor-
bewegt und Sichernngstruppen bis ans etwa sechs .Kilometer an Colenso hinan
geschoben.

Am 15. Dezember geschah das gänzlich Unerwartete: der als Taktiker im
Lager von Aldershot gepriesene General packt in voller Kenntnis der ihm
gegenüberliegenden Stellung den Stier bei den Hörnern; seine Truppen zeigen
sich den taktischen Erfordernissen der Lage nicht gewachsen und entgleiten, nach
vorwärts durchgehend (Artillerie!), seiner Zügelführung. Die alte Tapferkeit,
die alten, grundsätzlichen Fehler, denen gegenüber das Mausergewehr in den
Händen der weise zurückhaltender Buren seine volle Schuldigkeit thut! Nicht
weniger als 1097 Mann, darunter 66 Offiziere, kostete der Tag den Engländern;
die Buren gaben -- völlig glaubwürdig -- ihren Verlust ans annähernd
130 Köpfe an. Ob Butter Befehl zum Angriff gehabt hat, um Stormberg
und Magersfontein auszulöschen? Ein bittrer Humor liegt darin, daß gerade
am 16. Dezember die ^. a. ^. d eine soeben in Buchform erschienene Lebens¬
beschreibung des Geschlagnen von Colenso besprach, worin dieser als gerade
der rechte Mann für den Oberbefehl in Südafrika hingestellt wurde! Indes
nötigt die Pflicht der Gerechtigkeit uns, hervorzuheben, daß unter den eng¬
lischen Generalen Sir Nedvers Butter immer noch einer der fähigste" ist.
Aber auch er ist anscheinend nicht frei von den in England eingewurzelten
falschen Anschauungen über neuzeitliche Kriegführung, und das Instrument in
seiner Hand ist ungeeignet für die zu bewältigenden Aufgaben. Die Engländer
hielten ihre Soldaten auf Grund leicht errnngner Siege über halbnackte, mangel¬
haft bewaffnete Wilde für Wesen höherer Ordnung, die es ohne weiteres mit
je zehn Deutschen, Franzosen oder Italienern spielend aufnehmen könnten.


Militärische Randglossen zum Buronkriege

wir nur in der II. 8. vom 23. Dezember gefunden: dort wird das An¬
rennen gegen Verschanzungen, die ein Offizier mit einem guten Feldstecher
hätte erkennen müssen, als eine ganz unverantwortliche Handlungsweise be¬
zeichnet; ans englischer Seite sei zu Tage getreten: „eine völlige und obendrein
hoffnungslose Unkenntnis über Zahl, Stellung und Maßnahmen des Feindes.
Wo waren der Generalstab, wo die Patrouillen, wo das aufklärende Luft¬
schiff?" — Der Lr. L.. (vom 16. Dezember) ist von härteren Holze geschnitzt.
Einen Tag nach der Niederlage Butters bei Colenso, aber bevor die Nachricht
darüber in London bekannt geworden war, schreibt er stolz: „Wir haben nicht
nötig, nach irgendwo hin um Hilfe auszuschnnn." Und in derselben Nummer
läßt sich der allezeit zufriedne und hoffnungsreiche Generalmajor Beugough,
der unfreiwillige Humorist unter den Kriegskritikern, in der folgenden naiven
Weise vernehmen: General Butter null die Buren nicht bloß zurückwerfen,
sondern ihnen eine grausame Niederlage beibringen. Butter hält Jonbert fest,
bis die beiden westlichen Kolonnen in die Linie einrücken! — Dabei war
einen Tag, bevor das Blatt erschien, also wohl gerade, als diese Ergüsse ge¬
druckt wurden, der arme Butter auf das „grausamste" am Tngela geschlagen
worden. Wochenlang hatte er, sehr zum Unmut der heißblütigen Burenver-
tilger daheim, im Lager bei Frere gezögert, dann sich nach Chievcleh vor-
bewegt und Sichernngstruppen bis ans etwa sechs .Kilometer an Colenso hinan
geschoben.

Am 15. Dezember geschah das gänzlich Unerwartete: der als Taktiker im
Lager von Aldershot gepriesene General packt in voller Kenntnis der ihm
gegenüberliegenden Stellung den Stier bei den Hörnern; seine Truppen zeigen
sich den taktischen Erfordernissen der Lage nicht gewachsen und entgleiten, nach
vorwärts durchgehend (Artillerie!), seiner Zügelführung. Die alte Tapferkeit,
die alten, grundsätzlichen Fehler, denen gegenüber das Mausergewehr in den
Händen der weise zurückhaltender Buren seine volle Schuldigkeit thut! Nicht
weniger als 1097 Mann, darunter 66 Offiziere, kostete der Tag den Engländern;
die Buren gaben — völlig glaubwürdig — ihren Verlust ans annähernd
130 Köpfe an. Ob Butter Befehl zum Angriff gehabt hat, um Stormberg
und Magersfontein auszulöschen? Ein bittrer Humor liegt darin, daß gerade
am 16. Dezember die ^. a. ^. d eine soeben in Buchform erschienene Lebens¬
beschreibung des Geschlagnen von Colenso besprach, worin dieser als gerade
der rechte Mann für den Oberbefehl in Südafrika hingestellt wurde! Indes
nötigt die Pflicht der Gerechtigkeit uns, hervorzuheben, daß unter den eng¬
lischen Generalen Sir Nedvers Butter immer noch einer der fähigste» ist.
Aber auch er ist anscheinend nicht frei von den in England eingewurzelten
falschen Anschauungen über neuzeitliche Kriegführung, und das Instrument in
seiner Hand ist ungeeignet für die zu bewältigenden Aufgaben. Die Engländer
hielten ihre Soldaten auf Grund leicht errnngner Siege über halbnackte, mangel¬
haft bewaffnete Wilde für Wesen höherer Ordnung, die es ohne weiteres mit
je zehn Deutschen, Franzosen oder Italienern spielend aufnehmen könnten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290797"/>
          <fw type="header" place="top"> Militärische Randglossen zum Buronkriege</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1376" prev="#ID_1375"> wir nur in der II. 8. vom 23. Dezember gefunden: dort wird das An¬<lb/>
rennen gegen Verschanzungen, die ein Offizier mit einem guten Feldstecher<lb/>
hätte erkennen müssen, als eine ganz unverantwortliche Handlungsweise be¬<lb/>
zeichnet; ans englischer Seite sei zu Tage getreten: &#x201E;eine völlige und obendrein<lb/>
hoffnungslose Unkenntnis über Zahl, Stellung und Maßnahmen des Feindes.<lb/>
Wo waren der Generalstab, wo die Patrouillen, wo das aufklärende Luft¬<lb/>
schiff?" &#x2014; Der Lr. L.. (vom 16. Dezember) ist von härteren Holze geschnitzt.<lb/>
Einen Tag nach der Niederlage Butters bei Colenso, aber bevor die Nachricht<lb/>
darüber in London bekannt geworden war, schreibt er stolz: &#x201E;Wir haben nicht<lb/>
nötig, nach irgendwo hin um Hilfe auszuschnnn." Und in derselben Nummer<lb/>
läßt sich der allezeit zufriedne und hoffnungsreiche Generalmajor Beugough,<lb/>
der unfreiwillige Humorist unter den Kriegskritikern, in der folgenden naiven<lb/>
Weise vernehmen: General Butter null die Buren nicht bloß zurückwerfen,<lb/>
sondern ihnen eine grausame Niederlage beibringen. Butter hält Jonbert fest,<lb/>
bis die beiden westlichen Kolonnen in die Linie einrücken! &#x2014; Dabei war<lb/>
einen Tag, bevor das Blatt erschien, also wohl gerade, als diese Ergüsse ge¬<lb/>
druckt wurden, der arme Butter auf das &#x201E;grausamste" am Tngela geschlagen<lb/>
worden. Wochenlang hatte er, sehr zum Unmut der heißblütigen Burenver-<lb/>
tilger daheim, im Lager bei Frere gezögert, dann sich nach Chievcleh vor-<lb/>
bewegt und Sichernngstruppen bis ans etwa sechs .Kilometer an Colenso hinan<lb/>
geschoben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1377" next="#ID_1378"> Am 15. Dezember geschah das gänzlich Unerwartete: der als Taktiker im<lb/>
Lager von Aldershot gepriesene General packt in voller Kenntnis der ihm<lb/>
gegenüberliegenden Stellung den Stier bei den Hörnern; seine Truppen zeigen<lb/>
sich den taktischen Erfordernissen der Lage nicht gewachsen und entgleiten, nach<lb/>
vorwärts durchgehend (Artillerie!), seiner Zügelführung. Die alte Tapferkeit,<lb/>
die alten, grundsätzlichen Fehler, denen gegenüber das Mausergewehr in den<lb/>
Händen der weise zurückhaltender Buren seine volle Schuldigkeit thut! Nicht<lb/>
weniger als 1097 Mann, darunter 66 Offiziere, kostete der Tag den Engländern;<lb/>
die Buren gaben &#x2014; völlig glaubwürdig &#x2014; ihren Verlust ans annähernd<lb/>
130 Köpfe an. Ob Butter Befehl zum Angriff gehabt hat, um Stormberg<lb/>
und Magersfontein auszulöschen? Ein bittrer Humor liegt darin, daß gerade<lb/>
am 16. Dezember die ^. a. ^. d eine soeben in Buchform erschienene Lebens¬<lb/>
beschreibung des Geschlagnen von Colenso besprach, worin dieser als gerade<lb/>
der rechte Mann für den Oberbefehl in Südafrika hingestellt wurde! Indes<lb/>
nötigt die Pflicht der Gerechtigkeit uns, hervorzuheben, daß unter den eng¬<lb/>
lischen Generalen Sir Nedvers Butter immer noch einer der fähigste» ist.<lb/>
Aber auch er ist anscheinend nicht frei von den in England eingewurzelten<lb/>
falschen Anschauungen über neuzeitliche Kriegführung, und das Instrument in<lb/>
seiner Hand ist ungeeignet für die zu bewältigenden Aufgaben. Die Engländer<lb/>
hielten ihre Soldaten auf Grund leicht errnngner Siege über halbnackte, mangel¬<lb/>
haft bewaffnete Wilde für Wesen höherer Ordnung, die es ohne weiteres mit<lb/>
je zehn Deutschen, Franzosen oder Italienern spielend aufnehmen könnten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0386] Militärische Randglossen zum Buronkriege wir nur in der II. 8. vom 23. Dezember gefunden: dort wird das An¬ rennen gegen Verschanzungen, die ein Offizier mit einem guten Feldstecher hätte erkennen müssen, als eine ganz unverantwortliche Handlungsweise be¬ zeichnet; ans englischer Seite sei zu Tage getreten: „eine völlige und obendrein hoffnungslose Unkenntnis über Zahl, Stellung und Maßnahmen des Feindes. Wo waren der Generalstab, wo die Patrouillen, wo das aufklärende Luft¬ schiff?" — Der Lr. L.. (vom 16. Dezember) ist von härteren Holze geschnitzt. Einen Tag nach der Niederlage Butters bei Colenso, aber bevor die Nachricht darüber in London bekannt geworden war, schreibt er stolz: „Wir haben nicht nötig, nach irgendwo hin um Hilfe auszuschnnn." Und in derselben Nummer läßt sich der allezeit zufriedne und hoffnungsreiche Generalmajor Beugough, der unfreiwillige Humorist unter den Kriegskritikern, in der folgenden naiven Weise vernehmen: General Butter null die Buren nicht bloß zurückwerfen, sondern ihnen eine grausame Niederlage beibringen. Butter hält Jonbert fest, bis die beiden westlichen Kolonnen in die Linie einrücken! — Dabei war einen Tag, bevor das Blatt erschien, also wohl gerade, als diese Ergüsse ge¬ druckt wurden, der arme Butter auf das „grausamste" am Tngela geschlagen worden. Wochenlang hatte er, sehr zum Unmut der heißblütigen Burenver- tilger daheim, im Lager bei Frere gezögert, dann sich nach Chievcleh vor- bewegt und Sichernngstruppen bis ans etwa sechs .Kilometer an Colenso hinan geschoben. Am 15. Dezember geschah das gänzlich Unerwartete: der als Taktiker im Lager von Aldershot gepriesene General packt in voller Kenntnis der ihm gegenüberliegenden Stellung den Stier bei den Hörnern; seine Truppen zeigen sich den taktischen Erfordernissen der Lage nicht gewachsen und entgleiten, nach vorwärts durchgehend (Artillerie!), seiner Zügelführung. Die alte Tapferkeit, die alten, grundsätzlichen Fehler, denen gegenüber das Mausergewehr in den Händen der weise zurückhaltender Buren seine volle Schuldigkeit thut! Nicht weniger als 1097 Mann, darunter 66 Offiziere, kostete der Tag den Engländern; die Buren gaben — völlig glaubwürdig — ihren Verlust ans annähernd 130 Köpfe an. Ob Butter Befehl zum Angriff gehabt hat, um Stormberg und Magersfontein auszulöschen? Ein bittrer Humor liegt darin, daß gerade am 16. Dezember die ^. a. ^. d eine soeben in Buchform erschienene Lebens¬ beschreibung des Geschlagnen von Colenso besprach, worin dieser als gerade der rechte Mann für den Oberbefehl in Südafrika hingestellt wurde! Indes nötigt die Pflicht der Gerechtigkeit uns, hervorzuheben, daß unter den eng¬ lischen Generalen Sir Nedvers Butter immer noch einer der fähigste» ist. Aber auch er ist anscheinend nicht frei von den in England eingewurzelten falschen Anschauungen über neuzeitliche Kriegführung, und das Instrument in seiner Hand ist ungeeignet für die zu bewältigenden Aufgaben. Die Engländer hielten ihre Soldaten auf Grund leicht errnngner Siege über halbnackte, mangel¬ haft bewaffnete Wilde für Wesen höherer Ordnung, die es ohne weiteres mit je zehn Deutschen, Franzosen oder Italienern spielend aufnehmen könnten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/386
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/386>, abgerufen am 03.07.2024.