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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Burenkriege

niemals erlebt haben! Ganz ähnlich äußerte sich der Lr. ^. von demselben
Tage. Der denkwürdige Zeitpunkt, wo die Buren diese grausame Niederlage
erleiden sollten, kam heran. Sofern nicht Sorge um das Schicksal Kimberleys
ihn trieb, hatte Methuen die Wahl des Tags ganz in der Hand; zu er¬
giebigen Erkundigungen der feindlichen Stellung, die mir zehn Kilometer
gegenüber lag, fehlte es weder an Zeit noch an Mannschaft, denn Methuens
Division war inzwischen auf 14000 Manu gebracht. Aber wozu sollte sich
der sieggewohnte Engländer, der den sichern Erfolg an der Spitze seiner
Bajonette trägt, mit solchen Nebensächlichkeiten befassen, zumal da kein un-
durchschreitbarer Fluß des Feindes Gefechtslinie unnahbar machte? Und so
kam es, wie es nicht anders kommen konnte. Den ganzen 10. über -- es
war ein Sonntag, und fromme Leute daheim haben daraus die Niederlage
Methuens wie auch Gatacres als ein Gottesgericht erklärt -- wurde der Teil
der weitgestreckten burischen Stellung, der angegriffen werden sollte, aus allen
vorhandnen Geschützen unter gewaltiger Mnnitionsvergeudung beschossen; da
auch Feldhaubitzen mit ihren vielgepriesenen Lhdditgrcmaten dabei beteiligt
waren, und von der Seite der Buren kein Schuß fiel, so konnte von den feind¬
lichen Schanzen nur noch Schutt und Trümmer übrig geblieben sein. Grau¬
same Verblendung! In der Morgenfrühe des 11. rückt die Hochländerbrigade
in geschlossener Zugkolonne vor, bis sie auf ein paar hundert Meter aus nicht
geahnten Schützengräben zusammengeschossen wird. Um das Gefecht wieder¬
herzustellen, greifen andre englische Truppen ein; wieder unheimliche Stille bei
den Buren, bis das Mausergewehr gegen die nah herangekommnen englischen
Abteilungen seine Schuldigkeit thut. Und nun erst greifen die Geschütze der
Buren ein und vollenden die Niederlage der Briten. Der Generalkonuncmdant
Cronjc hatte seinem Gegner mit überlegner Taktik bös heimgeleuchtet. Hütten
nicht Überlegung und kriegerische Anlage -- was auf dieser Welt ist voll¬
kommen? -- die Buren in ihren Laufgräben festgehalten, so wären nur wenig
Engländer, da sie den Fluß im Rücken hatten, davongekommen. So blieb
ihnen die Katastrophe erspart, aber sie lagen auf ungefähr acht Wochen am
Modder fest! Nicht weniger als 68 Offiziere und 904 Mann hatten sie nach
amtlichen Angaben eingebüßt; die Buren behaupten an Toten und Verwundeten
zusammen gegen hundert Mann verloren zu haben, was durchaus glaubhaft
erscheint, da sie nur aus Deckungen schössen.

Daheim in England suchte man sich nach der Überwindung des ersten
Schrecks durch allerlei Lügennachrichten zu trösten: die Buren hätten "mindestens"
800 Mann verloren. Die Freistaatburen seien des Kriegs so müde, daß sie
.beinahe" vor Verdruß auf die Trausvaaler geschossen Hütten, beide seien völlig
entmutigt; und damit eine neue Parallele zum Verhalten unsrer Gegner 1870
nicht fehle, hieß es: nur durch "Verrat" sei den Buren der Sieg geblieben;
infolge der heimtückischen Einflüsterungen burischer Verräter habe Methuen die
Hochländer gerade gegen den stärksten Teil der feindlichen Befestigungen vor¬
gesandt. Ein Jnsichgehn, wie es die Lage der Engländer erheischte, haben


Grenzboten II 1900 48
Militärische Randglossen zum Burenkriege

niemals erlebt haben! Ganz ähnlich äußerte sich der Lr. ^. von demselben
Tage. Der denkwürdige Zeitpunkt, wo die Buren diese grausame Niederlage
erleiden sollten, kam heran. Sofern nicht Sorge um das Schicksal Kimberleys
ihn trieb, hatte Methuen die Wahl des Tags ganz in der Hand; zu er¬
giebigen Erkundigungen der feindlichen Stellung, die mir zehn Kilometer
gegenüber lag, fehlte es weder an Zeit noch an Mannschaft, denn Methuens
Division war inzwischen auf 14000 Manu gebracht. Aber wozu sollte sich
der sieggewohnte Engländer, der den sichern Erfolg an der Spitze seiner
Bajonette trägt, mit solchen Nebensächlichkeiten befassen, zumal da kein un-
durchschreitbarer Fluß des Feindes Gefechtslinie unnahbar machte? Und so
kam es, wie es nicht anders kommen konnte. Den ganzen 10. über — es
war ein Sonntag, und fromme Leute daheim haben daraus die Niederlage
Methuens wie auch Gatacres als ein Gottesgericht erklärt — wurde der Teil
der weitgestreckten burischen Stellung, der angegriffen werden sollte, aus allen
vorhandnen Geschützen unter gewaltiger Mnnitionsvergeudung beschossen; da
auch Feldhaubitzen mit ihren vielgepriesenen Lhdditgrcmaten dabei beteiligt
waren, und von der Seite der Buren kein Schuß fiel, so konnte von den feind¬
lichen Schanzen nur noch Schutt und Trümmer übrig geblieben sein. Grau¬
same Verblendung! In der Morgenfrühe des 11. rückt die Hochländerbrigade
in geschlossener Zugkolonne vor, bis sie auf ein paar hundert Meter aus nicht
geahnten Schützengräben zusammengeschossen wird. Um das Gefecht wieder¬
herzustellen, greifen andre englische Truppen ein; wieder unheimliche Stille bei
den Buren, bis das Mausergewehr gegen die nah herangekommnen englischen
Abteilungen seine Schuldigkeit thut. Und nun erst greifen die Geschütze der
Buren ein und vollenden die Niederlage der Briten. Der Generalkonuncmdant
Cronjc hatte seinem Gegner mit überlegner Taktik bös heimgeleuchtet. Hütten
nicht Überlegung und kriegerische Anlage — was auf dieser Welt ist voll¬
kommen? — die Buren in ihren Laufgräben festgehalten, so wären nur wenig
Engländer, da sie den Fluß im Rücken hatten, davongekommen. So blieb
ihnen die Katastrophe erspart, aber sie lagen auf ungefähr acht Wochen am
Modder fest! Nicht weniger als 68 Offiziere und 904 Mann hatten sie nach
amtlichen Angaben eingebüßt; die Buren behaupten an Toten und Verwundeten
zusammen gegen hundert Mann verloren zu haben, was durchaus glaubhaft
erscheint, da sie nur aus Deckungen schössen.

Daheim in England suchte man sich nach der Überwindung des ersten
Schrecks durch allerlei Lügennachrichten zu trösten: die Buren hätten „mindestens"
800 Mann verloren. Die Freistaatburen seien des Kriegs so müde, daß sie
.beinahe" vor Verdruß auf die Trausvaaler geschossen Hütten, beide seien völlig
entmutigt; und damit eine neue Parallele zum Verhalten unsrer Gegner 1870
nicht fehle, hieß es: nur durch „Verrat" sei den Buren der Sieg geblieben;
infolge der heimtückischen Einflüsterungen burischer Verräter habe Methuen die
Hochländer gerade gegen den stärksten Teil der feindlichen Befestigungen vor¬
gesandt. Ein Jnsichgehn, wie es die Lage der Engländer erheischte, haben


Grenzboten II 1900 48
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[0385] Militärische Randglossen zum Burenkriege niemals erlebt haben! Ganz ähnlich äußerte sich der Lr. ^. von demselben Tage. Der denkwürdige Zeitpunkt, wo die Buren diese grausame Niederlage erleiden sollten, kam heran. Sofern nicht Sorge um das Schicksal Kimberleys ihn trieb, hatte Methuen die Wahl des Tags ganz in der Hand; zu er¬ giebigen Erkundigungen der feindlichen Stellung, die mir zehn Kilometer gegenüber lag, fehlte es weder an Zeit noch an Mannschaft, denn Methuens Division war inzwischen auf 14000 Manu gebracht. Aber wozu sollte sich der sieggewohnte Engländer, der den sichern Erfolg an der Spitze seiner Bajonette trägt, mit solchen Nebensächlichkeiten befassen, zumal da kein un- durchschreitbarer Fluß des Feindes Gefechtslinie unnahbar machte? Und so kam es, wie es nicht anders kommen konnte. Den ganzen 10. über — es war ein Sonntag, und fromme Leute daheim haben daraus die Niederlage Methuens wie auch Gatacres als ein Gottesgericht erklärt — wurde der Teil der weitgestreckten burischen Stellung, der angegriffen werden sollte, aus allen vorhandnen Geschützen unter gewaltiger Mnnitionsvergeudung beschossen; da auch Feldhaubitzen mit ihren vielgepriesenen Lhdditgrcmaten dabei beteiligt waren, und von der Seite der Buren kein Schuß fiel, so konnte von den feind¬ lichen Schanzen nur noch Schutt und Trümmer übrig geblieben sein. Grau¬ same Verblendung! In der Morgenfrühe des 11. rückt die Hochländerbrigade in geschlossener Zugkolonne vor, bis sie auf ein paar hundert Meter aus nicht geahnten Schützengräben zusammengeschossen wird. Um das Gefecht wieder¬ herzustellen, greifen andre englische Truppen ein; wieder unheimliche Stille bei den Buren, bis das Mausergewehr gegen die nah herangekommnen englischen Abteilungen seine Schuldigkeit thut. Und nun erst greifen die Geschütze der Buren ein und vollenden die Niederlage der Briten. Der Generalkonuncmdant Cronjc hatte seinem Gegner mit überlegner Taktik bös heimgeleuchtet. Hütten nicht Überlegung und kriegerische Anlage — was auf dieser Welt ist voll¬ kommen? — die Buren in ihren Laufgräben festgehalten, so wären nur wenig Engländer, da sie den Fluß im Rücken hatten, davongekommen. So blieb ihnen die Katastrophe erspart, aber sie lagen auf ungefähr acht Wochen am Modder fest! Nicht weniger als 68 Offiziere und 904 Mann hatten sie nach amtlichen Angaben eingebüßt; die Buren behaupten an Toten und Verwundeten zusammen gegen hundert Mann verloren zu haben, was durchaus glaubhaft erscheint, da sie nur aus Deckungen schössen. Daheim in England suchte man sich nach der Überwindung des ersten Schrecks durch allerlei Lügennachrichten zu trösten: die Buren hätten „mindestens" 800 Mann verloren. Die Freistaatburen seien des Kriegs so müde, daß sie .beinahe" vor Verdruß auf die Trausvaaler geschossen Hütten, beide seien völlig entmutigt; und damit eine neue Parallele zum Verhalten unsrer Gegner 1870 nicht fehle, hieß es: nur durch „Verrat" sei den Buren der Sieg geblieben; infolge der heimtückischen Einflüsterungen burischer Verräter habe Methuen die Hochländer gerade gegen den stärksten Teil der feindlichen Befestigungen vor¬ gesandt. Ein Jnsichgehn, wie es die Lage der Engländer erheischte, haben Grenzboten II 1900 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/385>, abgerufen am 01.07.2024.