Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Lhamberlains Religions- und Rassenxhilosophie übersehen werden. Hätte ihr Chamberlain Beachtung geschenkt, so würde ihm Die Anerkennung dieser Thatsache Hütte dem Verfasser um so näher ge¬ Lhamberlains Religions- und Rassenxhilosophie übersehen werden. Hätte ihr Chamberlain Beachtung geschenkt, so würde ihm Die Anerkennung dieser Thatsache Hütte dem Verfasser um so näher ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290446"/> <fw type="header" place="top"> Lhamberlains Religions- und Rassenxhilosophie</fw><lb/> <p xml:id="ID_75" prev="#ID_74"> übersehen werden. Hätte ihr Chamberlain Beachtung geschenkt, so würde ihm<lb/> seine Rassentheorie einigermaßen zweifelhaft geworden sein. Nicht etwa, daß<lb/> die Rasse von entscheidender Wichtigkeit für alle Kulturerscheinungen, und daß<lb/> die germanische Rasse die höchste ist und die, der die Zukunft gehört; diese<lb/> zwei Punkte stehn auch für uns fest. Wohl aber würde er es unterlassen<lb/> haben, alle Charaktereigenschaften der Juden aus einer von ihm als ruchlos<lb/> geschilderten Bastardierung abzuleiten; gehören doch die Holländer, die Eng¬<lb/> länder und die Schotten zu den rassenreinsten Germanen, die es giebt (die<lb/> Kelten sind nach Chamberlain ebenfalls Germanen oder wenigstens diesen ganz<lb/> nahe verwandt). Es muß also noch andre Ursachen geben, die auf den Volks¬<lb/> charakter einwirken, als das Blut, und die geographischen, die sozialen und die<lb/> wirtschaftlichen Verhältnisse verdienen nicht die Geringschätzung, mit der sie<lb/> Chamberlain behandelt. Wie mächtig die zuletzt erwähnten sind, haben erst<lb/> die letzten zwei Jahrhunderte und besonders das neunzehnte gezeigt; vielleicht<lb/> darf man den englischen Fabrik- und Grubenarbeiter als eine ganz neue Rasse<lb/> bezeichnen, und seit dem Beginn der Gründerüra haben rassenechte germanische<lb/> Aristokraten in ihren Herzen eine Seelenverwandtschaft mit Semiten entdeckt,<lb/> die nicht selten durch Ehebündnisse besiegelt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_76" next="#ID_77"> Die Anerkennung dieser Thatsache Hütte dem Verfasser um so näher ge¬<lb/> legen, da er sehr gemein weiß, daß die Nassen uicht vom Himmel gefallen,<lb/> sondern entstanden sind, und daß noch vor unsern Augen neue entstehn, wie<lb/> die Jankeerasse, da er auch den Einfluß der Ideen auf die Rassenbildung an¬<lb/> erkennt und Germanen verjudet, Juden germanisiert werden läßt; der huma¬<lb/> nisierte Jude sei kein Jude mehr, meint er; und Seite 457 lesen wir: „Man<lb/> unterschütze die rein geistige Dolichozephalie und Bmchyzephalie nicht, sie wirkt<lb/> im weitesten Umfang auch als Ursache. Daher hat jede kräftige Nation eine<lb/> so große Assimilationskrnft. Der Eintritt in den neuen Verband ändert zu¬<lb/> nächst kein Jota soir würden lieber sagen, kein Fäserchenj an der physischen<lb/> Struktur und nur sehr langsam, in: Laufe der Generationen, das Blut; doch<lb/> viel schneller wirken die Ideen, indem sie fast sofort die ganze Persönlichkeit<lb/> in andre Bahnen lenken." Wenn er nun an andrer Stelle ganz allgemein<lb/> und unbedingt behauptet, wer nicht körperlich Germane sei, der könne überhaupt<lb/> kein Germane sein, so steht das mit jenen andern Aussprüchen in Widerspruch;<lb/> das Blut wird im allgemeinen für den Grundcharnkter bestimmend sein, aber<lb/> daß Familien andrer Abstammung, die in germanische Umgebung verpflanzt<lb/> sind und in innigem Gedankenaustausch und enger Gemeinschaft mit uns leben,<lb/> wenn auch vielleicht erst in der dritten oder vierten Generation im Fühlen und<lb/> Denken und in der Gesinnung Germanen werden können, darf nicht für un¬<lb/> möglich erklärt werden. Dann aber würde Chamberlain, wenn er an seine<lb/> Landsleute und an die Holländer gedacht Hütte, die Charaktereigenschaften der<lb/> Juden und ihre Religion in etwas mildern Lichte gesehen haben. Gewiß:<lb/> höchste und tiefste, wenn man will, wahre Religion ist Mystik. Aber können<lb/> alle Menschen, auch wenn sie Germanen sind, Mystiker sein, und ist die Treue</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
Lhamberlains Religions- und Rassenxhilosophie
übersehen werden. Hätte ihr Chamberlain Beachtung geschenkt, so würde ihm
seine Rassentheorie einigermaßen zweifelhaft geworden sein. Nicht etwa, daß
die Rasse von entscheidender Wichtigkeit für alle Kulturerscheinungen, und daß
die germanische Rasse die höchste ist und die, der die Zukunft gehört; diese
zwei Punkte stehn auch für uns fest. Wohl aber würde er es unterlassen
haben, alle Charaktereigenschaften der Juden aus einer von ihm als ruchlos
geschilderten Bastardierung abzuleiten; gehören doch die Holländer, die Eng¬
länder und die Schotten zu den rassenreinsten Germanen, die es giebt (die
Kelten sind nach Chamberlain ebenfalls Germanen oder wenigstens diesen ganz
nahe verwandt). Es muß also noch andre Ursachen geben, die auf den Volks¬
charakter einwirken, als das Blut, und die geographischen, die sozialen und die
wirtschaftlichen Verhältnisse verdienen nicht die Geringschätzung, mit der sie
Chamberlain behandelt. Wie mächtig die zuletzt erwähnten sind, haben erst
die letzten zwei Jahrhunderte und besonders das neunzehnte gezeigt; vielleicht
darf man den englischen Fabrik- und Grubenarbeiter als eine ganz neue Rasse
bezeichnen, und seit dem Beginn der Gründerüra haben rassenechte germanische
Aristokraten in ihren Herzen eine Seelenverwandtschaft mit Semiten entdeckt,
die nicht selten durch Ehebündnisse besiegelt wird.
Die Anerkennung dieser Thatsache Hütte dem Verfasser um so näher ge¬
legen, da er sehr gemein weiß, daß die Nassen uicht vom Himmel gefallen,
sondern entstanden sind, und daß noch vor unsern Augen neue entstehn, wie
die Jankeerasse, da er auch den Einfluß der Ideen auf die Rassenbildung an¬
erkennt und Germanen verjudet, Juden germanisiert werden läßt; der huma¬
nisierte Jude sei kein Jude mehr, meint er; und Seite 457 lesen wir: „Man
unterschütze die rein geistige Dolichozephalie und Bmchyzephalie nicht, sie wirkt
im weitesten Umfang auch als Ursache. Daher hat jede kräftige Nation eine
so große Assimilationskrnft. Der Eintritt in den neuen Verband ändert zu¬
nächst kein Jota soir würden lieber sagen, kein Fäserchenj an der physischen
Struktur und nur sehr langsam, in: Laufe der Generationen, das Blut; doch
viel schneller wirken die Ideen, indem sie fast sofort die ganze Persönlichkeit
in andre Bahnen lenken." Wenn er nun an andrer Stelle ganz allgemein
und unbedingt behauptet, wer nicht körperlich Germane sei, der könne überhaupt
kein Germane sein, so steht das mit jenen andern Aussprüchen in Widerspruch;
das Blut wird im allgemeinen für den Grundcharnkter bestimmend sein, aber
daß Familien andrer Abstammung, die in germanische Umgebung verpflanzt
sind und in innigem Gedankenaustausch und enger Gemeinschaft mit uns leben,
wenn auch vielleicht erst in der dritten oder vierten Generation im Fühlen und
Denken und in der Gesinnung Germanen werden können, darf nicht für un¬
möglich erklärt werden. Dann aber würde Chamberlain, wenn er an seine
Landsleute und an die Holländer gedacht Hütte, die Charaktereigenschaften der
Juden und ihre Religion in etwas mildern Lichte gesehen haben. Gewiß:
höchste und tiefste, wenn man will, wahre Religion ist Mystik. Aber können
alle Menschen, auch wenn sie Germanen sind, Mystiker sein, und ist die Treue
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |